Angesichts der weltweit eskalierenden Klimakrise ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung ernsthaft und entschieden wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Erderhitzung umsetzt. Folgenlose Bekenntnisse zu den Pariser Klimazielen sind zynisch angesichts der bereits deutlich spürbaren Folgen des Klimawandels. Die Klimaschutzziele, die sich die Staaten im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens gesetzt haben, reichen bisher bei weitem nicht aus, um die Erderhitzung auf deutlich unter 2 und wenn möglich auf 1,5 Grad zu begrenzen, um die schlimmsten Folgen zu verhindern. Vor dieser Herausforderung steht die gesamte Weltgemeinschaft: alle Staaten müssen ihre Klimaziele deutlich erhöhen und diese Ziele mit wirkungsvollen Maßnahmen unterlegen.
Doch die Bundesregierung scheitert bisher an ihren nationalen Klimazielen, die mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen völlig unzureichend sind. Wesentlicher Treiber der Klimakrise ist der Ausstoß von CO2, das insbesondere beim Verbrennen fossiler Energieträger freigesetzt wird. Dabei steht die saubere und günstigere Alternative längst bereit. Schon heute wird weltweit mehr in Solar- und Windenergie investiert als in neue Kohle-, Öl-, Gas- und Atomkraftwerke zusammengenommen. Diese globale Energiewende ging von Deutschland aus und ist unaufhaltbar – aber noch nicht schnell genug, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen und so die schwerwiegendsten Folgen der Erderhitzung zu verhindern.
Deutschland hat seine Vorreiterrolle durch Zögern und Zaudern längst eingebüßt. Auch andere Staaten übernehmen viel zu langsam die Verantwortung im Menschheits-, Sicherheits- und Wohlstandsthema Klimaschutz. UN-Generalsekretär Guterres hat den Regierungen, die beim Klimaschutz nicht entschlossen handeln, Führungsversagen vorgeworfen. Führungsversagen muss sich auch die Bundesregierung vorwerfen lassen, wenn sie nicht endlich ernst macht mit der Eindämmung der Klimakrise. Deutschland hat sich zuletzt innerhalb der EU stets gegen die klimafreundlichsten Entscheidungsvorlagen gestellt. Dabei wissen wir seit Jahrzehnten um die Folgen der Erderhitzung – und was dagegen zu tun ist. Nicht nur die streikenden Schüler*innen und Student*innen fordern: Jetzt ist es endlich Zeit, die Klimaschutz-Hausaufgaben zu machen.
Die Umsetzung der hier genannten dringlichsten Aufgaben beim Klimaschutz würde eine Grundlage schaffen, um endlich mit Schwellenländern und Vorreitern aus dem globalen Süden ernsthafte Umsetzungs-partnerschaften zu schließen. Dabei könnte Deutschland eine ganz erhebliche Hebel-wirkung für den Klimaschutz weltweit entfalten und drei zentrale Ziele des Pariser Klimaabkommens – Klimaschutzmaßnahmen zur Erreichung des 1,5°C-Limits, die Steigerung von Resilienz gegenüber den Folgen der Klimakrise und die Umschichtung der Finanzströme – wirksam unterstützen.
Mit diesem Programm fordern wir Umweltverbände von der Bundesregierung drei zentrale Weichenstellungen noch im ersten Halbjahr 2019:
Erstens, Deutschland soll sich aktiv für eine EU-Langfriststrategie einsetzen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen ist. Bis jetzt zeigt sich Deutschland nicht bereit, den Vorschlag der Europäischen Kommission zu unterstützen, eine klimaneutrale EU bis 2050 zu erreichen.
Zweitens erwarten wir von der Bundesregierung ein umfassendes Gesetzes- und Verordnungspaket, mit dem das 40%-Reduktionsziel schnellstmöglich und die 2030-Sektorziele sicher erreicht werden. Kern des Pakets muss das Klimaschutzgesetz sein. Wir fordern dazu eine Kraftanstrengung der ganzen Bundesregierung, die eine erste Kabinettsbefassung noch vor der Sommerpause ermöglicht.
Drittens fordern wir die Bundesregierung auf, den Kohleausstieg zügig gesetzlich zu verankern und die Strukturhilfen für die Kohleregionen mit der Abschaltung von Kohlekraftwerken zu verzahnen.
1. Klimaschutz in der EU und mit der EU voranbringen
Um die Erderhitzung auf ein noch handhabbares Maß zu begrenzen, müssen alle Staaten beim Klimaschutz ambitionierter werden. Das Pariser Abkommen verpflichtet alle Unterzeichner bis 2020 ihre Klimaschutz-Langfriststrategie vorzulegen. Die EU-Staaten tun dies gemeinsam. Die Kommission hat deshalb im November ihren Vorschlag dafür vorgelegt, mit dem sie der EU die Klimaneutralität bis 2050 als Ziel setzen will. Das reicht noch nicht aus, um einen fairen Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad zu leisten. Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, sich für eine ehrgeizigere Langfriststrategie der EU einzusetzen. Spätestens beim „Future of Europe“-Gipfel der EU Staats- und Regierungschefs im Mai in Sibiu muss sich die Bundesregierung entsprechend positionieren. Der Vorschlag der EU-Kommission stellt nur ein klimapolitisches Mindestmaß dar, das jedoch noch nicht den Anforderungen von Paris entspricht. Die EU kann mit einer fortschrittlichen Position beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs im September in New York die notwendige neue Dynamik in den internationalen Klimaschutzprozess bringen und endlich eine Erhöhung ihres Klimabeitrags zum Pariser Klima-abkommen („NDC“) bis 2030 ankündigen.
2. Gesetze für den Klimaschutz
Nach einem Jahrzehnt des Stillstands beim Klimaschutz in Deutschland reicht das Klimaschutzgesetz allein nicht aus. Es braucht ein ganzes Gesetzespaket mit einem Rahmengesetz als Kern.
Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien sieht vor, das 40-Prozent-Reduktionsziel, eigentlich bis zum Jahr 2020 geplant, „so schnell wie möglich“ durch Klimaschutz-Maßnahmen zu erreichen. Das ist zentral, da ansonsten das deutsche CO2-Budget sehr schnell dahinschmilzt. Doch die wenigen, bis heute beschlossenen Maßnahmen reichen nicht einmal aus, die geringeren Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten, zu denen sich die Bundesregierung in der EU rechtsverbindlich verpflichtet hat. Wir fordern die Bundesregierung auf, noch vor der Sommerpause ein Gesetzespaket zur schnellstmöglichen Erreichung des 40%-Klimaziels und der 2030-Sektorziele vorzulegen. In den Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Industrie müssen endlich die nötigen CO2-Einsparungen vorgenommen werden, wie wir sie zum Beispiel im „Maßnahmenprogramm Klimaschutz 2030 der deutschen Zivilgesellschaft“ zusammengefasst haben.
Dafür müssen eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen überarbeitet werden. Beispielhaft genannt seien das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiesteuergesetz, das Einkommenssteuergesetz, die Düngeverordnung, die LKW-Maut-verordnung und das Gebäudeenergiegesetz. Und der Kern dieses Gesetzespaketes muss das Klimaschutzgesetz sein. Es muss die Klimazielerreichung verbindlich und verlässlich festschreiben. Das deutsche Langfristziel muss analog zum Klimaschutzplan endlich auf mindestens 95 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2050 festgesetzt werden. Zentral ist die Verantwortung der zuständigen Bundesministerien für das Erreichen der Sektorziele verknüpft mit einem unabhängigen Monitoring und der Verpflichtung, Sofortprogramme aufzusetzen, wenn Zielverfehlung droht. Dabei müssen für alle Sektoren Jahresemissions-budgets festgelegt werden.
3. Den Kohleausstieg schnell und ambitioniert umsetzen
Der Kohlekompromiss ist klimapolitisch so schwach, dass er bricht, falls die Bundesregierung noch dahinter zurückbleibt. Die Bundesregierung hat angekündigt, die Ergebnisse der Kohlekommission („Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung”) so umzusetzen wie im Endbericht empfohlen. Der verhandelte Kompromiss muss ohne weitere klimapolitische Abstriche in ein Kohleausstiegsgesetz übersetzt und bis zum Sommer verabschiedet werden. Die Strukturwandel- und Klimaschutzmaßnahmen müssen dabei miteinander verzahnt und parallel im Gesetzgebungsverfahren behandelt und verabschiedet werden. Dabei muss das Kohleausstiegsgesetz mindestens die empfohlenen Stilllegungen festlegen und eine lineare Kapazitätsreduktion mit jährlichen Schritten vorsehen.
Die empfohlenen Revisionszeitpunkte müssen genutzt werden, um den Kohleausstieg zu beschleunigen und in Einklang mit den klimapolitischen Verpflichtungen zu bringen. Das bedeutet, dass der Ausstiegszeitpunkt deutlich vor 2038 liegen muss. Die Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern müssen deshalb zügig geführt und der Ausstieg aus der Kohleverstromung jetzt eingeleitet werden. Das bedeutet im ersten Schritt die Abschaltung von drei Gigawatt Braunkohlekapazität zusätzlich zur Referenzentwicklung im Rheinischen Revier bis 2022, namentlich an den Standorten Neurath und Niederaußem. Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde muss bis 2025 vom Netz sein. So müssen neben dem Hambacher Wald auch nicht länger Dörfer für Tagebaue zerstört werden. Dies zu vermeiden und umzusetzen, ist die Verantwortung der Bundesregierung und der Landesregierungen.
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Original Content von: WWF Deutschland präsentiert durch das Nordhessen Journal
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