Lesen auf eigene Gefahr. Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Karriere-Coach!
Altbewährte Rezepte und Vorurteile
Wir leben im Jahr 2020 und halten uns für eine hochentwickelte Gesellschaft. Immerhin – wir fliegen zum Mond, haben Roboter im Einsatz, können am 3D Drucker Ersatzteile ausdrucken und sind übers Internet mit der Welt verbunden. Nur hatten diese Errungenschaften bisher keine allzu nachhaltigen Auswirkungen auf unterschwellige Überzeugungen zwischen den Geschlechtern, zumindest nicht in Deutschland. Vor kurzem kam eine neue Allbright Studie auf den Markt, in der deutschen Unternehmen und dem Anteil von Frauen in Führungspositionen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde: während andere Unternehmen in westlichen Industrieländern deutlich mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte befördern, sieht es in deutschen Börsenunternehmen gänzlich anders aus. Es findet stattdessen eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, Vertrautes, „Altbewährtes“ statt – man setzt auf Männer.
Wir kämpfen in Deutschland immer noch gegen Vorurteile („unconscious bias“) an. Eine Ursache mag darin liegen, dass viele Entscheidungspositionen in deutschen DAX Vorständen und Aufsichtsräten mit älteren Männern besetzt sind, die in anderen Jahrzehnten sozialisiert wurden und die das mit der Besetzung eines Vorstands verbundene Risiko minimieren wollen. Da mag es aus ihrer Sicht (gefühlt) sicherer sein, wenn Männer berufen werden, die ihnen selbst ähneln und sich mit ihrem männlichen Verhalten vergleichbar zu ihnen selbst verhalten. Ihre Überzeugung: Damit können sie die Verhaltensweisen und Reaktionen der von ihnen eingesetzten Kandidaten besser abschätzen, lesen und lenken als bei weiblichen Kandidaten. Befeuert wird diese Überzeugung noch dadurch, dass in den letzten Jahren immer wieder prominente Frauen aus Führungspositionen ausgestiegen sind – kaum freiwillig. Das bestätigt diese männliche Entscheidergruppe in ihren Ansichten: „Siehst du, ich habe es dir ja gesagt. Es ist unwägbarer und mühsamer mit Frauen!“ Es geht dabei häufig nicht nur um Bequemlichkeit, sondern vorrangig auch um Machtkontrolle und -erhalt.
Auch gibt es, auf beiden Geschlechterseiten, viel Unkenntnis über gender-stereotype Verhaltens-weisen und Reaktionen. Auch Vorurteile sind immer noch vorhanden, so wie dieses: „Frauen sind immer emotional, weil sie auch mal Tränen in den Augen haben. Männer sind rational.“ Mag sein, dass eine Frau in einer stressigen Situation ein Tränchen verdrücken muss. Das ist nicht (männlich) normgerecht, aber letzten Endes auch nur menschlich. Wie würden Sie es dagegen nennen, wenn ein Mann herumschreit oder sich aggressiv verhält? Genau, das sind auch Emotionen. Übrigens wenig konstruktive.
Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Relevant dürfte doch auch sein, dass diese Fälle von Weinerei und Schreierei wohl eher Ausnahmen sind. Genauso wenig, wie eine Frau ständig heult, wird ein Mann permanent herumbrüllen. Insofern sind solche Pauschalurteile nichts anderes als Vorurteile, die auf tief verwurzelten Überzeugungen beruhen.
Aber wir Frauen stellen uns manchmal auch selbst ein Bein. Die wichtigsten drei Stolpersteine stelle ich Ihnen vor.
Die erste Todsünde: Sie machen Ihren Chef lächerlich!
Zunächst müssen wir uns klarmachen, was die Geschlechter am meisten fürchten. Die meisten Frauen fürchten am meisten, dass man ihnen Gewalt antut, vor allem physische. Wenn man dagegen Männer befragt, was sie am meisten fürchten, so ist es der Gesichtsverlust. Nichts stresst die meisten Männer mehr, als wenn sie lächerlich gemacht und nicht ernst bzw. wichtig genug genommen werden. Die Demütigung schmerzt in jedem Fall, auch wenn sie von einem anderen Mann kommt, wird aber als umso schlimmer empfunden, wenn sich der Betroffene von oder vor einer Frau lächerlich gemacht fühlt. Diesen fundamentalen Unterschied muss man begreifen, wenn man sich das Miteinander von Männern und Frauen im Büroalltag näher anschaut.
Die erste Todsünde, die Frauen im Beruf begehen können, lautet: Du machst deinen Chef oder Kollegen lächerlich, sogar vor anderen Männern oder – noch schlimmer – Frauen! Dabei spielt es keine Rolle, ob dies absichtlich oder versehentlich geschieht.
Ein Beispiel dazu: Anne ist Abteilungsleiterin in der Vertriebsunterstützung und hat ein Treffen mit dem Abteilungsleiter Marketing, Nils. Sie sind uneinig über die Verwendung des Eventbudgets und fangen an zu streiten. Dabei spielen eventuell anwesende Zuschauer die eine Rolle, das Ego der beiden die andere: wer nimmt sich selbst wichtiger und wer ist de facto mächtiger im Unternehmen, weil er/sie mehr Erfolge vorzuweisen hat und die größere Lobby hinter sich hat? Einen Blick auf diese Machtverhältnisse zu werfen ist wichtig, denn: obwohl beide hierarchisch auf der gleichen Stufe stehen, sind sie in diesem Beispiel nicht gleichrangig. Nehmen wir an, Marketingleiter Nils besitzt eine gefestigte Machtposition und wird von vielen übergeordneten Bereichsleitern geschätzt. Nils wird deswegen möglicherweise die Erwartung haben, auch in diesem Streit mit Anne Recht zu bekommen und sich durchsetzen zu können. Er wird sogar erwarten, dass sich Anne ihm unterordnet und ihn hofiert – unabhängig davon, ob es sachlich gesehen sinnvoll ist. Tut sie das, bleibt es ein sachlicher Streit, der bald vergessen ist – jedenfalls für Nils. Hofiert sie ihn aber nicht und nimmt ihn mit seinem Anliegen weniger ernst, als er es seiner Meinung nach verdient hätte, wird die Auseinandersetzung persönlich für ihn. Dabei ist es unerheblich, welche sachlich begründeten guten Gründe Anne für ihre kritischen Rückfragen hatte: ob sie Nils als Person nicht so wichtig nimmt oder ob sie es gar auf seine Position abgesehen hat. Auch spielt für Nils‘ Bewertung keine Rolle, ob Anne ihm überhaupt gefährlich werden könnte. Es geht allein darum, ob Anne ihn in seinem Ego genug bewundert hat – oder ihm diese Bewunderung vorenthält.
Auch wenn Anne von Anfang an nur die Verteilung und Verwendung des Budgets kritisch hinterfragt hätte, also eine rein sachliche Frage gestellt hätte, ohne Hintergedanken oder persönliche Angriffe, so könnte Nils das schon als Majestätsbeleidigung auffassen und denken. „Was fällt der ein! Die stellt hier mich und meine Autorität in Frage? Na warte!“ Damit ist es in der Bewertung von Nils nicht nur fehlende Bewunderung, sondern ein offener Angriff auf seine Souveränität. Und damit ein Lächerlich-gemacht-werden.
Ob Kollege oder Chef, es ist ratsam, sich vor einer solchen Auseinandersetzung zu überlegen, mit wem Sie es zu tun haben, wie die Machtverhältnisse aussehen, wie empfindlich Ihr Gegenüber ist und ob Zuschauer in diesem Meeting anwesend sind oder nicht. Dabei ist der eine Chef empfindlicher als der andere und mag etwas als Bloßstellung empfinden, worüber ein anderer nur müde lächeln würde. Sie sollten sich darüber bewusstwerden, wie empfindlich Ihr Vorgesetzter de facto ist und nicht unbedacht in ein Fettnäpfchen treten, mit unabsehbaren Folgen. Denn: Haben Sie Ihren Chef oder Kollegen einmal erfolgreich (und vielleicht sogar unabsichtlich) lächerlich gemacht, haben Sie sich einen Feind fürs Leben aufgebaut. Er wird diese Schmach ganz sicher nicht vergessen. Das heißt nicht, dass alle Chefs oder auch nur alle Männer so empfindlich wären wie Nils. Doch falls Sie als Frau auf einen hochempfindlichen Mann treffen, ist es gut, wenn Sie wissen, wie Sie am besten mit ihm umgehen können: zu Ihrer beidem Besten!
Überhaupt ist es gut, wenn Sie ein wenig Know-how darin sammeln, wie Männer sich streiten – Sie werden es häufig genug erleben. Also: Wie streiten sich Männer?
Streiten und trotzdem zusammen Bier trinken
Wie im Management gekämpft wird, was davon als reine kleine Zwistigkeit oder gar als bitterböse Feindschaft betrachtet wird, hängt maßgeblich davon ab, wer sich miteinander streitet. Zwischen den Geschlechtern gelten nicht die gleichen Verhaltensweisen für Auseinandersetzungen. Betrachten wir ein Beispiel.
Erster Fall: Zwei Männer gehen in einem Meeting verbal aufeinander los. Beide beschimpfen sich auf das schärfste, es fallen unschöne Behauptungen, man greift sich konfrontativ an. Als Frau, die ebenfalls an dem Meeting teilnimmt, denken Sie sich: „Was läuft da denn ab? Sind die im Kindergarten?“ Das wohl nicht – gleichwohl geht es zu wie bei einer feindlichen Unternehmensübernahme. Sie sind von daher froh, als das Meeting zu Ende ist und Sie zurück an Ihren Arbeitsplatz können. Später am Tag gehen Sie an der Kantine vorbei und sehen was? Richtig, die beiden erbitterten Kontrahenten sitzen einvernehmlich beim späten Mittagessen und unterhalten sich geradezu kameradschaftlich miteinander. „Wie kann das sein?“, denken Sie sich.
Die Erklärung ist simpel: Männer führen ihre Rangkämpfe öffentlich auf, klären, wer das Sagen hat, schonen sich nicht – und machen anschließend weiter wie vorher. Als wäre nichts gewesen. Sie trennen bei diesen Kämpfen „Mann gegen Mann“ das berufliche vom privaten Ich. Mann ist unter sich und akzeptiert die Reibereien als Standortbestimmung für seine eigene Machtposition im Haus.
Zweiter Fall: Anders ist das, wenn Frauen sich in die Haare kriegen. Einen solchen Zickenkrieg möchte ebenfalls keiner erleben. Der Kampf „Frau gegen Frau“ wird genauso brutal geführt, endet aber nicht an der Konferenztür. Er dehnt sich auch auf das Privatleben aus. Garantiert käme keine Frau auf die Idee, mit der anderen später noch essen zu gehen. Eine Trennung von beruflichem und privatem Ich findet nicht statt. Frau ist entweder Freundin oder Feindin fürs Leben.
Dritter Fall: Nehmen wir an, dass sich im Büro ein Kollege mit einer Kollegin streitet. Wir befinden uns im beruflichen Kontext, der ursprünglichen Domäne der Männer. Natürlich wäre ein Streit zu Hause zwischen Mann und Frau auch unschön. Aber das ist der private, nicht-öffentliche Raum, der nicht für alle einsehbar ist und zudem zwischen Menschen stattfindet, die sich grundsätzlich emotional gewogen sind. Im Büro ist ein Streit zwischen Kollegen anders. Hier und jetzt geht es für den Mann um die Außenwirkung, um seine Positionierung in der Gesellschaft und vor den Kollegen, sichtbar für alle. Da gilt für manche Männer unterschwellig noch: sie möchten mehr gelten als die Kollegin und sich gegen sie durchsetzen. Um genau zu sein, wollen sie sich natürlich auch gegen jeden anderen Mann durchsetzen. Aber da sie sich als Männer vor einem Gesichtsverlust durch eine Frau am meisten fürchten, werden sie alles daransetzen, sich nicht ausbooten zu lassen.
Sie können als Frau nichts Schlimmeres tun, als sich öffentlich mit Ihrem Kollegen zu streiten. Und sollten Sie auch noch Recht behalten, mit großer Souveränität auftreten und ihn mundtot machen, so ist das ein Pyrrhussieg. Will sagen: Sie haben diese Schlacht für sich entschieden und damit einen Feind fürs Leben gewonnen.
Die zweite Todsünde: Sie bewundern Ihren Chef nicht genug!
Diese Todsünde folgt aus der ersten und ist die Kehrseite der Medaille. Was sich (manche) Männer am meisten wünschen, ist bewundert und anerkannt zu werden – als der größte Zampano und Strippenzieher aller Zeiten, als der innovativste Unternehmer oder als was auch immer. Die Wirtschaftsgeschichte bietet dazu viele Beispiele unerschrockener Männer, die mit viel Unternehmergeist ganze Imperien aufgebaut haben. Sie verdienen unsere Anerkennung (wie übrigens auch die Pionier-Frauen, die Vergleichbares erreicht haben). Aber selbst im Kleinen, zum Beispiel in der Wartungsabteilung eines Telekommunikationsunternehmens, möchte der Abteilungsleiter für seine Leistungen bewundert werden (Frauen wollen das natürlich auch). Die Bewunderung nimmt „Mann“ dabei gerne von allen Seiten entgegen. Sie wiegt von Frauen besonders viel, aber auch von gleichstarken Kontrahenten, am meisten aber von vorgesetzten Männern.
Bewunderung ist ein starkes Band, um Beziehungen zu festigen. Wenn Sie als Frau einen männlichen Chef haben, vergessen Sie nicht, ihn zu bewundern. Denn tun Sie das nicht genug, wird er sich unbewusst fragen, ob Sie ihn vielleicht nicht ernst genug nehmen – damit sind Sie zurück bei der ersten Todsünde. Oder er wird Ihre Loyalität in Frage stellen – auch das wäre für Sie nicht hilfreich.
Sie müssen ihm Ihre Bewunderung nicht auf eine einschmeichelnde Art und Weise zeigen. Ein Kopfnicken und Lächeln an der richtigen Stelle reichen aus. Wenn er Sie um Feedback fragt, können Sie ihn loben, aber Vorsicht! Es gilt, so ein Lob vorsichtig zu dosieren und zu formulieren, denn bei manchem altgedienten Chef können Sie sich damit auch ins Aus schießen. Wenn Sie sagen würden: „Gut gemacht, Chef!“, könnte Ihr Chef das möglicherweise als anmaßend verstehen, immerhin sind Sie seine Mitarbeiterin und bewerten ihn damit sozusagen „von oben herab“. Es gibt leider auch in 2020 noch Chefs, die eine solche Wertung nicht hören wollen, selbst wenn sie positiv ist – zum Glück werden Chefs dieser Art immer seltener.
Jede Frau kennt auch den Typ des älteren Vorgesetzten, der freundlich und ehrlich daran interessiert ist, einer Frau zu helfen und sie zu unterstützen. Da kommen dann altväterliche Ratschläge, die mit größter Grandezza vorgetragen werden – und für die der ältere Herr natürlich volle Aufmerksamkeit und Dankbarkeit von der Frau erwartet. Ob diese selbst erfahren genug ist oder möglicherweise sogar mit noch viel intensiveren Wassern gewaschen ist, spielt wiederum keine Rolle. Hier geht es um Erwartungen, die nicht deckungsgleich sind. Während der ältere Manager eben Dankbarkeit für diese gut gemeinten Ratschläge erwartet, ist es manchen Frauen zuwider, zu diesen altväterlichen Ratschlägen Beifall zu klatschen. Sie empfinden es als eine übergriffige Art und Weise, sie als naiv abzustempeln und ihnen die Welt erklären zu wollen. Amerikanische Frauen haben dafür eine eigene Bezeichnung, die weit verbreitet ist: „Mansplaining“, ein Kompositum aus „Man“ und „Explaining“ nach der Art: Der total kompetente Mann erklärt dem hilflosen Frauchen mal rasch die Welt. Ich Tarzan, du Jane! Wie gesagt: Nicht alle Männer, aber jene, die mansplainen, sollte frau angemessen zu behandeln wissen.
Insofern spielen bei Missverständnissen im Beruf auch häufig die Erwartungen aneinander eine bedeutende Rolle. Wenn zwei Personen ein Brettspiel miteinander spielen, einer dabei davon ausgeht, es handele sich um Mühle, während der andere Schach spielt, könnten beide die besten Absichten haben und würden sich nach wenigen Spielzügen dennoch in die Haare bekommen. Insofern reicht eine gute Absicht nicht aus, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Sie sollten vielmehr die Erwartungen Ihres Gegenübers so weit wie möglich kennen und mit Bedacht Lob und Anerkennung durchblicken lassen.
Die dritte Todsünde: Sie wollen der bessere Mann sein!
Wenn Sie sich in einem Unternehmen auf einer höheren Hierarchieebene befinden, bewegen Sie sich typischerweise in einem überwiegend männlichen Umfeld. Dass Sie es bis hierhin geschafft haben, belegt eindrucksvoll Ihre Fach- und Führungskompetenz und Ihre bisherigen Erfolge. Dennoch sind Sie in Ihrer Karriere sicher schon mit der einen oder anderen Auseinandersetzung in Kontakt gekommen und haben daraus Ihre Schlüsse gezogen. Vielleicht haben Sie gelernt, sich im Unternehmen keine Blöße zu geben, keine Schwächen zu zeigen, nicht allzu leichtfertig anderen zu vertrauen. Ihr empathisches Verhalten hat Ihnen Sympathiepunkte Ihrer Mitarbeiter eingebracht, aber nicht zwingend den Respekt Ihrer Kollegen oder Vorgesetzten. Wenn Sie gelernt haben, dass vieles im Beruf ein Kampf ist und Sie sich häufig allein beweisen müssen, gegen andere, dann hat Sie das möglicherweise hart gemacht.
Hart sich selbst gegenüber, indem Sie sich mehr als anderen abverlangen, um die gesteckten Ziele schneller und besser zu erreichen als männliche Kollegen. Sie fordern sich noch mehr ab, weil Sie keine Fehler machen möchten oder sich nicht angreifbar machen wollen. Weil Sie das Gefühl haben, dass Sie mehr geben müssen, um genauso gesehen zu werden wie die männlichen Mitstreiter – und um genauso viel zu gelten. Vielleicht sind Sie auch hart gegenüber anderen, indem Sie auch von ihnen (zu) viel erwarten und verlangen, indem Sie zu wenig Empathie und Mitgefühl zeigen und zu starre Verhaltensweisen an den Tag legen.
Kurz gesagt: Um sich nicht zu sehr die Blöße als Frau zu geben, werden Sie der bessere Mann. Sie kleiden sich wie einer, eher im Anzug als im Kostüm, verzichten auf modische Farben und Accessoires und geben sich strikt rational-analytisch. Sie treten vielleicht forsch und kurz angebunden auf, in dem Bemühen, die mit Frauen unterbewusst assoziierten Verhaltensweisen zu minimieren. Sie verbeißen sich das Lachen, greifen rigoros durch – und werden dadurch zu einer „Mannfrau“, die eisern regiert.
Dennoch wird Ihnen auch mit einem solchen eher männlichen Verhalten eines nicht gelingen: Sie werden nicht für einen Mann gehalten! Stattdessen aber für eine Frau, die beinhart ist.
Wie wir gesehen haben, werden Sie wieder mit einer anderen Messlatte gemessen: würde sich ein Mann so hart und vielleicht sogar unnachgiebig und fordernd geben, wäre das Urteil über ihn mit Sicherheit ein anderes, als wenn dieses Verhalten von einer Frau gezeigt werden würde. Wollen Sie wirklich tituliert werden als eine Frau, „die Haare auf den Zähnen hat“? Nein? Wie verhindern Sie das?
Handeln frei von Resonanz
Es lohnt sich, wenn Sie sich Ihre Erfahrungen der Vergangenheit bewusst machen und reflektieren, was sie Ihnen beigebracht haben. Denn Ihr heutiges, möglicherweise überhartes Verhalten ist eine Folge der gemachten Erfahrungen, es erfolgt insofern als Resonanz darauf. Das ist kein frei gewähltes Verhalten, sondern immer noch eine Antwort auf in der Vergangenheit Erlebtes.
Sie sind bei Ihrem Aufstieg möglicherweise auf mächtige Gegenspieler gestoßen, die Sie verletzt oder sogar aus dem Job weggegrault haben. Seien Sie diesen Menschen dankbar. Denn sie haben Ihnen gezeigt, dass Sie nicht jedem blind vertrauen sollten, auch dann nicht, wenn diese Menschen sehr freundlich zu Ihnen sind. Diese in der Psychotherapie als „Arschengel“ bezeichneten Personen waren für Sie hilfreich, um eigene Anschauungen zu hinterfragen und an möglichen Schwächen zu wachsen. Als Reaktion auf solche Arschengel jedoch werden viele Frauen hart, beinhart, überhart. Nicht nur gegenüber solchen intriganten Zeitgenossen, sondern quasi prophylaktisch gegen viele andere auch. Das hat in der Vergangenheit gegenüber dem Arschengel sicher gewirkt und funktioniert – doch die Gegenwart ist nicht immer identisch mit der Vergangenheit.
Lassen Sie sich daher von Ihrer Vergangenheit und den damals gemachten Erfahrungen heute nicht ausbremsen. Werden Sie nicht überhart, nicht zum Mann. Bleiben Sie Frau! Zeigen Sie Gefühle und Empathie, denn das macht Sie zu einer besonders guten Führungskraft. Geben Sie Feedback, loben und kritisieren Sie – und dosieren Sie Ihr Verhalten „nach oben“ mit Bedacht. Lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen, setzen Sie klare Grenzen und durchschauen Sie, was um Sie herum abläuft.
Der Blick hinter die Stirn des Gegenübers gelingt auch in 2020 leider noch nicht. Deswegen bleiben Sie vorsichtig. Die meisten Spiele werden hinter den Kulissen abgesprochen und gewonnen, nicht auf der Bühne.
Die Ausnahme(n) von der Regel
Natürlich gibt es eine Vielzahl von modernen, aufgeschlossenen männlichen wie weiblichen Kollegen und Chefs, die niemals solche Verhaltensweisen zeigen würden, wie ich sie hier beschrieben habe. Die bereits eine wertschätzende Führungskultur vorleben, in der die beste Idee und nicht die Position im Unternehmen entscheidend ist. In der keine Unterschiede mehr gemacht werden, ob Sie Frau oder Mann sind, und Vorurteile als solche erkannt und gebannt werden und ein umfassendes Verständnis für gender-typisches Verhalten vorliegt. Sollten Sie sich in einem solchen Umfeld bewegen – meinen Glückwunsch. Bleiben Sie!
Wiebke Köhler, CEO impactWunder Strategieberatung, November 2020
https://www.impactwunder.com/ich-als-gruenderin/
Lesetipp:
Wiebke Köhler: Schach der Dame! Was Frau (und Mann) über Machtspiele im Management wissen sollte. Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt, ISBN: 978-3-7494-4631-5, Taschenbuch: 19,80 EUR, Kindle: 9,99 EUR
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