Deindustrialisierung: Zwei Drittel der Unternehmen haben Teile ihrer Wertschöpfung bereits verlagert
- Die Abwanderung ist im Maschinenbau und Automobil-Sektor besonders ausgeprÀgt
- Jedes dritte Industrieunternehmen plant, hochwertige Bereiche wie Produktion und Vormontage zu verlagern.
- Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung sowie langfristig wettbewerbsfÀhige Energiepreise helfen den Standort zu sichern.
MĂŒnchen, 14. November 2023 â Der Standort Deutschland verliert an AttraktivitĂ€t. Viele Unternehmen reagieren darauf mit einer Verschiebung wichtiger Teile ihrer Wertschöpfung. Eine aktuelle Deloitte-Umfrage zeigt, dass bereits mehr als zwei Drittel der Firmen (67%) verlagert haben â in moderatem bis sehr starkem Umfang. StĂ€rker ausgeprĂ€gt ist diese Entwicklung in den fĂŒr die deutsche Wirtschaft wichtigen Branchen Maschinenbau/IndustriegĂŒter und Automobil. Hier geben 69 Prozent an, in moderatem bis sehr starkem Umfang verlagert zu haben.
Die Befragung Supply Chain Pulse Check von Deloitte und BdI (Bundesverband der deutschen Industrie) wurde im September zum zweiten Mal durchgefĂŒhrt, gemeinsam mit dem Verband ISLA. FĂŒr den Survey wurden 108 Lieferketten-Verantwortliche von GroĂunternehmen sowie von kleinen und mittelgroĂen Unternehmen (KMU) in Deutschland befragt. Sie sind vorwiegend in den Branchen Maschinenbau/IndustriegĂŒter, Automobil, Chemie, Bauwesen sowie Transport und Logistik tĂ€tig.
Abwanderung: Tendenz steigend
Derzeit verschieben die Unternehmen vor allem wenig komplexe Bereiche wie die Bauteilfertigung ins Ausland. âHier findet die Deindustrialisierung bereits in erheblichem Umfang statt. Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, werden sehr wahrscheinlich mehr Unternehmen folgen und zunehmend wichtigere Teile der Wertschöpfung abwandernâ, sagt Florian Ploner, Partner bei Deloitte und zustĂ€ndig fĂŒr den Industrie-Sektor. Denn auf die Frage nach geplanten Verlagerungen verweisen jeweils ein Drittel der Befragten auf hochwertige Wertschöpfungsteile wie die Produktion im Allgemeinen (33%) oder die Vormontage (34%).
Im Moment zieht es die Unternehmen in etwa gleichen Teilen in andere EU-LĂ€nder, nach Asien und in die USA. Der Standort China verliert nur geringfĂŒgig an AttraktivitĂ€t. Ihn zugunsten anderer asiatischer LĂ€nder zu verlassen, plant lediglich ein Zehntel der Firmen; eine RĂŒckkehr aus Asien nach Europa sehen acht Prozent vor.
Wenig Chancen im Subventions-Wettlauf
Was ist also zu tun, um den Standort wieder attraktiver zu machen? Mit Blick auf den aktuellen Subventionswettlauf unter anderem mit den USA und China gehen die Meinungen auseinander. Nur sieben Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich Deutschland behaupten wird. Knapp ein Viertel (23%) ist der Ansicht, Deutschland sollte gar nicht teilnehmen wÀhrend 36 Prozent meinen, Deutschland sollte hier deutlich aktiver werden.
Sinnvolle MaĂnahmen zur StĂ€rkung der StandortattraktivitĂ€t sind aus Sicht der Unternehmen die Reduzierung von BĂŒrokratie und wettbewerbsfĂ€hige Energiepreise. 69 Prozent favorisieren dies. Eine staatliche Förderung von SchlĂŒsseltechnologien (45%) oder eine vereinfachte Zuwanderung von qualifizierten FachkrĂ€ften (43%) spielt fĂŒr die Betriebe dagegen eine deutlich geringere Rolle.
Ausgesprochen kritisch sehen die Befragten das Lieferkettengesetz (LkSG). 63 Prozent der Firmen betrachten es als eine ĂŒbermĂ€Ăige Belastung im operativen GeschĂ€ft. Nur knapp jedes vierte Unternehmen (23%) sieht in dem Gesetz einen Beitrag zu einheitlichen Rahmenbedingungen und damit eine StĂ€rkung der WettbewerbsfĂ€higkeit.
Mit Datenaustausch und modernen Risikoanalysen den Standort stÀrken
âDer Druck, der auf den Unternehmen lastet, ist enormâ, sagt Dr. JĂŒrgen Sandau, Partner und Lieferketten-Experte bei Deloitte. âDennoch ist eine vorschnelle Verlagerung selten sinnvoll. Die Firmen hierzulande sind gut beraten, ihre KapazitĂ€ten mit Hilfe von Plattformen und Netzwerken ĂŒber die nĂ€chsten fĂŒnf Jahre flexibel zu gestalten. Denn Faktoren wie Rechtssicherheit und StabilitĂ€t am Standort Deutschland sind wesentlich fĂŒr den unternehmerischen Erfolg.â
Unternehmen, die aktuell nicht verlagern, planen weit stĂ€rker alternative Lieferanten und Multisourcing zu nutzen. Sie setzen auf ganzheitliches Lieferantenmanagement und Kooperation sowie lieferkettenĂŒbergreifenden Datenaustausch und Risikoanalysen. âDamit lĂ€sst sich eine höhere WiderstandsfĂ€higkeit am Standort Deutschland erlangen. MaĂnahmen wie diese sind zentral, um die Resilienz in zunehmend diversifizierten Lieferketten zu stĂ€rken.â
Die vollstÀndige Befragung finden Sie hier.
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