Am heutigen Donnerstag will sich die Sonderagrarministerkonferenz mit den Empfehlungen zur Nutztierhaltung in Deutschland von der sogenannten „Borchert-Kommission“ beschäftigen. Der WWF Deutschland fordert „einen kompletten Systemwechsel für die deutsche Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft“. Neben Tierwohl muss der Systemwechsel auch den Schutz von Umwelt, Klima und biologischer Vielfalt umfassen und Erzeugern faire Preise gewährleisten, so der WWF. Bund und Länder sollten jetzt den politischen Rahmen schaffen für den Ausstieg aus der auf Billigfleisch und auf Export getrimmten deutschen Fleischerzeugung. „Das bestehende System funktioniert nur, weil die Ressourcen von Menschen, Tieren und Natur über ihre Grenzen strapaziert und ausgebeutet werden“, kritisiert Dr. Rolf Sommer, Leiter des Bereichs Landwirtschaft und Landnutzung beim WWF Deutschland. Für den Neustart der Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft in Deutschland vermisst er „eine ernährungs- und landwirtschaftspolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung anstelle der aktuellen politischen Durchwurstelei“.
Billigfleisch kommt die gesamte Bevölkerung teuer zu stehen. Denn die dafür nötige Art der Fütterung und Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel heizt die Klimakrise an, verschlechtert den Zustand von Meeren, Flüssen und Grundwasser und befördert das Artensterben weltweit wie in Deutschland. „Die Folgekosten für unseren Fleischwahnsinn werden auf die Gesellschaft abgewälzt und belasten insbesondere kommende Generationen“, sagt Rolf Sommer vom WWF.
Der WWF führt als Beispiel an, dass der Import von Soja als konkurrenzlos billigem Futtermittel Wald und Wildnis auffrisst. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das in die EU importierte Soja aus Gebieten mit hohem Entwaldungsdruck stammt, wie zum Beispiel Brasilien. Die Waldbrände wüten dort schlimmer denn je. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen 2.000 Quadratkilometer Wald verloren – 49 Prozent mehr als im Durchschnitt der letzten vier Jahre. Die EU ist hinter China der zweitgrößte globale Importeur von Soja: insgesamt rund 13,5 Millionen Tonnen jährlich. Davon stammen 41 Prozent aus Brasilien. Mehr als ein Fünftel dieser Soja-Importe werden auf illegal gerodeten Flächen angebaut.
Heimische Eiweißlieferanten wie Ackerbohne, Lupine, Erbse, aber eben auch Klee- oder Luzernegras haben laut Agrarexperte Sommer „kaum Chancen auf dem heimischen Futtermittelmarkt, obwohl sie ökologisch vorne liegen“. Das müsse sich ändern. Die bisherigen Strategien und Ansätze auf deutscher und europäischer Ebene reichten nicht aus.
Das Billigfleischsystem hinterlässt auch in Deutschland seine Spuren. So produzieren Geflügel-, Schweine- oder Rindermastanlagen in Regionen wie dem Oldenburger Münsterland oder dem Emsland zu viel Stickstoff. „Wir nehmen in Kauf, dass für den deutschen Exportschlager Billigfleisch der natürliche Stickstoffkreislauf weiter gefährlich außer Rand und Band gerät“, kritisiert Rolf Sommer. Zu hohe Nitrateinträge durch Gülle und Mist auf zu wenig Fläche bereiten Trinkwasserversorgern Kopfzerbrechen und wachsende Kosten. Lachgas, das aus überdüngten Böden entweicht, belastet das Klima und zerstört die Ozonschicht. Ebenso schädlich sind zahlreiche Feinstaubverbindungen, bei denen Ammoniak im Spiel ist.
Anlässlich der Sonderagrarministerkonferenz ruft der WWF gemeinsam mit vielen anderen Umwelt- und Tierschutzverbänden unter dem Motto “Stoppt das Billigfleischsystem!” zu einer Fahrraddemo auf. Die Fahrraddemo startet am 27. August um 12.00 Uhr am Kanzleramt, führt unter anderem am Bundeslandwirtschaftsministerium vorbei und endet am Sitzungsort der Sonderagrarministerkonferenz.
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Original Content von WWF Deutschland
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