Wenn die Bürokratie Arbeitsplätze vernichtet

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Asphalt, Klinkersteine oder Granitpflaster – Seit über 90 Jahren sind das die Rohstoffe mit denen das Unternehmen Richard Hoff und Söhne GmbH & Co. Kg. unter anderem arbeitet.

Der Familienbetrieb aus Husum setzt dabei auf erstklassige Qualität und individuelle Lösungen für jegliche Bauvorhaben. 10 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen führen die Straßen- und Tiefbau-Arbeiten fachgerecht und souverän aus und gestalten so das Straßenbild Norddeutschlands.

Aber leider ist das Geschichte.

Seit einiger Zeit hängt dort ein Schild:

Betrieb geschlossen

Die Firma wurde aufgrund überbordender Bürokratie in den Ruin getrieben. 10 Mitarbeiter und die Firmenchefs schauen nun auf eine ungewisse Zukunft.

 

Auf der Webseite der Firma kann man nur noch folgendes lesen, was wir hier 1 zu 1 wiedergeben wollen.


– Der Hintergrund –

Moin,

wir haben unser Geschäft aufgrund der überbordenden Bürokratie eingestellt.

Was die Bürokratie in unserem Betrieb verursacht und warum möglicherweise noch weitere Handwerksunternehmen schließen könnten, erläutern wir im Nachfolgenden:


Nachdem wir die Datenschutzverordnung umgesetzt, die Geschäftsprozesse GoBD-konform installiert hatten, konnten wir Mitarbeiter einstellen, die wir über die ordnungsgemäße Dokumentation der Arbeitszeiten, das Mitführen der Ausweisdokumente und das Nutzungsverbot von Betriebsfahrzeugen für private Zwecke schriftlich unterwiesen.

Weiter mussten wir den Auszubildenden schriftlich erklären, dass sie möglicherweise nicht am Ende der Ausbildung übernommen werden könnten.

Wir erstellten eine Gefährdungsbeurteilung für den Betrieb und haben für die Mitarbeiter Sicherheitsunterweisungen gehalten und diese dokumentiert. Weiter mussten wir dann explizit darauf hinweisen, dass die MA sich bitte einen Hut bei Sonne aufsetzen sollten und sich mit Sonnenschutz eincremen mussten.

Vorsorglich wurden Termine für ärztliche Untersuchungen angeboten und gebucht.

Nun wurde noch schnell ein Ersthelfer, ein Maschinenbeauftragter, ein Datenschutzbeauftragter, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und ein Brandschutzbeauftragter ausgewählt, ausgebildet und bestellt.

Weiter einige Mitarbeiter schriftlich als Baumaschinenführer eingewiesen, unterrichtet und natürlich schriftlich bestellt.

Bevor wir dann mit unserer Arbeit anfangen konnten, meldeten wir noch schnell bei der GEMA unsere Telefonschleife an, meldeten bei der Künstlersozialkasse Leistungen für unser neues Firmenlogo, unterrichteten die LKW-Fahrer in Sachen Fahrpersonalverordnung und Sozialvorschriften zu den Lenk- und Ruhezeiten. Nicht vergessen: Fahrer von LKW mit Ausnahmegenehmigungen bitte alle 3 Monate über die entsprechenden Sonderregeln belehren und dokumentieren. Natürlich waren auch Fahrtenschreiber, sowie Fahrerkarten regelmäßig auszulesen und alles DSGVO-konform dauerhaft zu speichern und vorzuhalten.

Mist: Die Ausnahmegenehmigungen mussten noch beantragt werden: StVZO §70 usw. – kennen wir ja alles…

Musste ebenfalls auf Termin gelegt werden, da es jedes Jahr erneut beantragt werden sollte.

Ganz klar war nicht, was denn nun genau beantragt werden musste; da hatten Zulassungsstelle, LBV-SH, Polizei und BAG leider unterschiedliche Ansichten. Wir suchen uns einfach etwas aus, die Konsequenzen mussten wir ja so oder so tragen.

Noch kurz entsprechend dem Kreislaufwirtschaftsgesetz den Transport von Ausbaustoffen bei der zuständigen Behörde angezeigt, alle Mülltonnen auf dem Hof fotografiert und für die Abfallverordnung die Wege vom Abfall des Betriebes aufgeschrieben.

Oh nein, da hatten wir doch die Schulung über die Ladungssicherung vergessen; die BAG findet ja bekanntlich immer etwas, was man falsch gemacht hat. Entsprechendes Bußgeld natürlich inklusive.

Dann kam noch kurz etwas Bürokratisches: Anmeldung und Eintragung beim Transparenzregister,  FACTA-Selbstauskunftsmeldung und etliche Zertifikate und Fremdüberwachungsverträge abgeschlossen; denn der Qualifikation von Meistern und Ingenieuren konnte man ja nicht mehr trauen.

Dann noch schnell die Normen für unsere Gewerke durchgearbeitet und die VOB studiert – wir wollten ja in unserem Vertrags- und Vergaberecht fit sein.

So konnten wir dann mal ein Angebot schreiben, denn wir wollten ja schließlich arbeiten und etwas für das Bruttoinlandsprodukt tun.

Mist, wie war es jetzt noch mit der Umsatzsteuerumkehr nach §13b UStG? Das hatte sich ja fortlaufend geändert…
Noch kurz auf die Schlichtungsverfahren, DSGVO und Aufbewahrungsfristen in den Dokumenten und der Homepage hingewiesen, denn das ist ja Pflicht.

Das Tariftreuegesetz galt es zu beachten und einzuhalten, auch für alle Subunternehmer, denn dafür hafteten wir ja auch.

Das Statistische Landesamt fragte mal wieder nach Zahlen und droht mit Strafe, wenn wir nichts melden – leider hatten wir es bis dato noch nicht geschafft in unserem operativen Geschäft tätig zu werden und einfach unserer handwerklichen Arbeit nachzugehen.

Es ging ran an die Baustelle: Kurz noch die Kampfmittelfreigabe abgewartet (das LKA benötigt dafür nur 6 Monate), die Gefährdungsbeurteilung für die Baustelle erstellt, die Mitarbeiter unterwiesen, einen Verkehrszeichenplan erstellt und eine Verkehrsanordnung beantragt. Leider hatten wir vergessen, dass noch jemand zur RSA-Schulung musste. Das hat der aufmerksame Leser wahrscheinlich gemerkt.

Dann die Schilder aufgestellt: Da war jedoch die neue RSA zwischenzeitlich erschienen; alle Baken und Schranken mussten leider neu, da es eine neue Norm für die Folierung gab.

Natürlich protestierten wieder alle Anwohner, dass ausgerechnet bei ihnen die Straße gesperrt wurde, die ASR war da aber kompromisslos, es sind faktisch immer Straßensperrungen erforderlich.

Vor dem Start waren noch Bodenproben nach LAGA und Ersatzbaustoffverordnung zu nehmen, denn der Boden auf dem unbebauten Acker hätte ja mit organischem Material (TOC) „verseucht“ gewesen sein können.

Danach war dann leider keine Zeit mehr für unsere eigentliche Arbeit….

Und bemerke: Es hat noch kein Gespräch mit dem Steuerberater stattgefunden; aber das Steuerrecht ist sicherlich nicht so kompliziert.

Lohnabrechnung auf dem Bau mit mehr als 20 Lohnarten pro Abrechnung, Spesenbescheinigungen, Hinweise auf innerbetriebliche Altersvorsorge und deren Pflichtteile konnte der dann ja machen. Ist ja dort in Sachen Bürokratie sicherlich alles „easy“.

Keine Garantie für die Vollständigkeit – teilweise ironisch.

 


Ernste Worte:

Es läuft leider generell etwas sehr schief: Die Bürokratie ist für einen Handwerksbetrieb nicht mehr zu bewältigen; zumindest nicht, wenn man alle Gesetze, Verordnungen und Vorgaben berücksichtigen und vollständig einhalten möchte.

Wir haben versucht die Problematik an die Politik auf Kreis-, Landes- und Bundesebene heranzutragen und bei verschiedenen Treffen Gespräche geführt. Ein Dank gilt hier der Kreishandwerkerschaft NF mit unserer Innung, dem Baugewerbeverband Schleswig-Holstein und dem Zentralverband des deutschen Baugewerbes.

Leider war alles Bemühen ohne Erfolg. Alle reden von Entbürokratisierung – nur es passiert leider nichts.

Daher haben wir uns für die Schließung unseres Betriebes entschieden.

Eine erfolgreiche 99-jährige Firmengeschichte endet damit.

Wir danken allen Geschäftspartnern und Mitarbeitern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Ihre Familien Hoff


Redaktion:

Das Ganze ist einfach nur noch traurig.

Wir wünschen uns, dass alle Mitarbeiter eine neue berufliche Bleibe finden werden.

Genau an solchen Zuständen wie hier beschrieben krankt es in Deutschland.

Was dort noch vergessen wurde aufzuzählen ist der oder die Gleichstellungsbeauftragte, die Ausweisung von Damen und ggf. Diverstoiletten, selbst wenn es solche Personen dort nicht gibt.

Eine Betriebsrat und Vertreter und der Nachweis, dass diese sich auch getroffen haben, um zu beraten.  Die Bestellung eines Schwerbehindertenvertreters wurde auch völlig mißachtet.

Der IHK Beitrag sowie die regelmässige Kontrolle von Führerscheinen der Mitarbeiter und stichprobenartige Alkoholkontrollen.

Kontrolle der Sozialräume der Mitarbeiter, ob dort die vorgeschriebenen Temperaturen herrschen und das Wasser wohltemperiert ist.

Was auch völlig vergessen wurde, ist die Kontrolle des Arbeitsschutzes der Mitarbeiter morgens, ob alle ihre vorgeschriebene Sicherheitskleidung auch wirklich tragen.

 

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