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Afghanistan war nie ein Land, das einfach zu beherrschen war. Und schon gar nicht leicht zu erobern war. Letzteres haben viele probiert, aber letztlich nur zwei geschafft. Alexander der Große, den Afghanen erfurchtsvoll Iskander nennen und Dschingis Khan / die Mongolen, die in Afghanistan bis heute verhasst sind.
Beide töteten Hundertausende. Doch Iskander heiratete Roxanne, eine baktrische Prinzessin und gliederte die Besiegten als Gleichberechtigte in seine mazedonische Armee ein, während die Mongolen nur mordeten.
Als die islamistischen Taliban nach dem Abzug der UdSSR die Macht übernahmen brach für das ohnehin gebeutelte Land das Mittelalter erneut an. Die Afghanen selbst sagten, dass es ihnen noch nie so schlecht erging wie unter den Taliban – ausgenommen unter den Mongolen. Die Afghanen haben ein langes Gedächtnis.
Natürlich hat jede totalitäre Gruppe irgendwann einen Zeitpunkt, wo Hybris überwiegt. Das war bei den Taliban 2001, wo man einer arabischen Witzfigur von Multimillionär die Möglichkeit gab Afghanistan als seine Basis für weltweite Anschläge zu missbrauchen.
Dieser Spinner hieß Bin Laden, ist inzwischen tot, von den USA gejagt, aufgespürt und erschossen. Dafür fielen sie vor neunzehn Jahren auch in AFG ein. Mit einer Allianz von wohlmeinenden und erbosten Verbündeten, um das Terrorregieme zu beseitigen.
Das klappte binnen ein paar Wochen. Halt wie immer, wenn eine Supermacht über mittelalterliche Kleriker herfällt, die versuchen ein Land wirklich an festen Positionen zu verteidigen. Das klappt nicht. So gingen die Taliban in den Untergrund. Kämpften wieder als afghanische Partisanen wie schon gegen die UdSSR, oder gegen die Engländer, oder die Perser… Geschichte wiederholt sich.
Und seit 2006 waren sie wieder auf dem Vormarsch. Hielten große Teile von Süd- und Ostafghanistan einfach dadurch, dass sich ISAF-Truppen da nicht mehr hintrauten. Aus Angst vor Sprengfallen und Hinterhalten.
Hunderttausend Mann waren dort vom Westen in der Spitze stationiert oder unterstützten von ausserhalb die Mission. Bomber kreisten auf Abruf über zwei Sammelpunkten 24/7 über AFG um Luftunterstützung zu bieten.
Im Laufe der Jahre waren Millionen von Soldaten dort damit beschäftigt AFG zu befrieden, aufzubauen und seiner Bevölkerung Hoffnung zu geben. Die wollten auch Frieden. Und Wiederaufbau. Und Hoffnung. Aber keine westliche Bevormundung. Darum fanden die Taliban immer mehr Anhänger. Auch wenn sie zu zigtausenden pro Jahr starben. Eben auch durch Luftangriffe, die zum Teil in reinen Flächenbombardements ausarteten. Als Akt der Hilflosigkeit die richtigen Ziele zu finden. Das hat schon in Vietnam nicht so richtig funktioniert. Darum zogen sich die USA auch 1973 von dort zurück.
Jetzt ziehen wir uns aus AFG zurück. Fast 160.000 deutsche Soldaten waren über die Jahre dort im Einsatz. Erlangten Veteranenstatus. Ließen ein paar Dutzend Kameraden tot zurück.
Neben tausenden von alliierten Kameraden aus den USA, England, Frankreich, Holland, Spanien, Italien,…
Der Autor verlor dort in zwei Einsätzen zusammen elf ihm persönlich bekannte Kameraden, mit denen er dort zusammen gedient hat. Vier Kameraden aus Feyzabad, die ein afghanisches Bataillon in den Einsatz begleiteten und von einer Sprengfalle zerrissen wurden. Einen Stabsarzt aus Thüringen, der in seinem Sanitätspanzer nach Panzerfaustbeschuss verbrannte. Und sechs Italiener, die sich anno 2006 in Kabul von ihm in die Lage für die Erkundungsfahrt am nächsten Tag haben einweisen lassen und dann südlich von Kabul in eine Sprengfalle gelockt wurden.
So kann fast jeder Soldat des Westens in AFG von dem einen oder anderen Bekannten berichten, der dort fiel oder zu Schaden kam. Für Freiheit, Frieden und das gute Gewissen derer, die nicht wissen, was Krieg ist. Von Guttenberg gebrauchte wenigstens das Wort Krieg, um die Zustände dort zu beschreiben. Denn es war Krieg. Keine bewaffnete Hilfe. Und auch keine Militärberatungs- und –aufbaumission. Die lief nebenher.
Die ganze Zeit kämpften unsere Soldaten dort mit mindestens einer Hand auf dem Rücken, um nicht unschöne Bilder zu produzieren. Keinem den Appetit zu verderben. Und daher von Anfang an auf verlorenem Posten. Die mit uns verbündeten Afghanen rieten immer alle Talibanverdächtigen und gefangengenommenen Gegner hinzurichten. Das wollten wir so nicht wissen. Aber es war die afghanische Methode Krieg zu führen. Den die Taliban perfekt beherrschten. Sie meuchelten die Familien unserer Kameraden öffentlich(!) nieder. Schändeten ihre Frauen, Töchter und Mütter. Wir, der Westen, winkten mit der Genfer Konvention. So gewinnt man Kriege. Oder auch nicht. Und in Afghanistan haben wir nicht gewonnen. Es hat noch nicht mal zum Remis gereicht.
Ebenso wie die USA 1973 ihre südvietnamesischen Verbündeten im Stich ließen als es zu teuer wurde, lassen sie nun ihre afghanischen Verbündeten im Stich. Überlassen sie und ihre Familien dem aufkommenden Terror. Der Rache der Sieger an die Besiegten. Und wir sind dabei. Stecken da auch mit drin. Können gar nicht anders, als auch zu gehen.
NATO-Generalsekretär Stolltenberg erzählt in Kabul etwas von weiterführender Unterstützung durch die NATO für die Gleichberechtigung der Frauen in Afghanistan. An Verlogenheit und Heuchelei kaum zu überbieten, da die Taliban der Frau im Islam einzig die Rolle einer Gebärmaschine zusprechen. So war es 2001. So wird es wieder sein. Das Mittelalter ist zurück.
Die Afghanen wissen das. Daher kamen sie auch nicht zur „Friedensverhandlung“ am Golf. Diese Friedensverhandlung lief gänzlich ohne sie. Die offizielle afghanische Regierung war nämlich nicht vor Ort, als um ihren Frieden verhandelt wurde. Zwischen den USA und den Taliban. Eben denen, die es zuließen, dass in New York die Türme fielen.
„Wehe dem Besiegten“ wussten schon die Römer zu sagen. Und so wird nun über unsere ehemaligen Verbündeten nach unserem Abzug die Hölle hereinbrechen. Sich der islamische Gottesstaat wieder zur vollen Pracht entfalten können.
Aber es gibt auch einen Lichtblick. Hier wurde Taliban in Deutschland Asyl gewährt, weil sie als gewissenlose Mörder in AFG die Todesstrafe zu erwarten hatten. Manche gaben stolz an Taliban zu sein, damit ihr Asylantrag positiv beschieden wurde. Die können nun zurück. In ihr gelobtes Land.
Oder wäre zumindest das zuviel erwartet? So als Bürger und Veteran an die Politik…
Und noch etwas. Wer AFG aus dem Spiel nehmen will, kann das ohne Tote und ohne große Umstände machen. Man zerstöre die Strassen und Tunnel über den Salang-Pass nach Norden über den Hindukusch und die Strasse durch den Caiber-Pass nach Pakistan. Dann ist Afghanistan praktisch eine zweigeteilte Sackgasse und keine Gefahr mehr. Dann können wir es sogar wirklich ignorieren.
Die könnten noch nicht mal mehr die Heroinmengen wegschaffen, deren Ernten von Jahreshoch zu Jahreshoch eilen, seitdem wir dort anfingen Dünger für Weizen zu verteilen. Ja, auch das haben wir dort als Westen erreicht. Sogar ganz nebenbei. Unkommentiert. Zur Finanzierung der nun siegreichen Taliban.(sic!)
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Wie immer, brilliant geschrieben und aufschlussreich!