Berlin – am 3. Juni soll das Bundeskabinett über einen eilig abgestimmten Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) entscheiden. Der NABU hat den Entwurf bereits kurzfristig auf der Website kommentiert. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger erklärte dazu „Offshorewind ist ein zentraler Teil der Energiewende. Wir stehen hinter dem Ausbauziel von 20 Gigawatt bis 2030. Die jetzt geplante Festschreibung eines Ausbauziels von 40 Gigawatt bis 2040 ist ein Schnellschuss und wäre ein falsches Signal der Bundesregierung. Ein solcher Ausbau wäre nicht naturverträglich umsetzbar und wäre nicht vereinbar mit dem Naturschutzrecht.“ Die Bundesregierung setze ein falsches Signal, das die Planungen für den weiteren naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windkraft von Beginn an belasten werde. „Wir wissen aus den Windkraftplanungen an Land, wie wichtig eine gute räumliche Planung zu Beginn ist. Nur so lassen sich Planungsfehler und Fehlinvestitionen vermeiden und Akzeptanz erhalten. Das Bundeskabinett sollte den Gesetzesentwurf daher nicht in der vorgelegten Form verabschieden“, so der NABU-Präsident weiter.
Schon lange wird in Deutschland über die Offshore-Windenergie gestritten. Während in der Praxis der Ausbau von derzeit etwa sieben Gigawatt in Richtung der im Klimaschutzprogramms der Bundesregierung festgeschriebenen 20 Gigawatt Leistung bis 2030 stockt, diskutieren die Branche und Teile der Politik deutlich höherer Ausbausziele für die Zeit danach. Die Diskussion dazu findet auch in der Fortschreibung der maritimen Raumordnung (MRO) statt, einem öffentlichen und durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) koordinierten Verfahren bis Mitte 2021. Hier sollen die Interessen der Wirtschaft, Schiffahrt, Energiewende und weiteren mit den Verpflichtungen des Meeresnaturschutzes zusammengeführt und ausgehandelt werden. Die mit dem Gesetzesentwurf geplante Festlegung führe den Prozess der Raumordnung nach NABU-Meinung ad absurdum. „40 Gigawatt Offshorewind würde bedeuten, dass streng geschützte Seevögel die Hälfte ihres Lebensraums in der deutschen Nordsee verlieren. Ein solche Entwicklung wäre auch unvereinbar mit der europäischen Vogelschutz-Richtlinie und der EU-Meerestrategie-Rahmenrichtlinie. Nord- und Ostsee sind schon heute in einem schlechtem Umweltzustand“, sagt Kim Detloff, NABU-Meeresschutzexperte.
Vom NABU beauftragte Analysen zeigen, dass insbesondere Trottellummen, Dreizehenmöwen und Basstölpel, aber auch der streng geschützte Schweinswal die Verlierer eines so massiven Zubaus von Windenergie auf See wären. Der Referentenentwurf zum WindSeeG ignoriere nach NABU-Meinung die Konflikte mit dem Naturschutz ebenso wie die räumliche Konkurrenz mit der Fischerei oder der Schifffahrt. „Der Referentenentwurf ist unausgereift. Wir fordern die Bundesregierung auf, Ausbauziele nach 2030 zunächst der Raumordnung zu überlassen und die Naturverträglichkeit zum gleichberechtigten Ziel der Gesetzesänderung zu machen. Das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium sollten endlich ihre Hausaufgaben machen und ein Forschungsprogramm zur Analyse der ökologischen Belastungsgrenzen in Auftrag geben. Erst dann lassen sich unter Umständen höhere Ausbauziele rechtfertigen“, so Detloff.
Hintergrund
Die Gesetzesänderung des WindSeeG ist notwendig, um das 20-Gigawatt-Ziel des nationalen Klimaschutzprogramms rechtlich abzusichern. Nach dem Bundeskabinett müssen auch Bundestag und Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen. Die vom NABU beuaftragten Studien und sogenannten Sensitivitätskarten zeigen, dass neben den schon heute beobachteten massiven Lebensraumverlusten von Seetauchern, bei einem geplanten Zubau von 40 Gigawatt auch 40 Prozent der Trottellummen ihren Lebensraum in der deutschen Nordsee verlieren würden. Darüber hinaus drohen 20 Prozent der Dreizehenmöwen und 10 Prozent der Basstölpel Lebensraumverluste und eine massive Erhöhung des Kollisionsrisikos mit Windenergieanlagen. Auch der Schweinswal, dessen Bestand in der deutschen Nordsee sich in den letzten Jahren auf etwa 27.000 Tiere halbiert hat, würde weitere Lebensräume verlieren.
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Original Content von NABU
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