Ihre Lebenswege wären ohne die europäische Einigung anders verlaufen

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IHK-Jahresempfang setzt ein starkes Zeichen für Europa / Vollversammlung verabschiedet europapolitische Positionen

8. März 2019 – Mit dem anstehenden Brexit und den Europawahlen Ende Mai werden die Weichen für Europa neu gestellt.
 
Ein starkes Zeichen für die europäische Einigung und das gemeinsame Lösen von internationalen Herausforderungen hat am Donnerstagabend der Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg gesetzt.
Unter dem Motto #GemeinsamFürEuropa ergriff die nächste Generation das Wort: Aus ihrem Erfahrungsschatz schilderten vier Jugendliche den circa 450 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, was ein Zusammenleben ohne Grenzen und eine paneuropäische Ausbildung für sie bedeutet. Als Ehrengast und Impulsgeber fächerte EU-Kommissar Günther H. Oettinger in einem leidenschaftlichen Plädoyer die Facetten der europäischen Idee auf – und warb eindringlich dafür, bei der Europawahl am 26. Mai das Stimmrecht nicht verfallen zu lassen: „Gehen Sie wählen. Und motivieren Sie möglichst viele aus Ihrem Bekanntenkreis, das ebenfalls zu machen.“ 
 
Die vier Jugendlichen, die in Nordhessen und dem Altkreis Marburg eine Ausbildung absolvieren, kommen gebürtig aus
  • Spanien (Winfred Yoel Manrique Boente / Fehr Dienstleistungs GmbH, Lohfelden),
  • Polen (Wiktoria Dominiak / Hch. Kördel GmbH, Guxhagen),
  • Italien (Edoardo Deiana / tripuls media innovations gmbh, Marburg) und
  • Deutschland (Robin Müller / Viessmann Werke, Allendorf/Eder).

Ihre Lebenswege wären ohne die europäische Einigung anders verlaufen. In einer kurzen Talkrunde mit IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan und IHK-Hauptgeschäftsführerin Sybille von Obernitz schilderten sie, welche Vorteile der gemeinsame europäische Weg eröffnet.

Für das System der dualen Bildung made in Germany waren sie voll des Lobes. Zwar machen diese vier Lebensläufe die Vorteile der europäischen Einigung offensichtlich, doch scheint es im Allgemeinen ein Vermittlungsproblem zu geben. „Haben wir uns alle genug Mühe gegeben, die enormen positiven Aspekte der europäischen Integration und des Binnenmarktes zu erklären?“, fragte IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan. „Erneut zeigt sich, dass unsere demokratischen Strukturen nicht selbstverständlich sind. Immer wieder müssen wir sie aufs Neue begründen und für sie werben.“

„Dieses Jahr ist das europäische Jahr: Wird die EU gestärkt – oder ist sie auf dem Weg, zerstört zu werden?“, sagte EU-Kommissar Günther H. Oettinger. „Entscheidend ist, wie hoch die Beteiligung bei den Europawahlen sein wird.“ Gemeinsam gelte es, für Europa zu werben: „Nicht mit einer La-Ola-Welle, aber mit Überzeugung.“ Hier lebten die Menschen in einer Gesellschaft voller Freiheit und Freizügigkeit. Er sensibilisierte dafür, stets das große Ganze im Blick zu behalten. „Die EU ist zuallererst ein Friedensprojekt: Darauf können wir stolz sein“, bekräftigte Oettinger. „Wir haben Stabilität und Werte exportiert. So können unsere Kinder sagen: Die Alten haben doch aus unserer Geschichte gelernt.“              
Inzwischen befinde man sich jedoch mittendrin im Wettbewerb der Werteordnungen und Systeme. „Erstmals bemerken wir, dass es andere Ordnungen gibt – und Unordnungen, zum Beispiel durch Autokratien“, sagte Oettinger. „Es ist nicht ausgemacht, dass unser System überlebt.“ Ein Markt, ein Standard, 500 Millionen Menschen – und Deutschland mittendrin: Die vergangenen sechs Jahre haben sich als wirtschaftlich starke Jahre erwiesen, schilderte Oettinger. „Doch die nächsten Jahre werden schwierig, die Lage trübt sich ein.“ Sein Blick richtet sich vor allem auf die wirtschaftlichen Rahmendaten der drei großen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien. „Mit einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent können wir dem internationalen Wettbewerb auf Dauer nicht Stand halten“, analysierte Oettinger.      
     
Wer die Welt von 2050 mitgestalten wolle, müsse auf ein europäisches Team setzen – alles andere sei nicht wahrnehmbar. „In Europa gibt es zwei Kategorien von Ländern“, verdeutlichte Oettinger. „Erstens: Länder, die zu klein sind. Und zweitens: Länder, die wissen, dass sie zu klein sind.“ 
 
Dass die Wirtschaft ein großer Gewinner der europäischer Idee ist, machte IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan klar: „Die EU ist nach wie vor der wichtigste Handelsraum für unsere exportorientierten regionalen Unternehmen.“ 72,5 Prozent der im IHK-Konjunkturbericht befragten regionalen Betriebe planen für dieses Jahr Investitionen in der Eurozone, dabei gaben 322 Firmen aus Nordhessen und dem Altkreis Marburg ihre Einschätzung ab. Weit entfernt auf Platz zwei folgt mit 20,3 Prozent Nordamerika. Jordan: „Das zeigt: Nationalistische Tendenzen sind Gift für unsere Wirtschaft.“ 
 
Vollversammlung verabschiedet europapolitische Positionen
Vor dem Jahresempfang hatten die in der IHK-Vollversammlung ehrenamtlich engagierten Unternehmer die europapolitischen Positionen der IHKs verabschiedet und sich damit zu eigen gemacht. In diesen mahnt die Wirtschaft Reformen an, darunter den Abbau von Bürokratie bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten. Aus Sicht der IHKs erweisen sich geeignete digitale Rahmenbedingungen und hochleistungsfähige Breitbandnetze als unabdingbar, damit Betriebe innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Eine weitere zentrale Forderung: „Der Abbau von Handelshemmnissen zwischen der EU und Drittstaaten sollte auf der europäischen Agenda höchste Priorität behalten“, zitierte der IHK-Präsident aus dem Positionspapier. EU-Kommissar Oettinger beim Jahresempfang in Kassel: „Es gibt gute und konstruktive Vorschläge.“   
 
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