Projekt „Sandra“ soll die Mail-Flut am Feierabend bremsen
Schutz vor überflüssigen dienstlichen Mails und Anrufen am Feierabend – das ist das Ziel eines jetzt gestarteten Forschungsprojekts, an dem die Universität Kassel beteiligt ist. Eine wichtige Rolle spielen ein „Erreichbarkeits-Assistent“ und Schulungen in Unternehmen.
Smartphones und Laptops führen dazu, dass Arbeitnehmer über Handy oder E-Mail immer und überall arbeiten können und stets erreichbar sind. Auch aufgrund zunehmender Fehltage durch psychisch verursachte Erkrankungen befürchten Arbeitnehmervertreter und Politiker negative Folgen für Arbeitnehmer, weil die Grenzen von Privat- und Berufsleben immer mehr verschwimmen. Deshalb suchen Unternehmen vermehrt nach (technischen) Lösungen für ein effektives Erreichbarkeitsmanagement, das die Gesundheit der Mitarbeiter schont. „Diese entsprechen aber noch nicht ausreichend den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – mal sind sie zu schwach, mal viel zu weitreichend. Notwendig ist, sie den unterschiedlichen Bedürfnissen nach Erreichbarkeit und Nicht-Erreichbarkeit der Mitarbeiter anzupassen“, so der Jurist Prof. Dr. Alexander Roßnagel von der Universität Kassel.[metaslider id=5142]
Daher verfolgt das interdisziplinäre Forschungsprojekts SANDRA, das am 1. April 2017 gestartet ist, das Ziel, mitarbeiterfreundliche Lösungen für das Problem der technisch bedingten ständigen Erreichbarkeit zu finden. Das Ziel sind konkrete Anwendungen für die betriebliche Praxis. Wichtige Elemente sind:
– ein Schulungskonzept für Unternehmen, wie sie ihre Beschäftigten im Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln unterstützen können.
– ein Erreichbarkeits-Assistent, der im Projekt programmiert wird und den die beteiligten Unternehmen erproben. Diese technische Lösung wird intelligent und im Einklang mit den Interessen der Beteiligten Anrufe und E-Mails an Smartphones ablehnen beziehungsweise verzögern, um unterbrechungsfreie Ruhe- oder Arbeitszeiten für Beschäftigte zu ermöglichen.
– Ein im Leistungssport bereits erfolgreich eingesetztes Verfahren überprüft anhand des Herzschlages der Mitarbeiter, wie wirksam die gefundene Lösung bei der Stressminderung tatsächlich ist.
Das Forschungsprojekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und ein Gesamtvolumen von etwa 1,4 Mio. Euro. Das Fachgebiet Bürgerliches Recht/Recht der Technik der Universität Kassel ist für die Rechtsfragen zuständig, Konsortialführer ist das Fraunhofer IAO. Beteiligt sind weiterhin die TU Darmstadt, die HdM Stuttgart sowie die Anwenderunternehmen AGILeVIA und AK Reprotechnik. Rund 280.000 Euro der Fördersumme gehen an die Uni Kassel.[metaslider id=9316]
Während seiner Laufzeit identifiziert das Projekt weitere geeignete Unternehmen, die ebenfalls die entwickelten Organisationsmaßnahmen und das Schulungskonzept anwenden. Dadurch kann das Projekt die Übertragbarkeit der Lösungen auf andere Branchen validieren und seine Vorschläge verfeinern.
Führen Betriebe technische oder organisatorische Maßnahmen ein, um mit der technikbedingten ständigen Erreichbarkeit besser umgehen zu können, entstehen zahlreiche rechtliche Fragestellungen. Die Aufgabe der „Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung“ (provet) im Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung der Universität Kassel (ITeG) unter der Leitung von Prof. Dr. Roßnagel besteht darin, diese Fragen bei der Gestaltung, Anwendung und Implementierung der Lösungen zu bearbeiten und zu beantworten. Bereits bei der Entwicklung der Modelllösungen wird auf die Einhaltung rechtlicher Anforderungen, insbesondere aus dem Datenschutzrecht, Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht, geachtet. Die juristische Mitarbeiterin Nadine Miedzianowski ist sich sicher, dass dies die Praxistauglichkeit sicherstellt und die rechtsverträgliche Gestaltung und Anwendung des Erreichbarkeitsmanagements gewährleistet: „Die Modelllösung wird dabei aktuelle arbeitsrechtliche Regeln beachten und in rechtskonformer Weise abbilden und zugleich sicherstellen, dass sie an die spezifischen Anforderungen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Rollen in Unternehmen angepasst ist. Dieses Vorgehen schützt die Grundrechte aller Beteiligten und berücksichtigt ihre unterschiedlichen Interessen. Auf diese Weise werden die Chancen der Digitalisierung der Arbeitswelt genutzt und ihre Gefahren minimiert und ausgeglichen.“
Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit” (Förderkennzeichen 02L15A270) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.
Universität Kassel
Fachgebiet Bürgerliches Recht/Recht der Technik
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