Der digitale Nachlass: Das Internet vergisst nie!

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Der „digitale Fußabdruck“ hat sich zweifelsohne zu einem Charakteristikum unseres heutigen, technisch progressiven Zeitalters etabliert: In den Tiefen des WWW werden Daten aller Art gestreut. Wie zumeist, hinkt der Gesetzgeber auch hier dem fortschreitenden Stand der Technik ein wenig hinterher. Eine neuartige Fragestellung drängt sich auf: Was passiert nach dem eigenen Tod mit den Daten im Netz? Der nachfolgende Text zielt darauf ab, zur Sensibilisierung für dieses wichtige Thema beizutragen.

 

Begrifflichkeit

Der „digitale Nachlass“ verkörpert eine Sammelbezeichnung für eine ganze Reihe gesetzlicher Reglementierungen, welche sich mit den früheren Handlungen eines verstorbenen Menschen im Internet auseinandersetzen. Hierbei werden etwa Vertragsbeziehungen zu E-Mail-Providern und zu Social-Media-Betreibern umfasst. Des Weiteren werden auch solche Abkommen, welche ausschließlich in digitaler Form existieren – etwa Online-Kontrakte – von den entsprechenden Vorschriften eingeschlossen. Insgesamt also sind all diejenigen Daten und Informationen, welche im WWW, auf PCs oder auf Speichermedien bestehen und sich auf einen bestimmten, bereits Dahingeschiedenen beziehen, dem digitalen Nachlass hinzuzurechnen. Zumeist wird unterschätzt, welche quantitativen Ausmaße diese Art der Hinterlassenschaft annehmen kann: Der ständige und regelmäßige Gebrauch der revolutionären Vorzüge der immateriellen Datenautobahn lässt in der Regel unzählige Benutzerkonten, Verträge sowie anderweitige Verknüpfungen zurück.

 

Rechtliche Problematik

Rechtlich gesehen kann der digitale Nachlass diverse Rechtsnormen und -gebiete tangieren. Insbesondere das Erbrecht und die auf den Abschluss von Kontrakten bezogenen Vorschriften sind hierbei von hoher Relevanz, wobei das Übergehen der Rechte und Pflichten des Abgelebten auf dessen Erben vorgesehen ist. Indes werden auch die Verantwortung und die Legitimierung zur Aufhebung gegebene Abonnements oder zur Zahlung noch offener Forderungen aus Kaufverträgen auf die Nachlassempfänger transferiert.

Dennoch bedarf es Wissens der Erben um die vorhandenen Online-Konten, und genau hierin liegt das große Problem: In den allermeisten Fällen fehlt hierzu der notwendige Überblick. Ihnen ist es zwar gestattet, mittels Vorbringen von Erbschein und Sterbeurkunde eine Entfernung der Nutzerkonten zu verlangen;  doch eine Einsicht in die jeweilig geführte Korrespondenz bleibt ihnen im Regelfall verwehrt. Diesbezüglich argumentieren die Provider mit dem sogenannten postmortalen Persönlichkeitsrecht des Dahingeschiedenen. Demzufolge stehen diesem auch noch nach dem Tode die entsprechenden Rechte zu, womit mitunter einer Verächtlichmachung des Betroffenen zuvorgekommen werden soll. Hinzu kommt, dass das Brief- und Fernmeldegeheimnis die Verständigung mit Dritten unter sich subsumiert und einen entsprechenden Schutz entfaltet. Schließlich ist es daher ratsam, sich frühzeitig vor dem eigenen Versterben um eine adäquate Transparenz für die Angehörigen zu kümmern, um diesen einen Umgang mit der Situation zu erleichtern.

 

Streaming, Online-Banking, Abos: Der Abschluss von Kontrakten aller Art ist heutzutage nur wenige Klicks entfernt. Haben die Nachlassempfänger hiervon keine Kenntnis, so können sich rechtliche wie finanzielle Schwierigkeiten ergeben – speziell dann, wenn es um die Auflösung eines Bankkontos geht.

 

Social Media: Die Problematik der Login-Daten

In sozialen Netzwerken steht Sharing, Posting und Liken an der Tagesordnung. Die auf derartigen Portalen hinterlassenen Daten überspannen in aller Regel (private) Bilder, schriftliche Beiträge sowie Videos – ein ganzes Sammelsurium an Informationen, welche nicht selten dem geltenden Urheberrecht unterfallen. Die wohl größte Hürde stellen aus Sicht der Erben die jeweiligen Zugangsdaten zu diesen Accounts dar: Sind diese unbekannt, so ist es quasi ein Ding der Unmöglichkeit auf die entsprechend dort vorhandenen Daten des Dahingeschiedenen zuzugreifen. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Social-Media-Plattformen individuelle Regelungen vorweisen:

  • Facebook: Das weltbekannte Portal genehmigt den Erben keinerlei Zugang zum Profil des Erblassers. Doch besteht die Möglichkeit, das Benutzerkonto einem „Gedenkzustand“ zu unterziehen, sofern eine Sterbeurkunde eingereicht wird. Zudem kann ein Facebook-Account gelöscht werden; hierzu bedarf es eines entsprechenden Antrags durch die Familienangehörigen.
  • Twitter: Auch die Provider von Twitter genehmigen den Erben keinen Zugriff auf das Profil. Es besteht lediglich die Möglichkeit unmittelbar Anverwandter, eine gänzliche Entfernung zu beantragen – und auch hierzu fordert dieses soziale Netzwerk die Einreichung unzähliger Dokumente.
  • Google: Ist der Verstorbene Inhaber eines Google-Kontos, so erstreckt sich dieses zumeist simultan auf eine Vielzahl weiterer Dienste – etwa YouTube, Google+, Gmail oder auch das Betriebssystem Android für Smartphones. Usern bleibt es gewährt, noch zu Lebzeiten darüber zu bestimmen, was im Falle der längerfristigen Inaktivität mit dem Account gesehen soll. Hierbei lässt sich bestimmen, wem ein entsprechender Zugriff gestattet werden und wer über eine Deaktivierung entscheiden soll.
  • GMX und Web.de: Wird seitens der Erben ein Erbschein nachgewiesen, so wird ein Zugriff bewilligt. Ein Verwalten und Löschen bleibt daher möglich.

Noch existiert also keine einheitliche Vorgehensweise im Rahmen des digitalen Nachlasses. Vielmehr liegt es im Ermessen der jeweiligen Betreiber, individuelle Bestimmungen hierüber zu treffen.

 

Vielerlei Daten finden sich lediglich in Cloud-Technologien oder sozialen Netzwerken wieder. Wer also nicht möchte, dass diese endgültig in den Tiefen des Internets untergehen, sollte sich noch zu Lebzeiten um entsprechende Vorsorgemaßnahmen bemühen.

 

 

Checkliste

Im Nachfolgenden findet sich eine Checkliste, mit deren Hilfe eine angemessene Vorsorge zur Entlastung der Angehörigen stattfinden kann:

  • Benennung einer Bezugsperson, welche sich um das digitale Erbe sorgen soll
  • Kreation einer Übersicht sämtlicher Nutzerkonten samt Login-Daten
  • Sichere Lagerung der Übersicht (ggf. als Back-Up auf einem externen Datenträger)
  • Bestimmung, was nach dem eigenen Ableben mit den Benutzerkonten passieren soll
  • Abspeicherung essentieller Daten in offline-Form
  • Regelmäßige Erneuerung der Listen, um diese auf dem neuesten Stand zu halten.

 

Weitere Informationen zum Thema „Erbrecht“ finden Sie unter https://www.familienrecht.net/erbrecht/

 

Autorin: Jenna Eatough

Kurzvita: Jenna Eatough studierte an der Universität Regensburg zunächst Rechtswissenschaften mit Abschluss der juristischen Zwischenprüfung und dann Medienwissenschaften (BA). Heute lebt sie in Berlin und ist unter anderem als freie Journalistin für verschiedene Verbände tätig.

 

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