Vor etwas mehr als drei Jahren schrieb ich im Fachmagazin Conplore einen Artikel zur Bundeswehr und dem damals schon offenkundigen Materialproblem.
Ich wies darauf hin, dass neben dem maroden Material, das zum Teil älter ist als die Soldaten, die darauf dienen, noch zwei weitere Umstände desolat sind:
die gesellschaftliche Haltung zur Bundeswehr
und die Personallücke, die im demographischen Wandel immer größer wird.
Dass Olaf Scholz die Budgeterweiterung der Bundeswehr wohl im Alleingang, ohne Absprache mit den Koalitionspartnern und ohne Aussprache mit dem linken Flügel seiner Partei vorgenommen hat, rächt sich nun. Linksgeneigte Journalisten und Blätter fangen gerade an diesen Beschluss, der im Bundestag überraschenderweise mit stehendem Applaus angenommen wurde, zu zerlegen. In alter Manier mit alten Sprüchen und der dazugehörigen dümmlichen Denkart.
Was vor einer Woche unangenehm aufgefallen ist, nämlich die NICHT-Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, erscheint nun wieder als unwichtig abgetan zu werden.
Immerhin stimmt es ja, dass Putin zuerst durch Polen muss, um uns zu erreichen. Nur stehen in Polen auch nicht gerade die Millionenheere zur Verteidigung parat. Hier müsste die Bundeswehr gem. Art. 5 des Vertrages dann im Bündnisfall unterstützen. Und zwar nicht kompanieweise (80-200 Mann), wie sie uns gerade bildhaft vor Augen führt, sondern mit Großverbänden auf dem Niveau von Divisionen (17.000 Mann).
Momentan wäre die Bundeswehr nur unter Mühen in der Lage eine Brigade (5000 Mann) aufzubieten, wenn sie denn alle anderen Verbände material- und personalmäßig ausplündern würde.
Dass auch ein Personalmangel besteht wurde politischerseits auch gern verdrängt. Es kommen pro Jahr nicht genug Freiwillige, die auch geeignet sind, Dienst in den Streitkräften zu leisten. Weder als Zeitsoldaten noch als freiwillig Wehrdienstleistende.
Hier hat man sich bei der Aussetzung der Wehrpflicht – zwar für Demographieexperten absehbar – aber für die Bundeswehr unsichtbar verschätzt.
Aus diesem Grunde wurden die Mindestanforderungen von Jahr zu Jahr weiter abgesenkt bis hin auf ein Niveau, das vor der Wende noch als T5 (untauglich) bezeichnet worden wäre.
Ein trauriges Bild wo Wille und Mühe allein nicht reichen…
Dazu kommt, dass nun das Personal der Wendezeit langsam aber sicher ausgedient hat und die mit ihnen aus dem Dienst ausscheidenden originären (individuellen) Kernfähigkeiten der Truppengattungen auch verlustig gehen.
Die Bundeswehr von heute war eine reine Missionsarmee, die von Einsatz zu Einsatz geschickt wurde und seit zwanzig Jahren nicht auf Ebene von Großverbänden den Kampf der verbundenen Waffen geübt hat. Noch nicht einmal mehr so ausgebildet wurde. Der damit einhergehende Fähigkeitsverlust ist gravierend, zudem er auch analog zur verpassten technologischen Weiterentwicklung stattfand. Das was die Bundeswehr als Material hat, ist zum Teil deutlich veraltet und mitunter noch nicht einmal vollumfänglich beschafft worden.
Viel zu oft wurden Soldaten sogar erst im Einsatzgebiet angekommen auf Waffensystemen praktisch eingewiesen, die sie in der Vorausbildung nur von Bildern her kannten. Das war bei den gepanzerten Mehrzweckfahrzeugen Eagle und Dingo der Fall.
Die vor 20 Jahren wegweisende Ausrüstungsmodule „Infanterist der Zukunft“ gehören jetzt, obwohl nie vollumfänglich eingeführt, schon ins Museum.
Hier wurde in Präsentationen gegenüber Politikern auch gern einmal beschönigt und angedachte Vorträge waren durch das Ministerium explizit samt Sprechzettel abzusegnen, wie ich selbst als Reservist erfahren musste.
Für Btl- und Brig-Kommandeure wurde hier sehr schnell klar, dass auf der obersten Leitungsebene andere Zahlen kursierten als in der Waffenkammer vor Ort abzählbar waren.
Daher ist auch das neumodische “Mindset” unserer Generalität alles andere als geeignet hier schnell Abhilfe zu schaffen. Auch diese Damen und Herren haben in den letzten 20 Jahren nicht dadurch Karriere gemacht, weil sie Manöver glänzend absolviert hätten und von NATO-Inspekteuren gut beurteilt wurden, sondern ausschließlich durch das Abnicken selbst der blödesten politischen Ideen.
Keiner dieser Spitzenmilitärs ist in der Lage eine Division im Feld zu führen. Selbst bei einer Brigade sollte es Probleme geben, da Vollübungen wie vor der Wende nie wieder in diesem Maßstab abgeleistet werden mussten. Bestenfalls, wenn auch im Gelände, sind reine Stabsrahmenübungen gefahren worden.
Dass hier nun einige nach der Wehrpflicht im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht rufen ist populistisch, wenn auch im Rahmen der allgemeinen Dienstpflicht grundsätzlich aus sozialpädagogischer Sicht für die Gesellschaft als solche zu begrüßen.
General Zorn, der Generalinspekteur der Bw, lehnt allerdings diese Wehrpflicht ab, da sich das Aufgabenspektrum und die Anforderungen geändert hätten.
Stimmt. Haben sie. Und mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine haben sie sich wieder verändert, was Herrn Zorn aber nicht gemerkt zu haben scheint.
Genauso wenig hat er wohl die demographische Entwicklung der Bevölkerung und damit der Jahrgangsstärken im Blick, die für die Bundeswehr in Zukunft nutzbar wären. Ohne eine Dienstpflicht mit der Auswahl diese bei der Bundeswehr abzuleisten, wird das nämlich nichts.
Dass man aus Kostengründen diese Dienstpflicht besser auf 15 als auf 6 Monate legen sollte ist klar. Alles unter 12 Monaten hat sich nämlich ausbildungstechnisch nicht bewährt und war nur teuer.
Mit der Wehrpflichtlösung, für die ich vor drei Jahren schon eintrat, würde auch via Reservisten der Verteidigungsumfang wieder anwachsen können, was den schnellen Aufwuchs von Großverbänden in der Krise ermöglichen würde.
Diese mit der Wehrpflicht einhergehenden zusätzlichen Kosten (Ausbildung, Einkleidung, Unterbringung und Verbrauchsgüter) wären als eine Art Versicherungsprämie für die Krise zu sehen.
Hier der gleichen Argumentation umgekehrt folgend, wie die in der Vergangenheit reichlich bemühten sog. „Friedensdividende“ für die ständige Abrüstung bis hin zum Verlust der Einsatzfähigkeit. Jetzt als opportune Krisenoption!
Auch ist der Umstand anzusprechen, dass die Bundeswehr aus reiner Bürokratie, falschen Strukturen und personeller Unterbesetzung in der Beschaffung kaum in der Lage sein dürfte 100 Milliarden zweckmäßig einzusteuern.
Kaum ein Rüstungsprojekt der letzten 30 Jahre blieb im Zeit- oder Budgetrahmen und kam zum Teil sogar mit Mängeln aus der Fertigung heraus. Egal ob es der Eurofighter, der Tiger, der Puma, eine Fregatte oder die Gorch Fock war. Vom IT-Projekt Herkules reden wir besser nicht.
Der Transporter A400M flog mit fast fünfzehn Jahren(!!) Verspätung und in Litauen sitzen nun unsere Soldaten und frieren, weil es keine geeignete Winterbekleidung gibt. 20 Jahre Afghanistan, Mali und Irak haben hier scheinbar den Fokus auf Wüstenbilder in den Köpfen der Verantwortlichen verlegt.
Vom neuen Gewehr für die Truppe reden wir besser nicht. Hier hat Heckler&Koch (H&K) gerade den Patentstreit zum Magazin rechtlich beilegen können. Der Auftragsvergabe – nicht der Produktion oder gar die Auslieferung – steht nun nichts mehr im Wege…
Wenn wir über Rüstung reden, dann reden wir also über jahrelange Verfahren, Prozesse und Abläufe, die die Bundeswehr samt angeschlossener Verwaltung auf das Maximalmaß zu optimieren richtig und sinnvoll fand. Ergo wir alles, was nicht „von der Stange“ kommt, die Bundeswehr erst in zehn Jahren erreichen. Und selbst Käufe auf dem Markt machen Ausschreibungen erforderlich, die nicht selten in Gerichtsverfahren münden, die alles verzögern.
Die internationale Rüstungsindustrie nennt all das “den deutschen Goldstandard”.
Ergo wird hier gar nichts SOFORT passieren. Man muss der Bundeswehr sogar die Fähigkeit absprechen das von sich aus beschleunigen zu können. Sie ist schlicht unfähig hier noch selbst regulierend agieren zu können.
Als Fazit heißt das, dass weder das Material zeitnah kommen noch das Personal langfristig zur Verfügung stehen wird. Und das heißt, dass wir anderes Material brauchen als so manche Leutchen im Kopf haben. Inklusive einer Generalität, die eh aus der Zeit gefallen ist und wesentliche Veränderungen schlicht verpennt hat.
Was wir allein schon aus demographischer Sicht brauchen sind personalreduzierte Waffensysteme, die mit möglichst wenig Bedienungs- und Wartungspersonal auskommen. Autonome Waffensysteme für die Kriegführung zu Land, zu/unter Wasser und in der Luft.
Wir brauchen eine deutliche Steigerung der Feuerkraft und Stehzeit im Einsatzgebiet ohne damit auch Personal zu binden.
Wir brauchen Waffensysteme, die durch andere automatisierte Systeme gewartet und notfalls auch instandgesetzt werden können.
Wir brauchen eine automatisierte Logistik für Feldeinheiten, die ohne Fahrer auskommt.
Und um all das zu gewährleisten müssen diese Systeme IT-technisch unangreifbar sein. Genau wie alle Führungssysteme an sich.
Und in Sachen IT-Sicherheit und Cyberwar (auch als aktive Komponente) ist die Bundeswehr ein besserer Pflegefall, über den die Branche lauthals lacht.
Selbst das Anmieten von am Markt vorhandenen Material zur Überbrückung von Löchern und/oder Folgen von Fehlplanungen gelingt nicht immer, die das Beispiel des Flugzeugs M28 Skytruck zeigt, dessen Auftragsvergabe zwar gelang, aber an allem vorbei was Luftfahrts-, Vergaberecht und Gesetz vorsehen.
Alles Baustellen, wo es scheint, dass die Verantwortlichen immer noch nicht begriffen haben, wo sie im IST-Zustand stehen. Es bleibt abzuwarten was sie daraus für einen SOLL-Zustand ermitteln und wie sie den dann – einigermaßen… – zeitgerecht erreichen wollen.
Der Bürger darf nicht gespannt sein wie das endet. Er muss vielmehr sehr viel Geduld haben, bis sich da etwas tun wird. Denn was den Einsatz von Großverbänden angeht fängt die Bundeswehr wieder bei Null an…
Es ist beschämend! – SIC!
Auch:
Russland und die Bundeswehr: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte… – (nordhessen-journal.de)
So geht das Gedenken ins Deutschland während man ins Kriegshorn tutet..
Volkstrauertag in Kassel: Reservistenkameradschaft darf nicht am Ehrenmal gedenken (nordhessen-journal.de)
Bundeswehr: Die Vertuschung als neustes Mittel der IT-Security (nordhessen-journal.de)
Bundeswehr: Afghanistan – war es das wirklich alles wert? (nordhessen-journal.de)
Bundeswehr: Mali wird wie Afghanistan enden – (nordhessen-journal.de)
Ukrainekrieg: TOS-1 Sonnenfeuer – der russische Panzer des Schreckens – (nordhessen-journal.de)
Und wer das Wesen einer Armee nicht versteht, holt sich die falschen Leute an Bord…
JOINT FUTURE WORK UND BUNDESWEHR Teil 1: Die Folgen des Unverständnisses der eigenen CI | Conplore Wirtschaftsmagazin
Bundeswehr: Was stimmt nicht beim KSK? – Vielleicht nur der Verdacht? (nordhessen-journal.de)
Bitterböse Satire:
Im Rabenspiegel: General Alfons Mais, der Clown der Bundeswehr – (nordhessen-journal.de)
Und dann könnte man auch einmal hier nachlegen, denn am Ende wird es natürlich wieder Opfer geben:
Als Interessenverband für alle Einsatzveteranen ist der Bund Deutscher Einsatzveteranen e.V. (HIER). Er ist Ansprechpartner und Anlaufstelle für alle Kameraden, die Hilfe brauchen. Es wird jedem, sofort und professionell geholfen werden, der durch seinen Dienst für die Bundesrepublik Deutschland zu Schaden kam.
Wir bitten unsere Leser um Spenden für die gute Sache und hoffen auf breite Unterstützung für die Kameraden!
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