Der Skandal um den WINDSOR-Skandal zieht weitere Kreise. Wie es scheint war nicht nur Thalia am unbeabsichtigten Abverkauf gestohlenen geistigen Eigentums beteiligt, sondern fast alle, die Bücher in Deutschland online verkaufen (HIER).
Bol.de und libri.de reagierten recht schnell. Libri.de sogar so schnell, dass sie lieber die Autoren samt aller ihrer Werke aus dem Handel nahmen anstatt das Verlagsproblem an sich zu lösen. Glückwunsch. Allein dafür gebührt libri.de schon der Trostpreis für moralisches Handeln im Buchgeschäft. Ursache und Schlussfolgerung sollten aber einmal ernsthaft überdacht werden.
Bücher.de ist da noch nicht so weit. Unter WINDSOR-Verlag sind nach wie vor Titel gelistet.
Abb.: WINDSOR-Treffer „SPQR – Der Falke von Rom – Teil 6“ bei Bücher.de
Und als Lagerabverkauf kann man das auch nicht bezeichnen, da die Lieferzeit 2-4 Wochen beträgt, was die Sache nun für andere interessant macht.
Auch amazon.de ist betroffen, was beim weltweiten Marktführer überraschend ist, zumal Urheberechtsverletzungen in den USA recht teuer werden können und WINDSOR sich als USA-Unternehmen mit Sitz in Cheyenne ausgegeben hat. Und da amazon auch ein Mutterhaus in den USA hat…
Abb.: WINDSOR-Treffer „SPQR – Der Falke von Rom – Teil 6“ bei amazon.de
Amazon ist besonders dreist, denn es verkauft von zwölf gelisteten Titeln des Autors sechs sogar ausschließlich als Plagiat. Trotz Hinweis 2018008 durch den Autor, dass der WINDSOR-Verlag nicht existiert. Und trotz zwischenzeitlicher Änderung auf BoD, was eine zweite Korrektur zu Gunsten des kriminellen Verlages dann offensichtlich macht. Und trotz dem Umstand, dass die zugehörigen ebooks ALLE auf BoD laufen.
Doch was heißt das nun für den digitalen Buchhandel an sich?
Wie es scheint hat der deutsche Online-Buchhandel keinerlei Kontrolle darüber, welche Verlage tatsächlich existent, und welche nur als betrügerischer digitaler Postkasten unterwegs sind. Ware anbieten, deren geistiges Eigentum von Autoren gestohlen wurde. Die kleinere Verlage um Umsatz betrügen, die hier Arbeitsplätze erhalten. Überhaupt erst das Geschäft des Buchhandels begründen!
Und wenn das auf Bücher zutrifft, was ist dann mit Hörbüchern, CDs und anderen Medien?
Während man heute keine DVD und Blueray mehr abspielen kann ohne auf Raubkopierer aufmerksam gemacht zu werden, hat sich im Buchhandel scheinbar ein System der stillschweigenden Gleichgültigkeit gegenüber einem Klientel gebildet, dass anderswo als Raubkopierer oder Kriminelle angegangen wird.
Wir erinnern uns an die Frage des kleinen Jungen, wann Papa aus dem Gefängnis kommt? „Noch viermal singen…“
Natürlich ist nicht anzunehmen, dass bei Thalia, Bücher.de oder gar amazon.de jemand seine Kinder durch gesiebter Luft singen hört. Dazu fehlt wohl der notwendige Vorsatz, der hier zur Strafe führen würde. Bei amazon.de eine Strafverfolgung anzunehmen, zumindest hier in Deutschland oder der EU, ist sowieso lächerlich, da selbst der Fiskus seinem Geld erfolglos hinterherhechelt. Da sind Urheberrechte und geistiges Eigentum von Autoren die Lachnummer schlechthin.
Weiterhin ist komisch, warum Onlinehandelsplattformen für Verlage verkaufen, die ihre VAT-Nummer (Umsatzsteuernummer) nicht hinterlegen können. Diese Anmeldungen schaffen nun selbst schon chinesische Unternehmen zu tausenden und es ist eine gesetzliche Vorgabe!
Gemäß der deutschen Umsatzsteuergesetzgebung müssen Online-Marketplace-Sites eine deutsche Steuerbescheinigung von Verkäufern einholen, wenn Waren von Standorten in Deutschland oder an Kunden in Deutschland versendet werden und der Verkauf in Deutschland gemäß den Änderungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes (§ 22f UStG) steuerpflichtig ist. Ebay beispielsweise hat hier 2018/19 Abfragen gemacht und auch Konten stillgelegt.
Komisch, dass das im Online-Buchhandel offensichtlich nicht ging. Ist hier schlicht die beiläufige, weil billige Inkompetenz allein ursächlich für die freundliche Unterstützung des betrügerischen WINDSOR-Verlages? Warum teure Prozesse implementieren, wenn das Risiko aufzufallen recht gering ist? Zumal hier auch nicht Raubbücher vom Impact eines „Harry Potter“ vertrieben wurden. Es betrifft ja nur(!) kleinere Autoren. Leute, die schon immer mal ein Buch schreiben wollten. Mit kleinen Auflagen., ohne große Verlage im Rücken, die selbst nach dem Rechten sehen würden. Auflagen, die in ein paar Tausend gehen, nicht in Millionen, wie bei „Harry Potter“.
Nur sind es halt in solchen Fällen Bücher, wo sich Autoren selbst an der Erstellung, Lektorat und Design beteiligt haben. Mit ihrem Geld, quasi als Unternehmer, das Buch mitverlegt haben. Wo jahrelang Herzblut, Zeit und auch Mut eingeflossen sind, bis dieses Buch dann erschien.
Doch wer sind solche Menschen? Was bewegte sie ein Buch zu schreiben?
Ich selbst wollte schon immer mal einen SciFi-Roman schreiben. Setzte mich anno 98 an den PC und fing an. Tippte immer wieder mal ein paar Seiten. Bis dann genug zusammen war um daraus drei Bücher zu machen. 2013 sprach mich dann der WINDSOR-Verlag an, ob ich ihnen nicht mal ein Kapitel zuschicken wollte. Zur Qualitätsprüfung zum Preis von 29,99 Euro. Nach fünfzehn Jahren Tipperei war das ein guter Vorschlag. Und klar, man wollte es. Welche Überraschung aus heutiger Sicht…
Und 1700,- Euro Eigenanteil klang auch machbar, zumal man mit dümmeren Ideen schon im Leben mehr verloren hatte…
Und dann wurde das auch noch ein Erfolg. Eine ständig wachsende Leserschaft wollte nun jährlich ein Buch. Und dieses neben Arbeit und Familie in eine Worddatei zu bringen ist zunehmend eine Herausforderung. Bis dato, wo „SPQR – Der Falke von Rom“ seinen neunten Band feiert.
Andere Autoren schreiben als Therapie. Als Teil ihrer Behandlung mit Problemen umzugehen oder fertig zu werden. Sogar unter ärztlicher Anleitung und Aufsicht. Der fragliche Autor war nach den Wirren des WINDSOR-Betruges dann auch wieder ein paar Monate stationär in Behandlung, weil seine Erkrankung einen neuen Schub bekommen hatte.
Eine andere Autorin, Petra Jahrend, beschrieb die Folgen und den Umgang mit der seltenen und schmerzhaften Erkrankung Lipödem (HIER). Wollte so anderen Erkrankten Tipps, Hilfe und Zuspruch geben. Dass sich das Buch als Bestseller entpuppte und wochenlang bei amazon als Ratgeber auf Platz Eins stand war ein motivierender Zusatzgewinn. Motivierend, nicht finanziell, denn WINDSOR betrog die Frau um ihre Tantiemen. Wie alle anderen Autoren auch. Denn trotz Platz Eins hatte sich das Buch angeblich nicht „so richtig oft“ verkauft…
Dann ist da das Ehepaar. Beide schon in Rente oder auf dem Weg dahin. Beide an Krebs erkrankt. Ohne Aussicht, dass da noch ein Licht am Horizont wäre. Und so schrieben beide ein Buch. Als Nachlass und Erinnerung für die Familie, Freunde und Bekannte. Sind am Lebensende also auch noch betrogen worden. Und das dann zweimal hintereinander.
Andere wollten nur mal ihr Expertenwissen in ein Buch bringen. Als Ratgeber für dies und das. Als Fachbuch zum Thema XY oder auch als Anspruch an sich selbst.
Andere schrieben Kochbücher oder brachten lyrische Sammlungen heraus.
So schrieben tausende von Autoren weltweit Bücher, die durch WINDSOR verlegt wurden. In Deutschland allein sind 753 Titel gelistet. Allesamt mit viel Liebe, Herzblut und Anspruch verfasst. Von Hinz und Kunz sozusagen. Allesamt natürlich keine „Harry Potter“, der auch mit einer Anfangsauflage von 1500 Büchern startete. Unter ähnlichen Bedingungen des Außenseiters.
Aber ist das ein Grund Hinz und Kunz anders zu behandeln als Böll, Rawling und andere? Ihr geistiges Eigentum, ihre Autorenrechte anders zu behandeln als die mit großen Verlagen im Rücken? Gibt es für den deutschen Buchhandel verschiedene Urheberechte, Autorenrechte und Verlagsrechte? Recht nach Neigungsgruppen?
WINDSOR hat tausende von Autoren betrogen. Tauchte 2018 über Nacht unter, weil sie auch das Finanzamt in Hamburg betrogen hatten. Sie betrogen jeden, mit dem sie Geschäfte gemacht hatten. Am Ende selbst den Dienstleister, die ihnen unwissentlich geholfen hatte, am Markt überhaupt präsent sein zu können: die Druckerei BoD.
Und als wenn das nicht reichen würde, versuchten sie es wieder, als reines Buchangebot für Onlinehändler und schafften es erneut. Brachten die Bücher ihrer Autoren, an denen sie keinerlei Rechte mehr besaßen, in Konkurrenz zu den Neuerscheinungen heraus. Parallel zu einer Kölner Staatsanwaltschaft, die angeblich mit Frau Staatsanwalt Höffner Ermittlungen durchführte. Den Fall WINDSOR (Az: 590 UJs 3681/18 ) verfolgte…
Am Ende stellt sich der Verbraucher, nicht nur die Autoren, die Frage, wie viele dieser Geisterverlage verkaufen eigentlich noch hier in Deutschland gestohlenes geistiges Eigentum. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels war auf Anfrage zumindest recht sparsam mit Worten – er antwortete mit der Floskel sich über wirtschaftliche Angelegenheiten der Mitglieder nicht äußern zu wollen… Wusste wohl nicht wen er zuerst schützen sollte: die Verlage oder den Handel. Immerhin fühlt man sich für beide irgendwie verantwortlich. Und natürlich bedauert man ganz sicher auch die Autoren. Sagte es aber lieber nicht.
Wer als Verbraucher sicher gehen will, keine Plagiate zu kaufen, nicht am Betrug teilnehmen zu müssen, Autoren und Verlage nicht um Einnahmen zu bringen, sollte nicht online kaufen. Eine Überprüfung vor Ort in verschiedenen Buchläden hat ergeben, dass die Grossisten als Zwischenhändler komischerweise keine WINDSOR-Titel anbieten. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass auch andere Geisterverlage dort keine Chance haben. Man dort sein Sortiment besser auf Plagiate kontrolliert.
So macht es in Zeiten von Corona wirklich mal gleich mehrfach Sinn den örtlichen Präsenzbuchhandel zu unterstützen. Sic!
Jeder will für seine Arbeit entlohnt werden. Gern auch fair. #fairtrade ist nicht umsonst in Mode gekommen. Nur gilt das nicht nur für Soja, Kaffee und Teeblätter. Es gilt immer und für alle. Und gerade auch für geistiges Eigentum.
Und ein Buchhandel, der das nicht garantieren kann, hat keine Existenzberechtigung am Markt. Weder wirtschaftlich noch moralisch.
Gerade auch in Zeiten von wegbrechenden Staatseinnahmen ist der damit einhergehende und durch Onlineplattformen begünstigte zusätzliche Steuerbetrug unentschuldbar. Ein regulärer und rechtmäßiger Handel ist arbeitsplatzerhaltend.
Abschließend noch der Witz der Woche: Warum fiel das Ganze überhaupt bei Thalia auf?
Weil der Autor etwas Socialmedia-Werbung für seine Bücher machen und explizit den link zu Thalia setzen wollte. Eben um Thalia mit seinem Präsenzhandel und den dort arbeitenden Mitarbeitern in der Corona-Krise zu unterstützen…
Zumindest ist nun klar, wo der Autor nie wieder einkaufen wird. Sic!
Rechtsbeistand für Autoren:
Kompetenz und Sachverstand gibt in dieser sehr unschönen Situation die Anwaltskanzlei Baumbach et Collegae, (Kaldenkirchener Str. 3, 41063 Mönchengladbach), die zahlreiche der Opfer von WINDSOR vertritt.
Allen Autoren sei dringenst angeraten ihre Autorenrechte an ihren Werken zurückzuholen. Allein schon deshalb, weil WINDSOR über Panama weiterhin die e-Books verkauft… Schöne neue Welt!
Und als Schlusssatz, für all die Autoren, die geschädigt wurden, die sich dem hilflos ausgeliefert fühlen:
Aufgeben ist keine Alternative für mich! Ich kriege die zwei (2!!) Hauptverbrecher aus Deutschland. Diese Einstellung hat für mich eine lange soldatische … Tradition. Sic!
Titelfoto: Yusuf Simsek: „WINDSOR-Verlag im Visier“, www.simsek.ch
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