Berlin – Angesichts der heutigen Vorschläge des Bundesumweltministeriums zum neuen Insektenschutzprogramm fordert der NABU, dass Deutschland grundsätzlich insektenfreundlicher werden muss. Dazu seien ein Umsteuern in der Landwirtschaft notwendig, eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes sowie Schutzgebiete, die ihren Namen verdienen.
„Den Wert von Insekten können wir gar nicht hoch genug einschätzen. 90 Prozent aller Pflanzen sind auf Bestäubung angewiesen. Derzeit aber erleben wir einen alarmierenden Insektenschwund. Und das sowohl bei der Gesamtmasse als auch bei den Arten. Dieser Verlust kann verheerende Folgen haben für Mensch und Natur“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Der NABU begrüßt daher, dass die Bundesregierung erstmals ein spezielles Insektenschutzprogramm plant und Bundesumweltministerin Schulze hierzu einen umfassenden Maßnahmenkatalog erarbeitet. „Die Ursachen für den Insektenrückgang sind komplex, aber die hohe Verantwortung der Landwirtschaft ist bekannt. Nun geht es darum, Lösungen umzusetzen – dabei darf sich keiner wegducken“, forderte Tschimpke. Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen, ebenso sei die Landwirtschaft gefordert, den gefährlichen Trend zu stoppen.
Entscheidend zur Rettung der Insekten ist nach Ansicht des NABU eine naturverträglichere und damit insektenfreundlichere EU-Agrarpolitik. „Mit ihrer jetzigen Subventionspolitik zerstört die EU die Lebensräume von Insekten. Grünland wird zu intensiv genutzt, Brachflächen sind kaum mehr zu finden, Hecken, feuchte Stellen und blütenreiche Wegsäume sucht man vielerorts vergebens“, so Tschimpke.
Die Bundesregierung sei gefordert, jetzt in Brüssel einen Kurswechsel zu erreichen. Derzeit laufen die Verhandlungen für die Förderperiode ab 2021. Für Landwirte müsse es sich dann lohnen, Lebensräume von Insekten zu erhalten. Möglich sei dies durch eine Umschichtung der Gelder in einen neuen EU-Naturschutzfonds, der Landwirten Anreize für Naturschutzmaßnahmen bietet. Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner will allem Anschein nach auch über 2021 hinaus am derzeitigen, umweltschädlichen System festhalten.
Auch national müsse die Bundesregierung schnell handeln. Sofortprogramme und Schutzmaßnahmen für Insekten seien unabdingbar in Anbetracht der chronischen Unterfinanzierung des Naturschutzes in Deutschland. Hierzulande klafft derzeit eine Finanzierungslücke von weit über 50 Prozent. Allein zur Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien werden jährlich 1,4 Milliarden Euro benötigt – zur Verfügung stehen lediglich 540 Millionen Euro.
Zusätzlich fordert der NABU ein besseres Management der Schutzgebiete. Für zahlreiche bedrohte Arten sind sie die letzten Rückzugsräume. Doch selbst hier dürfen häufig Pestizide eingesetzt werden. „Dadurch wird der Schutz der Insekten unterlaufen“, kritisierte der NABU-Präsident. Die Länder müssten strengere Vorgaben für die Schutzgebiete machen. Sinnvoll sei auch der Vorschlag von Bundesumweltministerin Schulze, artenreiches Grünland und Streuobstwiesen zu geschützten Biotopen zu erklären.
Dritter wesentlicher Schritt muss nach Ansicht des NABU eine deutliche Reduzierung des Pestizideinsatzes sein. Die Bundesregierung müsse dazu endlich verpflichtende Reduktionsziele beschließen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass reine Absichtserklärungen – etwa im Nationalen Aktionsprogramm – wirkungslos bleiben. „Wir brauchen auch wieder mehr Regionen, in denen überhaupt keine Pestizide eingesetzt werden“, forderte Tschimpke. Der Einsatz der besonders schädlichen Neonikotinoide sowie vergleichbar wirkender Insektizide und Breitbandherbizide wie Glyphosat müsse komplett verboten werden.
Vollständig pestizidfrei sollten künftig sämtliche Schutzgebiete sein sowie Städte und Gemeinden und der Haus- und Kleingartenbereich. „Auch das Zulassungssystem für Pestizide muss dringend reformiert werden. Wirkstoffe müssen stärker auf ihre Schädlichkeit für die biologische Vielfalt hin überprüft werden. Dafür muss sich Deutschland bei der laufenden Überprüfung der EU-Pestizid-Verordnung einsetzen“, so der NABU-Präsident.
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