Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin (Wiki: HIER) würde anderswo als Self-Made-Man betrachtet werden, so er denn nicht Russe wäre. Zwar nicht vom Tellerwäscher, aber immerhin vom… Koch.
Der Eintrag der Wiki ist erhellend, aber wohl kaum neutral, da dieses Medium letztlich auch gewissen Trends folgt. Den ursprünglichen Kerngedanken der neutralen Wissenssammlung weit hinter sich gelassen hat.
Was aber zu beobachten war und ist, ist die Tatsache, dass der ex-Leibkoch von Putin, der bisherige Vertraute, der den Schutz und das Vertrauen von Putin genoss, nun etwas über das Ziel hinausgeschossen ist.
Prigoschin war der Auskehrer für das Russland Putins und füllte die Lücke in den Fähigkeiten Russlands, die die USA seit dem Vietnamkrieg mit Air-America entdeckt hatten: Kriegführung mit angeblich privaten aber halbstaatlichen Militärverbänden…
Mit der CIA-gestützten Truppe Air-America begann es und setzte sich dann weltweit fort. Eingreiftruppen, Guerilla-Operationen und „militärisches Changemanagement“ OHNE eigene Truppen offiziell eingesetzt zu haben.
Private Sicherheitsdienste, engagiert von Regierungen, senkten das offizielle Interventionslevel, ohne auch nur ansatzweise ein Mandat von der UNO haben zu müssen. Und so ein Mandat vorlag, Rules of Engagement definiert waren (RoE), dann waren solche Truppen eben nicht an sie gebunden. Konnten außerhalb dieser Regeln agieren. So passiert im Irak, Afghanistan und Syrien durch die USA.
Executive Outcome aus Südafrika war in den 90er sehr erfolgreich bei solchen privaten Operationen in Afrika. Beendete den Bürgerkrieg in Sierra Leone und Liberia mit recht… ungewöhnlichen Mitteln und stand dann auf der internationalen Liste derer, die man nicht gern sah. Denn sie arbeite wirklich als Privatunternehmen. Als Söldnertruppe nach rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bekamen für ihre Dienste exklusive Förderrechte an Minen aller Art und Handelsprivilegien. Das störte ungemein.
Seit dieser ertragreichen Zeit, sind solche „Unternehmen“ nun unter staatlicher Obhut. Ohne aus dem Geschäft zu sein. Im Gegenteil. Der Markt boomt. Auch für Konzerne…
So war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Russland diese Möglichkeiten für sich entdeckte.
Mit Gründung der WAGNER PMC (HIER) hat sich Russland eine eigene „Privatarmee“ zugelegt und dann in Syrien und Afrika (Mali) eingesetzt. Erlaubt damit Russland unterhalb der offiziellen Engagementschwelle mitmischen zu können. Sehr zum Verdruss des Westens, der hier bisher allein als „Retter in der Not“ auftrat.
Syrien war für die USA ein Fiasko und nur ein Schatten von dem, was in AFG und IRK passiert ist.
Afrika hat sich den USA entzogen und nun ist die UKR das neue Spielgebiet für beide Seiten.
Doch woher bekommen aktuelle private Söldnertruppen nun ihre Leute? – Von den Streitkräften!
Da werden hunderte und tausende Soldaten jährlich unbezahlt aber mit Rückkehrgarantie beurlaubt, um sehr lukrative Vertrage mit diese Söldnertruppen abzuschließen. Fest umrissene Tätigkeiten im Nachrichtenwesen, der Aufklärung, der Ausbildung und/oder der „allg. Sicherheit“. Gern auch in Kombination.
Der Sold ist gut. Bis zum fünffachen des Normalsoldes! Je nach Funktion, Rang-Stufe, Fähigkeit und Gefahr.
Sollten diese Truppen fallen winken 1A-Lebensversicherungen und eine Null-Statistik bei eigenen Gefallenen. Denn private „Contractors“ zählen nicht zum Truppenumfang. Sie fallen aus der Statistik. Aus jeder Statistik. Auch die für Kriegsverbrechen…
Geheime Verhörlager samt Verhörspezialisten, die es gar nicht geben dürfte? Kein Problem. Das machen unsere Leute nicht, könnte jeder Politiker zu Recht sagen, so er nur offizielle Leute meint.
Unsaubere Säuberungsaktionen, bei der auch mal wirklich Geschirr zerschlagen wird? Kein Problem. Das waren nicht unsere Jungs, sondern vielleicht böse Söldner. Wir untersuchen das und die Medien schweigen, bis es Ergebnisse gibt. Nur gibt es die nie…
So konnten unter dem Deckmantel dieser Söldnerfirmen zahlreiche Operationen durchgeführt werden, wie man sie dann auch im Kino sieht, staunt und mit Spannung genießt. Drogenbosse eliminieren (Das Kartell), Beweise zu Massenvernichtungswaffen verschwinden lassen (Green Zone) oder auch gern mal Air-America an sich zum Film machen. Alles kein Problem. Wir gewöhnten uns daran. Tom Clancy hat hier eine eigene „Genussebene“ mit seinen Büchern geschaffen.
Nur hat der Russe das nun nachgemacht. Soldaten aus allerlei Einheiten zu WAGNER geschickt, die dort unter Vertrag genommen wurden. Spezialisten, Experten und Elitesoldaten. Spezialkräfte / Special Forces , wie es so schön heißt.
Hier mit Masse Häftlinge zu suchen, wie gern berichtet wird, ist Unfug. Kinderschänder, Mörder und Diebe sind in aller Regel schlechte Soldaten, die nicht im urbanen Kampf bestehen. Und diese WAGNER-Truppen haben überall und immer ukrainische Eliteeinheiten aus befestigten Positionen vertrieben. Darüber sollte man gründlich nachdenken, bevor man diese Truppen abschreibt.
Nebenbei: Rekrutierungen von Ex-Militärs in Gefängnissen haben beide Seiten betrieben. Und das ausgiebig. Die UKR gleich nach dem Einmarsch der Russen.
Und eine Sonderoperation gegen die UKR ohne formelle Kriegserklärung bedurfte halt ortsüblicher Milizen, Söldnern und „Freiwilligen“. Russland versucht alles, um aus der Sonderoperation keinen formellen Krieg und damit eine Mobilmachung zu machen. DAS WILL PUTIN NICHT!
Und daher kocht der Krieg dort auf Sparflamme. Man beachte, dass Russland zum Tag des Sieges über Hitlerdeutschland immer noch fähig war in etlichen Städten umfänglich Massenparaden abzuhalten…Das sollte nachdenklich machen!
Dass in diesem Zusammenhang der ex-Koch aber Nicht-Feldherr, der gern mal die Front besucht, auf Dinge stößt, die besser laufen können, ist klar. Die Versorgung könnte besser sein. Die Kampfführung könnte besser sein und das Material war nicht immer zweckmäßig.
Dazu dann das Momentum, wo die staatliche Presse die Wagnerianer zu Helden stilisiert. Der neuen Roten Garde, die in den Schuhen der Kronstädter Marinebrigaden das Land – Mütterchen Russland – verteidigen.
Sie wurden zum Aushängeschild der Ultranationalisten in Russland, die schon vor Monaten gern mal taktische Nuklearsprengköpfe eingesetzt hätten, um das Naziregime in Kiew auszulöschen.
Das hat Putin bisher verhindern können und hat seine Spitzenmilitärs, Schoigu (HIER) und Gerassimov (HIER), mitunter auch ein oder zweimal zu oft ausgebremst, um diplomatisch andere Lösungen im internationalem Raum zu suchen. Beispielsweise BRICS.
Das war beiden mit Sicherheit auch nicht recht, aber sie sind Offiziere und befolgen Befehle. Etwas, was Prigoschin schwer zu fallen scheint. Er sieht sich nun als Retter des Vaterlandes, der Putin vor den unfähigen Offizieren beschützen muss. Weil er nichts begriffen hat.
Das Verteidigungsministerium will bis zum 01.07.23 alle Söldnertruppen selbst und direkt unter Vertrag nehmen. Das WAGNER-Unternehmen also umgehen. De facto mit seiner militärischen Variante auflösen. Nicht so die Logistik- und Unterstützungsteile (z.B. Kantinen ähnlich der US-Firma Supreme in den Einsatzländern) oder seine Medienanstalt. Aber der Koch sah sein Reich schwinden.
Prigoschin wurde bei all seinen bisherigen Eskapaden von Putin gedeckt. Er ließ ihn machen. Doch jetzt ging er zu weit.
Prigoschin zog nach Rostow, besetzte das HQ der 58. Armee und Teile der Stadt mit 300-500(!!!) Mann und hofft darauf, dass Putin einlenkt, weil er Unterstützung von Seiten der Ultranationalisten erhofft.
Er hat vorher weder seine WAGNER-Truppen zusammengezogen noch wirklich Vorbereitungen getätigt. Teile seiner Einheiten werden nun schon direkt aus Moskau bezahlt. Nehmen das Geld des Verteidigungsministeriums, und das hat für satte Lohnaufschläge gesorgt.
So sind seine Einheiten in der Fläche verteilt und das, was er mit nach Rostow genommen hat ist alles, was er noch an loyalen Truppen hat.
Dazu kommt: er will und wird die Front auch nicht schwächen, denn Prigoschin ist Patriot. Und das ohne Abstriche!
Prigoschin hat die Medien nicht hinter sich und keinen Zugang zu ihnen. Putin wird seine Sicht der Dinge ungehindert verbreiten können. Und anders als die westliche Presse propagiert, ist Putin nicht wirklich unbeliebt. Seine Umfragewerte sind auch ohne Zensur um einiges besser als die diverser westlicher Politiker!
Ergo wird dieser Versuch von Prigoschin scheitern. Aber um sicher zu gehen wird nicht umhin können den Härtegrad an der Front hochzufahren, zumal er zu Recht überall 5. Kolonnen im System vermutet. Hier wird sich also auch etwas tun. Und er wird darauf antworten müssen, was den US-Wahlkampf interessant werden lassen dürfte.
Zurück nach Rom. Es gab in der Kaiserzeit viele Feldherrn, die sich ihrer Truppen sicher waren, bis sie nahe an Rom herankamen und kaiserliche Boten mit viel Geld in der Tasche anfingen mit Gold um sich zu werfen.
Nicht umsonst bezogen die Prätorianer den dreifachen Sold und wurden bei „Wechseln“ immer reichlich bedacht. Nicht umsonst war die germanische Ubier-Garde die Leibwache des Kaisers innerhalb der Garde…
Rom erkannte, dass Söldnertruppen niemals wirklich treu waren. Wohl aber gierig genug dem zu folgen, der das meiste Geld hatte.
Prigoschin hat nicht so viel Geld wie der Kreml. Er ist ein Koch mit einem Napoleon-Komplex, den man ihn ausleben ließ, bis er glaubte der Retter des Vaterlandes zu sein, der seinen Mentor Putin, vor der blöden Generalität schützen muss.
Er hat seinen Mentor nie verstanden. Politik nicht verstanden. Und auch internationale Notwendigkeiten gegenüber Bündnispartnern nie verstanden.
Er hätte bei seinem Kochlöffel bleiben sollen. Aber zumindest könnte die Gefängnisküche nun besser werden…
Dazu auch:
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