Waffeneinsatz ohne Gefahr: Die Geschichte der unbemannten Waffen

Estimated read time 10 min read
[metaslider id=10234]

 

 

 

Die Idee einen Gegner zu schaden oder zu töten, ohne dass dieser auch nur die Chance hat den Angreifer selbst zu schaden ist so alt wie die Idee überhaupt Krieg zu führen.
Tapferkeit ist die Fähigkeit seine Angst zu überwinden, und Angst ist ein starker Antrieb. Darum ist es prinzipiell nicht feige nach Möglichkeiten zu suchen, Gegner zu bekämpfen ohne selbst in Gefahr zu kommen. Das ist eher als logisch anzusehen und folgt dem Gedanken, dass Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist.

Wiki: US Medal of Honor: „auffallend durch Tapferkeit und Furchtlosigkeit bei Lebensgefahr weit über die Pflichterfüllung hinaus im Gefecht gegen einen Feind der Vereinigten Staaten“

Dieser Spruch wird aber gern von richtigen Feigligen missbraucht, die per se nicht in der Lage sind ihre Angst zu überwinden. Vor was und wo auch immer.
Die gern mal in der U-Bahn sitzen bleiben und Vorsicht walten lassen, wenn Frauen und Mädchen angegangen werden. Solche Gestalten der vorsichtigen Zunft sind hier ausdrücklich nicht gemeint.

Wohl aber Männer und Frauen, die durchaus bereit sind ihr Leben zu opfern, aber die Einsicht und das Verständnis mitbringen kein Kanonenfutter sein zu wollen. Oder sein zu müssen, was ein Unterschied ist. Denn so manche militärisch notwendige Aktion kann mitunter Opfer bedingen.

 

Diese aber möglichst klein zu halten, zumindest auf der eigenen Seite, ist das vornehmste Ziel eines jeden militärischen Führers. Auf jeder Seite seit Anbeginn der Zeit. Kein Feldherr stand jemals vollkommen gefühllos seinen Soldaten gegenüber, der den Titel Feldherr verdient hat.

General Patton jr. sagte einmal sinngemäß, dass es keinen Sinn macht tapfer zu sterben sondern es nur sinnhaft ist dafür zu sorgen, dass möglichst viele Gegner tapfer sterben. Das trifft so ziemlich die Idee, ohne Gefahr für das eigene Leib und Leben Gegner sterben zu lassen.

Schlacht von Cresy 1346 in der 20-25.000 Ritter gegen 10-12.000 englische Bogenschützen verloren

Erste Erfolge dieser Idee waren in den Abstandswaffen zu suchen. Speere waren wohl die ersten Waffen Gegnern zu schaden, ohne dass diese auf Nahkampfentfernung herankommen konnten. Es galt den Gegner auf der Entfernung zu treffen. Doch beim schweren Speer, war dem Wurf leicht auszuweichen, so er denn nicht Massen, wie von römischen Legionären geworfen, auftrat. Er war schlicht zu langsam, auch wenn er dann auch im Nahkampf durchaus Gegner auf Abstand halten und töten konnte.
Letzteres hatte Alexander der Große mit der mazedonischen Phalanx und den fast sechs Meter langen Lanzen perfektioniert (HIER).

Und an dieser Stelle traten dann Schleuderer und Bogenschützen auf den Plan, die zwar nur leichte Geschosse aber über weite Entfernungen in schneller Abfolge verschießen konnten.
Etwas, was selbst geschützte, gutgepanzerte und berittene Gegner empfindlich stören konnte, wie die französischen Ritter 1346 bei Crécy (HIER) schmerzhaft erfahren mussten, wo der halbe französische Adel durch englische Langbogenschützen ausgelöscht wurde.

Die Schusswaffen folgten nur dieser Idee, waren also nichts wirklich Neues. Überhaupt war dieses Denken davon beflügelt über weitreichendere Waffen zu verfügen als der Gegner. Ihn außerhalb seiner eigenen Reichweite zu bekämpfen. Etwas, was gerade bei den Seestreitkräften der Welt zunehmend eine Rolle spielte und letztlich zum Flugzeugträger wurde.

Auch die Luftwaffe war dieser Idee geschuldet den Gegner da treffen zu können, wo er noch nicht auf die eigen Kräfte wirken konnte oder seine Nachschubbasen und Produktionsstandorte zu treffen.
So konnten zum Beispiel Zeppeline im ersten Weltkrieg in Höhen operieren und englische Städte treffen, ohne dass man sie selbst erreichen konnte.

1759 Angriff französischer Brander gegen ankernde britische Schiffe vor Quebec

Im Seekrieg spielten sogenannte Brander eine entscheidende Rolle. Brander waren kleinere Schiffe, die mit Teer und anderen brennbaren Materialien vollgestopft waren und unter Segeln auf feindliche Schiffe gesteuert wurden. Vorwiegend gegen ankernde Schiffe im Hafen. Kurz vor dem Zusammenprall wurden diese Schiffe in Brand gesteckt, das Ruder festgezurrt und die Besatzung ging von Bord, während das brennende Schiff auf den Gegner zutrieb, sich dort verhakte und den Gegner mit in Brand setzte.
So reduzierte die Englische Flotte die schon angeschlagene spanische Armada (HIER) im Hafen von Calais 1588.

 

Doch erst mit der Entwicklung von Funk und damit einhergehenden Fernsteuerungen ließen sich Waffen konzipieren, die ohne Gefährdung der sie einsetzenden eigenen Truppen auskam.

 

 

Hier ein paar Beispiele für solche Entwicklungen im Zweiten Weltkrieg:

Goliath

Der Goliath war ein zumeist elektrisch angeriebener deutscher Kleinstpanzer, der als Ladungsträger bezeichnet wurde. Er trug eine Sprengladung von 50kg, war drahtgelenkt und Vorreiter einer ganzen Familie solcher Kleinstpanzer, die gegen Befestigungen eingesetzt werden konnten. Insgesamt wurden allein vom Goliath insg. fast 7900 Stück gebaut.

 

Mistel

Quelle: Wiki – Mistel-2-Gespann 1945 in Berneburg

Das deutsche System Mistel (HIER), bestand aus zwei miteinander verbundenen Flugzeugen, wovon eines das Steuerflugzeug und das andere der Ladungsträger war.

Meist bestand es aus einem Jagdflugzeug Focke-Wulf 190 oder Messerschmidt 109 und einer Junkers 88.
Beide hoben zusammen und miteinander verbunden ab, flogen zum Ziel und das Gespann nahm direkten Kurs auf das meist stationäre Ziel (z.B.: Brücke, Depot, Hafen,…). Nach dem Zielanflug klinkte das Führungsflugzeug den Ladungsträger aus, der dann mit seiner tonnenschweren Sprengladung von Führungsflugzeug ferngesteuert weiterflog und das Ziel bekämpfte.
Dieses Huckpack-System war wohl der erste flugzeuggestützte Einsatz von einem Vorläufer des Marschflugkörpers in der Kriegsgeschichte.

 

V1/V2

Die von Wernher von Braun erdachten und konstruierten Flugkörper waren die ersten voll einsatzfähigen Marschflugkörper (V1/Fissler 103) und ballistischen Raketen (V2/Aggregat 4), die nach dem Start autonom und ohne weiteren menschlichen Einsatz ihre Ziele bekämpften.

Bundesfilmarchiv: V1 vor dem Start
Aus guter Deckung wird “V1” an die Abschußstelle gerollt. 

Sie waren die ersten voll funktionsfähigen Waffen, die über große Entfernungen autonom Ziele bekämpfen konnten, wenn auch ihre Treffgenauigkeit überaus ungenau war.
Die V1 wurde im Zweiten Weltkrieg auch von Bombern (Heinkel 111) aus abgeworfen/abgefeuert, was die Reichweite noch einmal deutlich erhöht hat.

Im zweiten Weltkrieg wurden diese Waffen in Serie gefertigt. 12.000 V1 und 3.200 V2 wurden abgefeuert und mehrere tausend erbeutet oder im Vorfeld des Einsatzes zerstört.

Es gab Pläne V1 und V2 auch von U-Booten aus abzufeuern, was aber Mangels Ressourcen fallengelassen wurde. Die hierfür aber gemachen vorbereitenden Entwicklungen beflügelten die spätere Entwicklung der U-Boot-gestützten ballistischen Raketen erheblich.
Das von Wernher von Braun angedachte Aggregat 9 sollte eine mehrstufige Trägerrakete werden, deren Einsatzziel eigentlich der Weltraum bzw. der Weg zum Mond war, dem NS-Regime aber als „Amerika-Rakete“ verkauft wurde.

Bis Mitte der 60er Jahre basieren alle weiteren (Folge-)Entwicklungen auf Basis dieser beiden Pläne; unabhängig ob in den USA oder UdSSR entwickelt.


Fritz X

Diverse Gleit- und Flugbomben im Vergleich zur Ardo 234 Blitz

Diese 1400kg schwere Flugbombe war die erste funktionieren steuerbare Gleitbombe, die von Flugzeugen weit außerhalb der Flugabwehr abgeworfen und dann im freien Fall aufs Ziel gesteuert werden konnte.
Der Einsatz erfolgte gegen stark befestigte oder schwer gepanzerte Ziele mit schwerer Luftverteidigung.

Der erste erfolgreiche Einsatz erfolgte 1944 gegen die italienische Flotte, die klammheimlich die Seiten wechselte und ihre Flotte nach Malta zur Kapitulation verbringen wollten.
Ihr Flaggschiff, das moderne Schlachtschiff Roma, wurde von einer dieser Bomben getroffen.
Die Reichweite war aber konstruktionsbedingt überschaubar.

 

Henschel Hs293/298

Museum Prag: Fritz X (li) und Hs 293 (re)

Diese deutsche Waffe war die erste funkgesteuerte Abstandswaffe, die das Wort Fernlenkwaffe verdiente (HIER). Zum Einsatz kam sie u.a. gegen die US-Seelandung bei Anzio und gegen die italienische Flotte. Auch gegen die stark verteidigte Brücke von Remagen kamen diese Lenkwaffen zum Einsatz.
Der erste Einsatz der Weiterentwicklung Hs298 erfolge am 22.12.1944 von einer Ju-88 und die Konstruktionsreichweite betrug bis zu 1600km. Alle 135 noch produzierten und gelagerten Waffen wurden bei einem Luftangriff auf die Produktionsstätte zerstört.
Weitere Entwicklungen für flugzeuggestützte Abstandswaffen waren z.B. Hs117 Schmetterling (32km Reichweite) oder X7 Rotkäppchen (1200m Reichweite).

 

Flugabwehrraketen

Mit den zunehmend immer stärker werdenden Bomberströmen samt ihres immer stärkeren Jagdschutzes wurden funkgesteuerte Flak-Raketen entwickelt. Enzian (Reichweite 24km und 16000m Flughöhe), Feuerlilie (Reichweite bis 8km und 9000m Flughöhe und Rheintochter (Reichweite bis 40km und Flughöhe bis 15.000m) waren in der Erprobung, kamen aber nicht mehr zum Einsatz.

Aus ihnen gingen die FlaRak-Entwicklungen der Nachkriegszeit hervor.
Auf der Basis der A4 sollte gegen Kriegsende auch eine Flugabwehrrakete EMW2 Wasserfall entwickelt und mit 900 Einheiten pro Monat unterirdisch in Bleicherode produziert werden.

Diese Entwicklungen von sehr teuren aber treffgenauen Raketen sollte das Munitionsproblem bei der kanonengeschützten Flugabwehr beheben. Je nach Kaliber waren zwischen 4000 und 12000 Schuss nötig, um einen Bomber abzuschießen, während auch die Abfangjäger selbst (sog. Rechsverteidigung mit 89% Verlustrate) immer weniger eine Chance gegen die Jagdabwehr der Bomberverbände hatte.
Hier wurde zum ersten Mal der Schritt weg von billigen Massenwaffen hin zu zu teuren Präzisionswaffen gegangen, der bis dato anhält.

Soldatenfriedhof Ittenbach

Inzwischen wurden all die o.g. Entwicklungen des zweiten Weltkriegs, die teilweise aus purer Not heraus erfunden wurden, weiterentwickelt, perfektioniert und sind aus der modernen Kriegführung nicht mehr weg zu denken.

Vornehmlich auch, weil ferngelenkte und/oder autonome Waffensysteme die eigenen Verluste reduzieren. Heute sind Verluste von 1200 Mann pro Tag, wie sie an der Ostfront anno 1944-45 normal waren, politisch nicht mehr „vermittelbar“.
Daher liegt der Schwerpunkt heutiger Waffensysteme auf gut getarnten Abstandswaffen, die ferngelenkt, satellitengesteuert und/oder autonom gegen Feinde agieren, die zum Teil noch nicht einmal wissen, dass solche Waffen über ihnen sind. Und das ohne eigene Truppen zu gefährden.

Der Trend geht in Richtung von land-, see, oder luftgestützten völlig autonomen KI-gesteuerten Systemen, die den Menschen an sich und als Bediener überflüssig machen.

Wiki: SWORDS – autonomes Waffensystem

Mit dem Einsatz von KI gesteuerten und/oder geführten Waffensystemen wird es erstmals möglich werden Kriege ohne menschliche Beteiligung zu führen. Den Soldat an sich überflüssig zu machen und auf die Rolle eines Bedieners oder Entscheidungsträgers zu reduzieren.

Soldatische Tugenden wie Tapferkeit oder Opferbereitschaft werden damit überflüssig und in ihrer Bedeutung durch Nullen und Einsen in der binären Entscheidungsfindung reduziert. Wo dann Skrupel, Kaltblütigkeit und/oder Mitleid genau der gleichen programmierten Logik unterliegen wie eben auch der Einsatz an sich.
Wo auf dem Schlachtfeld von einst letztlich immer noch der Mensch entschied was er wann und wie gegen wen einzusetzen bereit war, ist ihm diese Entscheidung in Zukunft möglicherweise nun abgenommen.
Während in den 60er bis zu 30% der Startcrews für die Interkontinentalraketen womöglich den Einsatzbefehl für den Atomangriff abgelehnt hätten und im Zweiten Weltkrieg bis zu 60 Prozent der Soldaten skrupelbedingt “mehr schlecht als recht” auf den Feind feuerten, dürfte sich dieses Verhältnis nun ändern.
Der Waffeneinsatz folgt nun ausschließlich der Programmierung abseits individueller Moral und Ethik, was weitreichende Folgen haben sollte.

 

Auch ein Punkt, wo wir im Rahmen der sog. und gefeierten Digitalisierung einmal flächendeckend und nicht nur militärisch gesehen genauer hinsehen sollten.  – SIC!

 

 

 

 

[metaslider id=20815]

 

 

 

More From Author

+ There are no comments

Add yours