NABU: Für eine neue, naturverträgliche EU-Agrarpolitik

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NABU – „Angesichts schwindender Akzeptanz bei den Steuerzahlern bieten die derzeit laufenden Verhandlungen zur GAP 2021 bis 2027 wohl die letzte Chance auf einen ökologischen und gleichzeitig sozialverträglichen Wandel der Agrarpolitik. Noch lässt sich der notwendige Übergang mit einem ausreichend großen Budget für Anreize und Umstellungshilfen gestalten.“

Derzeit verfügt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) über ein jährliches Budget von 58 Milliarden Euro – das entspricht 114 Euro Steuergeld pro EU-Bürgerin und EU-Bürger. Trotzdem ist die GAP seit Jahrzehnten nicht in der Lage, den vielfach belegten dramatischen Rückgang an Tier- und Pflanzenarten aufzuhalten. Ein viel zu geringer Anteil des GAP-Budgets fließt in finanzielle Anreize für Naturschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft.

Die GAP belohnt stattdessen eine immer intensivere Bewirtschaftung. In ganz Europa ist die Landwirtschaft dadurch zur Hauptursache für den Rückgang von Insekten, Vögeln und der Biodiversität insgesamt geworden. Pestizide, übermäßige Düngung und die Vernichtung von Landschaftsstrukturen belasten Artenvielfalt, Gewässer, Böden, Luft und Klima immer stärker. Dies bedroht unsere Ernährung, Gesundheit, Wirtschaft und Wohlstand.

Unzählige Studien belegen zudem auch das sozio-ökonomische Versagen der GAP. Die Rahmenbedingungen zwingen Landwirte in einen Wettbewerb von „Masse statt Klasse“, den viele Betriebe auf Dauer nicht mitmachen können oder wollen. Das System der pauschalen Flächenprämien nutzt vor allem Großbetrieben, Grundbesitzern und denjenigen, die Produkte für die intensive Agrarwirtschaft herstellen bzw. mit ihnen handeln. Die GAP versagt zudem bei der Bildung von fairen Preisen, die die Umweltbilanz der erzeugten Lebensmittel abbilden.

Angesichts schwindender Akzeptanz bei den Steuerzahlern bieten die derzeit laufenden Verhandlungen zur GAP 2021 bis 2027 wohl die letzte Chance auf einen ökologischen und gleichzeitig sozialverträglichen Wandel der Agrarpolitik. Noch lässt sich der notwendige Übergang mit einem ausreichend großen Budget für Anreize und Umstellungshilfen gestalten. Wird diese Chance wegen der Lobbymacht der Agrarindustrie verpasst, drohen neben weiteren Umweltschäden auch sehr schmerzhafte Veränderungen für Landwirte. Pestizidverbote, gerichtlich erzwungene Einschränkung von Düngung oder Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission im Naturschutzbereich werden letztlich einen Wandel erzwingen – dann allerdings auf dem Rücken der Betriebe und in vielen Fällen zu spät für Feldlerche, Insekten und Hamster.

Forderungen des NABU an die Bundesregierung vor dem EU-Agrarministerrat

Der Bundesregierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einem Wandel der Agrarpolitik und einer bedarfsgerechten EU-Naturschutzfinanzierung bekannt hat, kommt bei den laufenden GAP- Verhandlungen eine entscheidende Verantwortung zu. Der NABU fordert daher Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner dazu auf, sich beim EU-Agrarministerrat am 19./20. November 2018 und bei allen folgenden Ratssitzungen und Verhandlungen unmissverständlich für eine naturverträgliche GAP einzusetzen.

Insbesondere muss die Bundesregierung auf EU-Ebene folgende Punkte durchsetzen:

Eine gemäß Koalitionsvertrag verbesserte EU-Naturschutzfinanzierung, die dem Bedarf von Natura 2000 gerecht wird. Hierfür müssen auf EU-Ebene 15 Milliarden Euro GAP-Mittel jährlich für die Honorierung von Naturschutzleistungen von Landwirten verbindlich zweckgebunden werden. Die Ausgestaltung dieses „Naturschutzfonds“ muss im Einvernehmen mit den entsprechenden Fachbehörden und den Zielen der EU-Naturschutzrichtlinien erfolgen. Die Mittel können sowohl in Form von „Ecoschemes“ als auch als Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen vergeben werden, welche ihrerseits jeweils mit Mindestbudgets von 50 Prozent der „Ersten“ beziehungsweise „Zweiten Säule“ ausgestattet werden müssen.

Verschärfte Umweltanforderungen als Bedingung für den Erhalt jeglicher Agrarsubventionen, unter anderem die Bereitstellung von zehn Prozent der Acker- und Sonderkulturflächen als nicht-produktive „Ökologische Vorrangflächen“. Diese müssen einen besonders hohen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft leisten und frei von Pestizid- und Düngemitteleinsatz sein. Zu den Grundanforderungen müssen auch mindestens die derzeit von der EU-Kommission vorgeschlagenen Anforderungen bezüglich Grünlanderhalt und Fruchtfolge sowie von „Cross-Compliance“ und „Gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ)“ zählen. Eine Verschiebung dieser Anforderungen in die Freiwilligkeit ist im Sinne der Umweltbilanz der GAP strikt abzulehnen.

Die derzeitigen pauschalen Flächenprämien sind schnellstmöglich in gezielte Anreize und Umstellungshilfen umzuwandeln. Als erster Schritt müssen mindestens 50 Prozent der derzeitigen „Ersten Säule“ für sogenannte Eco-Schemes zweckgebunden werden. Die „Zweite Säule“ darf nicht, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, überproportional gekürzt sondern muss erheblich gestärkt werden – sowohl auch EU-Ebene als auch durch mögliche Umschichtungen der Mitgliedstaaten.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Kürzungen im Agrarbudget des EU-Haushalts dürfen keinesfalls als Begründung für gleich bleibende oder gar geringere Anforderungen an die Landwirtschaft im Umwelt- und Ressourcenschutz dienen. Dem dramatischen Artensterben in der Agrarlandschaft kann nur durch ambitioniertere, auf EU-Ebene für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindlich fixierte Umweltanforderungen begegnet werden – unabhängig vom Budget. Ansonsten droht die Akzeptanz der Agrarförderung vollends verloren zu gehen.

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