Friedhof am Meer

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St. Severins Pastorin Susanne Zingel
©Sylt Marketing

Keitum gilt als das Kapitänsdorf der Insel Sylt. Die alten Grabsteine auf dem Friedhof von St. Severin erzählen von Heimat und Ferne, von Liebe und Verlust und denjenigen, die all das durchlebten: die Sylter Seefahrer und ihre Familien.

Beschützt von einem Wall, behütet von alten Bäumen und bewacht von einem mächtigen Turm liegt der Friedhof von St. Severin auf einer Anhöhe über dem Meer. „Das Wattenmeer kann mit seiner immer gleichen Abfolge von Ebbe und Flut zum Sinnbild des schwindenden und des wiederkehrenden Lebens werden“, sagt Pastorin Susanne Zingel. Davon können auch die beeindruckenden Grabsteine erzählen. Die ältesten aus dem 17. Jahrhundert sind um die Apsis der Kirche, dem halbkreisförmigen Gewölbe am hinteren Teil der Kirche, zusammengetragen, die größten und die wohl interessantesten Grabplatten stehen nördlich der Kirche an einen Wall gelehnt. Sie sind aufwendig bearbeitet und schön verziert. „Manche berichten vom Leben wohlhabender Keitumer Familien, darunter auch Seefahrer und Kapitäne“, sagt Pastorin Zingel. Damals fuhren die Sylter Männer zur See, heuerten auf großen Walfangschiffen an. Das brachte mitunter Wohlstand, aber auch viele Schicksalsschläge – wie die Inschriften auf den Grabsteinen bezeugen. Albert Jansen verunglückte vor Kap Hoorn, Ingwer Petersen starb 1843 im Sturm vor Brasilien, Peter Erken Klein ertrank 1804 auf dem Rückweg von Surinam nach Holland. Und mancher Sylter Seefahrer kam auf der Fahrt vom nahen dänischen Hoyer ums Leben – nachdem er es schon aus Batavia/Indonesien heil nach Holland geschafft hatte.

„Ein Grabstein ist ein besonderes Schmuckstück“, sagt Susanne Zingel und zeigt auf die Grabplatte von Inken und Uwe Peters.
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„Ein Grabstein ist ein besonderes Schmuckstück“, sagt Susanne Zingel und zeigt auf die Grabplatte von Inken und Uwe Peters. 1,8 mal 1,2 Meter mächtig, aus Kalksandstein, mit einem Bild der Geschichte: Im unteren Teil ist ein Dreimaster dargestellt, rechts vor dem Bug des Segelschiffes speit ein Wal eine Wasserfontäne. Und darüber sind Haie, die nach fliegenden Fischen schnappen. Auffällig ist, dass Sonne und Mond gleichzeitig dargestellt sind, was in der Arktis tatsächlich der Fall sein kann. Dorthin, in die Gewässer vor Grönland und Spitzbergen, fuhren auch Sylter Seefahrer. Als einfache Decksjungen begannen sie und manch ein Nordfriese brachte es zum Kommandeur. Einige kamen zu Reichtum, viele fanden den Tod. Indes: Uwe Peters kehrte heim und starb in Keitum, kam nicht um auf See, wie viele andere. Er wurde auch nicht von Piraten entführt und auf einem Sklavenmarkt in Nordafrika verkauft. „…ich ruhe jetzt in Frieden Bey mein Schatz in der Erd (…) Mein Schiff stößt an kein Strand. Ich bin nun angekommen…“ So lautet die Inschrift von 1811.

Einer der erfolgreichsten Walfänger der Insel war wohl Hans Hansen Teunis (1746 – 1803), er fuhr bereits als Neunjähriger zur See. Pastorin Zingel führt zu einem Ensemble von Grabsteinen und –platten. Dort steht geschrieben: „…In seiner frühen Jugend wurde er zur Grönländischen-Seefahrt angeführt (…) 47 Reisen davon 37 als Commandeur und die mehresten mit glücklichem Erfolg gethan.“ Auch Hans Hansen Teunis starb an Land, in Altona. Drei seiner Söhne aber blieben auf See – auf der Rückreise vor Grönland, bei einer Havarie vor Island, während eines Orkans in der Nordsee, so steht es in den Chroniken.

Doch die Geschichten der Toten auf diesem Friedhof enden nicht mit den Grönlandfahrern. Die Historie ist näher, und sie ist mahnender: Susanne Zingel geht zur Wattseite und bleibt vor einem weiteren ungewöhnlichen Grabstein stehen: Was aussieht wie ein Vulkanausbruch, stellt ein Biike-Feuer dar. Unter diesem Stein ruht die Asche des Keitumer Dichters Jens Emil Mungard. Er verspottete in einigen Gedichten nicht nur die Nationalsozialisten, sondern „…

Viele Seefahrer kehrten nicht mehr in ihre Heimat zurück.
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er weigerte sich auch, seine Gedichte vom Friesischen ins Deutsche zu übertragen. Er wurde von den Nazis verfolgt und im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet“, sagt Susanne Zingel. „Harki Got, Dö Rogt, Wik Nomen“ – Ehre Gott, Tue Recht, Weiche niemandem – so steht es auf seinem Stein geschrieben.

Weitere Informationen im Buch „Friedhof am Meer – der St.-Severin-Kirchhof in Keitum und der Tod auf Sylt“. Susanne Zingel bietet auch Führungen an. Daten, Zeiten und Details gibt es im Keitumer Gemeindebüro oder im Internet auf www.st-severin.de und www.sylt.de.


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