„Deutlich überzogen und nicht generationengerecht“

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Tarifrunde für rund 45.000 Landesbeschäftigte hat in Wiesbaden begonnen

Wiesbaden. In Wiesbaden hat die Tarifrunde 2021 für die rund 45.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Hessen begonnen. Die Verhandlungsführer der Gewerkschaften Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Beamtenbund und Tarifunion (dbb), Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) trafen hierzu auf den Verhandlungsführer des Landes Hessen, Innenminister Peter Beuth, im Hessischen Innenministerium. Kernforderung von Gewerkschaftsseite ist eine Entgelterhöhung von fünf Prozent mehr Gehalt für ein Jahr, mindestens 175 Euro (Oktober 2021 bis September 2022).

Der Hessische Innenminister dankte zunächst den Landesbediensteten für ihren „herausragenden Einsatz“ während der Corona-Pandemie. „Unsere Auszubildenden, Angestellten und Beamten haben verlässlich und mit großem Engagement ihren wichtigen Dienst zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger erfüllt. Dafür danke ich Ihnen im Namen der Hessischen Landesregierung“, so Peter Beuth. Dem berechtigten Anliegen der Gewerkschaften nach höheren Bezügen könne das Land in der geforderten Höhe aber beim besten Willen nicht nachkommen.

„Dank gezielter Wirtschaftshilfen und einer Haushaltspolitik mit Augenmaß ist das Land Hessen stabil durch die Pandemie gekommen. Der Staat und seine Bediensteten sind in der größten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs gleichwohl in der Pflicht, diesen Kurs beizubehalten. Die Forderungen der Gewerkschaften sind nicht generationengerecht und angesichts einer bundesweit angespannten Wirtschafts- und Finanzlage deutlich überzogen. Zusammen mit der – gleichfalls geforderten – Übertragung auf den Beamtenbereich würde sich die Summe aller Gewerkschaftsforderungen auf mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Wir wollen zu einem ordentlichen Ergebnis für unsere Landesbeschäftigten kommen, dafür müssen wir aber erst einmal eine realistische Verhandlungsbasis finden. Denn die Corona-Krise ist nach wie vor sehr real, wir können diese Krise und ihre Auswirkungen auf die Staatsfinanzen bei der Frage nach einer fairen Bezahlung unserer Beschäftigten nicht einfach ausklammern“, sagte der Innenminister.  

Im vergangenen Jahr mussten angesichts der Corona-Pandemie 2,3 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden, um wichtige Investitionen im Landeshaushalt zu ermöglichen. Zudem wird das Land Hessen nach der aktuellen Steuerschätzung infolge der Pandemie von 2020 bis 2024 rund 6,3 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen haben. Aufgrund dieser Situation sei eine Steigerung der Personalkosten in dem von den Gewerkschaften geforderten Ausmaß gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht verantwortbar, erläuterte Peter Beuth. „Nicht zuletzt ist es kaum nachvollziehbar, dass die Verhandlungsführer erneut keine Verlängerung des LandesTickets fordern. Es ist bei unseren Landesbediensteten sehr beliebt und bietet einen echten Mehrwert für aktuelle und künftige Beschäftigte“, so Peter Beuth.  

Die Tarifverhandlungen wurden heute in Wiesbaden aufgenommen. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 27. September 2021 auf Fachebene geplant. Je nach Verlauf der Gespräche könnte eine Abschlussrunde bereits Mitte Oktober in Dietzenbach erfolgen.

 

Hintergrund zum Hessentarif:

Tarifbeschäftigte des Landes Hessen profitieren von einer Reihe von kinderfreundlichen und leistungsorientierten Regelungen, die im sogenannten „Hessentarif“ verankert sind. Viele dieser Regelungen dienen auch der Fachkräftegewinnung und -bindung, damit das Land Hessen im Wettbewerb um die besten Köpfe auch in Zukunft beste Rahmenbedingungen bieten kann. Insgesamt bietet der „Hessentarif“ mehr als 150 Abweichungen, die es bei der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nicht gibt und ohne den Austritt des Landes aus der TdL auch nicht geben würde.

 

Hierzu einige Beispiele:

 

Hessentarif TdL-Recht
Hessen hat nicht wie die TdL den kinderbezogenen Zuschlag für Neubeschäftigte einfach gestrichen, sondern mit den Gewerkschaften die Einführung einer Kinderzulage gem. § 23a TV-H vereinbart. Nur in Hessen erhalten die Tarifbeschäftigten und Auszubildenden pro Kind und Monat eine Zulage von 100 Euro und ab dem dritten Kind sogar von über 150 Euro, d.h.:

  1. Kind: 100 Euro
  2. Kinder: 200 Euro
  3. Kinder: über 350 Euro
  1. Kind:     0 Euro
  2. Kinder: 0 Euro
  3. Kinder: 0 Euro

 

 

 

 

Damit sich Leistung und Erfahrung für die Tarifbeschäftigten des Landes noch mehr lohnen als bisher, wurde – und dies gibt es im Länderbereich nur in Hessen – die stufengleiche Höhergruppierung gem. § 17 Absatz 4 TV-H eingeführt. Dadurch verlieren engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr Verantwortung übernehmen und deshalb befördert werden, nun nicht mehr ihre Erfahrungsstufe. Vielmehr profitieren die hessischen Beschäftigten uneingeschränkt von ihrer Beförderung. Leistung lohnt sich damit in Hessen mehr als in den anderen Ländern. Vielfach dauerhafter Verlust der Erfahrungsstufe. Außerdem wird bei einer Beförderung der Erhöhungsbetrag auf 100 Euro in den unteren und mittleren Entgeltgruppen sowie 180 Euro in den oberen Entgeltgruppen begrenzt.

 

 

 

Zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften wurde mit den Gewerkschaften eine Fachkräftezulage gem. § 18 TV-H für Ärzte, Ingenieure und Beschäftigte in der IT-Technik vereinbart. Diese Zulage kann bis zu rund 1.000 Euro im Monat betragen.  

 

Mit dem LandesTicket Hessen nach dem TV LandesTicket Hessen können die Tarifbeschäftigten und Auszubildenden des Landes Hessen seit 2018 aufgrund einer bundesweit einmaligen tarifvertraglichen Regelung die Leistungen des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs im gesamten Bereich des Landes Hessen nutzen, unabhängig von der Strecke Wohnort-Dienstort und einschließlich diverser Mitnahmemöglichkeiten für Angehörige.  

 

 

 

 

In Hessen wird das ehrenamtliche Engagement in all seinen Facetten dergestalt unterstützt und anerkannt, dass die Tarifbeschäftigten des Landes, die Inhaber einer Ehrenamts- oder einer Jugendleiter-Card sind, einen Freizeitausgleich gem. § 29a TV-H von einem Arbeitstag pro Kalenderjahr unter Fort­zah­lung des Entgelts erhalten.  

 

 

Tarifrunde Hessen 2019: Eigenes hessenspezifisches Eingruppierungsrecht für IT-Kräfte und Ingenieure, das mit den betroffenen Ressorts bedarfsspezifisch entwickelt wurde. Dieses Eingruppierungsrecht ermöglicht im öffentlichen Dienst eine bundesweite Vorreiterrolle des Landes Hessen Tarifrunde TdL 2019: IT-Kräfte lediglich etwas verbessert, Ingenieure nicht verbessert.
   
   

 


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