Der Spruch vom umso schwereren Spiel nach dem (Pokal-)Triumph, gerade gegen einen vermeintlichen Außenseiter, bewahrheitete sich einmal mehr. Mit einer grandiosen Energieleistung und mit sensationeller Hilfe der eigenen Fans im Rücken biss sich die MT Melsungen dennoch zum 26:25 (11:11) über die Eulen Ludwigshafen regelrecht durch. Wobei die Gäste sich keinesfalls wie ein Abstiegskandidat präsentierten und nicht unverdient über weite Strecken der Partie sogar in Führung lagen. Mit je fünf Toren waren Kai Häfner und Marino Maric am Ende die erfolgreichsten Melsunger Schützen. Das glückliche Siegtor erzielte Julius Kühn per Freiwurf praktisch mit dem Schlusspfiff. Für die Eulen traf Jonathan Scholz sechs Mal.
Ohne Lasse Mikkelsen, dafür mit Domagoj Pavlovic auf der Spielmacherposition, starteten die Gastgeber ins Spiel. Sonst allerdings änderte Trainer Heiko Grimm nichts an der erfolgreichen Pokal-Startaufstellung. Ein Zeichen, dass der Gegner keinesfalls unterschätzt werden sollte. Was am konzentrierten Spiel der ersten Minuten durchaus zu erkennen war. Sowohl vorn, wo Michael Allendorf per Siebenmeter nach Foul an Marino Maric sowie Kai Häfner für eine schnelle 2:0-Führung (4.) sorgten, als auch in der Deckung, die nur wenig zuließ. Woran sich bis zum 4:2 (9.), wieder durch Allendorf von der Linie nach prima Einsatz von Maric, nichts änderte.
Dann jedoch schlichen sich erste Fehler ein, die von den Eulen eiskalt genutzt wurden. Erst von Jonathan Scholz über die erste Welle zum Ausgleich, dann durch Dominik Mappes sogar zum 4:5 (11.). Zwar holten Häfner und Allendorf mit seinem dritten erfolgreichen Versuch von der Linie den Vorteil kurzzeitig zurück, doch beim vierten Strafwurf des MT-Linksaußen blieb Gorazd Skof der Sieger und leistete damit die effektvolle Vorarbeit für Jerome Müller und Azat Valiullin, die sogar ein 6:8 auf die Anzeigetafel brachten (19.).
Wie schon am Dienstag gegen die Füchse war es wieder die Hereinnahme von Timm Schneider, die mehr Bewegung brachte. Der zog gleich zwei Zeitstrafen innerhalb kurzer Zeit, wobei er beim zweiten Foulspiel von Jan Remmlinger das Leder mit einem Rückhandwurf zum 9:9 am sonst bärenstark haltenden Gorazd Skof vorbeibrachte (25.). Kai Häfner nutzte die Überzahl zum 10:9 und war anschließend auch für das 11:10 verantwortlich. Weil die Gäste immer nachzogen und Skof mit seiner schon achten Parade gegen Schneider rettete war zur Pause wieder alles ausgeglichen.
Der Start in den zweiten Abschnitt ging den Rot-Weißen daneben. Nachdem Jonathan Scholz sein Team wieder einmal nach vorn geworfen und Julius Kühn neben das Tor visiert hatte, musste Nebojsa Simic Schlimmeres verhindern. Dass die Partie gegen engagierte Eulen weiter ausgeglichen blieb, war den frisch in die Partie gekommenen Außen zu verdanken. Yves Kunkel machte das 12:13, Dimitri Ignatow traf zum 13:13 (33.). Ehe es dann doch ungemütlich wurde für die MT: Dominik Mappes, Jonathan Scholz und Jerome Müller stellten auf 13:16 – Timeout der MT (37.).
Zentral in die Abwehr kam mit Stefan Salger an der Seite von Finn Lemke etwas mehr Biss, nach vorn war weiter Sand im Getriebe. Dennoch sorgten ein Durchbruch von Kai Häfner und Ignatow mit seinem dritten Treffer für den 17:18-Anschluss (42.). Melsungens Youngster hatte dafür das Problem, dass die Eulen in Ermangelung von Möglichkeiten über die Mitte hauptsächlich über Linksaußen den Abschluss suchten. Erst recht, als Finn Lemke raus musste und Platz da war. Die Folge: Mit dem 18:20 (44.) machte Scholz schon sein sechstes Tor, das fünfte nach der Pause.
So war an ein Näherkommen nicht zu denken. Zumal Yves Kunkel im Tempogegenstoß in Gorazd Skof ebenso seinen Meister fand wie kurze Zeit später Ignatow. Das Positionsspiel gegen die sehr effektive 5:1-Formation der Gäste kam überhaupt nicht in Gang. Mal traf Julius Kühn mit einem Gewaltwurf aus dem Rückraum, mal löste Lasse Mikkelsen zum Kreis auf und traf oder versenkte das Leder mit einem Verzweiflungswurf bei angezeigter Passivität. Da waren Nebojsa Simic‘ Paraden schon fast als unbedingt überlebenswichtig einzustufen (21:22, 51.).
Eine eindeutige Reaktion kam in dieser Phase von den Fans der Nordhessen. Die standen nämlich demonstrativ auf und peitschten die Mannschaft zum Ausgleich durch Marino Maric. Und wiederholten diese starke Geste sofort nach Pascal Bührers 22:23, was auch Maric zur Wiederholung trieb – 23:23 (56.). Lasse Mikkelsen legte per Siebenmeter sogar zur Führung nach, dann waren wieder die Eulen dran. Einmal mehr mit Rückhalt Skof. Aber auch Simic blieb nichts schuldig, holte den Ball zurück. Die nächste Aktion war bekannt: die Fans machen Höllenradau, Maric trifft – 25:24 mit 49 Sekunden Rest auf der Uhr. Wieder Ausgleich per Siebenmeter von Max Neuhaus und noch 15 Sekunden zu spielen.
Die Auszeit von Heiko Grimm musste kommen und sie kam. Der vermeintlich letzte Angriff, Häfner wurde gerade noch so eben gebremst und es gab Freiwurf genau fünf Sekunden vor Ultimo. Der allerletzte Wurf musste es entscheiden und wer anders als Julius Kühn konnte sich den nehmen. Er nahm ihn, er feuerte ihn ab, er versenkte ihn! Skof war dran, doch seine Hände wurden von der Wucht des Leders regelrecht mit zurück ins Tor gerissen. Sensationell kämpfende Eulen verzweifelten, überglücklich Melsunger stürzten jubelnd übereinander und die Zuschauer rissen die Halle fast ab. Wohl wissend, dass ohne sie und ihre fantastische Unterstützung gerade in der Schlussphase möglicherweise ein anderes Ergebnis auf der Tafel gestanden haben könnte.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Wir sind immer fair und so müssen wir heute zugeben, dass das ein glücklicher Sieg war. Die Eulen haben uns das ganz schwergemacht, davor ziehe ich den Hot. Aber auch vor meiner eigenen Mannschaft muss ich den Hut ziehen. Wir hatten vor zwei Tagen ein absolutes emotionales Highlight und da ist es nicht einfach, sich gleich wieder zu fokussieren. Wir haben unglaublich viele freie Bälle verworfen und uns da Leben damit selbst schwergemacht. Aber das zeichnet die Mannschaft aus, dass sie trotzdem immer weitergemacht hat. Kompliment dafür, denn wir laufen nach den Belastungen der letzten Wochen ziemlich auf der letzten Rille. Übers Wochenende werden wir jetzt regenerieren und dann etwas erholt in die letzten Spiele des Jahres gehen, um da auch wieder zu punkten.
Ben Matschke: Glückwunsch an die MT, an Heiko und an Axel zum Sieg. Zuerst möchte ich mich entschuldigen für die emotionale Reaktion nach dem Schlusspfiff, nicht sofort zu gratulieren. Das war nicht despektierlich dem Gegner gegenüber, sondern hat eine Vorgeschichte. Weil wir in der letzten Zeit einen guten Ball spielen und es immer wieder schaffen, den Gegnern ihre Stärken zu nehmen. So wie auch heute. Und da fühlen wir uns dann schon in der einen oder anderen Situation mal benachteiligt, was auch die Statistiken zeigen. Und es ist unglaublich schwer, das der Mannschaft so zu verkaufen. Die MT kam heute mit Oberwasser vom Dienstag, wir kamen aus einer Niederlage heraus. Wir wünschen Melsungen jetzt alles Gute in Hamburg, dass sie das ziehen können. Nochmal Hut ab vor meiner Mannschaft. Das war eine maximale Enttäuschung vor zwei Tagen, aber sie hat heute wieder alles gegeben. Was die Jungs an Charakter zeigen, verdient allerhöchsten Respekt.
Axel Geerken: Wir wussten, wie schwer das Spiel hier wird. Ich hatte das vorgestern hier an gleicher Stelle schon gesagt und so kam es auch. Kein Vorwurf an die Mannschaft, sie hat alles versucht und war kämpferisch voll auf der Höhe. Wir waren sicher in der besseren Position, aber sind eben noch nicht so weit, dass wir das einfach so herunterspielen können. Wichtig war, dass wir das Spiel gewinnen. Das haben wir geschafft, wenn auch knapp.
Lisa Hessler: Glückwunsch an die MT zum Sieg. Wir sind diese Situationen über die letzten zwei Jahre gewohnt, durch solche Durststrecken zu gehen. Es ist die Leistung von Ben, der Mannschaft immer wieder zu kommunizieren, was unsere Werte sind. Die Niederlage gegen Lemgo war bitter, aber heute hat das Team wieder eine Leistung gezeigt, die wir von ihr gewohnt sind. Ich denke, ein Punkt für die jüngste Mannschaft der Liga wäre verdient gewesen.
Statistik
MT Melsungen: Simic (12 Paraden / 25 Gegentore), Eggert (n. e.); Maric 5, Kühn 4, Lemke, Reichmann, Ignatow 3, Kunkel 1, Mikkelsen 4/2, Danner, Schneider 1, Allendorf 3/3, Sidorowicz, Häfner 5, Salger, Pavlovic – Trainer Heiko Grimm.
Eulen: Skoff (14 P. / 25 G.), Tomovski (bei einem Siebenmeter, 0 P. / 1 G.); Stüber, Dietrich 1, Scholz 6, Haider, Remmlinger, Falk, Durak 1, Bührer 3, Mappes 3, Müller 5, Neuhaus 3/3, Dippe, Valiullin 3, Klein – Trainer Ben Matschke.
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke (Wendeburg / Göttingen)
Zeitstrafen: 2 – 6 (Lemke 41:40 – Scholz 13:36, Dietrich 23:26, Remmlinger 24:22)
Strafwürfe: 6/5 – 3/3 (Allendorf scheitert an Skof 15:51)
Zuschauer: 3.786 in der Rothenbach-Halle, Kassel.
Die Spiele bis zum Jahresende:
Do., 12.12.19, 19:00 Uhr, TVB Stuttgart – MT Melsungen, Scharrena, Stuttgart
So., 22.12.19, 13:30 Uhr, SC Magdeburg – MT Melsungen, GETEC Arena, Magdeburg
Do., 26.12.19, 14:00 Uhr, MT Melsungen – HBW Balingen-Weilst., Rothenbach-Halle Kassel
So., 29.12.19, 13:30 Uhr, HC Erlangen – MT Melsungen, Arena Nürnb. Versich., Nürnberg
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