Oberst a.D. Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow, Luftverteidigungsstreitkräfte der UdSSR, war der Mann, der den dritten Weltkrieg verhinderte. Und das von der Welt zunächst einmal völlig unbemerkt.
Der damalige Oberstleutnant Stanislaw Petrow war diensthabender Offizier im Serpuchow-15-Bunker (ungefähr 50 Kilometer südlich von Moskau). Seine Aufgabe bestand in der computer- und satellitengestützten Überwachung des Luftraumes. Im Fall eines nuklearen Angriffes auf die UdSSR sah die Strategie einen mit allen Mitteln geführten sofortigen nuklearen Gegenschlag vor.
Am 26. September 1983 meldete der Computer kurz nach Mitternacht eine auf die Sowjetunion anfliegende US-amerikanische Atomrakete. Petrow schlussfolgerte die Unwahrscheinlichkeit eines mit einer einzelnen Rakete durchgeführten Erstschlages, da der massive Gegenschlag die totale Auslöschung des Aggressors bedeuten würde. Zusätzlich war die Verlässlichkeit des Satellitensystems (Kosmos 1382) zuvor mehrfach in Frage gestellt worden. Auf Satellitenaufnahmen der US-Militärbasis konnte Petrow keine Rakete erkennen. Da die Basis jedoch zu dem Zeitpunkt genau auf der Tag-Nacht-Grenze lag, hatten die Bilder nur eingeschränkte Aussagekraft. Petrow meldete der Militärführung einen Fehlalarm. Kurze Zeit später meldete das Computersystem eine zweite, dritte, vierte und fünfte abgefeuerte Rakete. Da das Satellitensystem letztlich keine weiteren Raketen meldete, ging Petrow bei seiner Einschätzung weiterhin von einem Fehlalarm aus, da ein tatsächlicher Atomschlag seiner Ansicht nach mit deutlich mehr Waffen hätte stattfinden müssen. Dabei standen ihm keine anderen Daten zur Verfügung, um seine Einstufung im maßgeblichen Zeitraum überprüfen zu können. Das landgestützte sowjetische Radar konnte keine zusätzlichen Daten liefern, da dessen Reichweite insoweit zu kurz war.
Petrow stand während dieser Entscheidungsphase unter erheblichem Druck: Einerseits würde eine Weiterleitung von fehlerhaften Satellitendaten (Fehlwarnung) zu einem sowjetischen Atomschlag führen. Andererseits würden im Falle eines tatsächlichen US-amerikanischen Angriffs umgehend dutzende nukleare Sprengköpfe auf sowjetisches Territorium niedergehen und seine Einstufung der Satellitenwarnung als Falschmeldung eine gravierende Einschränkung der sowjetischen Handlungsoptionen bedeuten.
Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine notfalls dezentral organisierte Zweitschlagfähigkeit der Sowjetunion während der Zeit des Kalten Krieges als Gegenmaßnahme gegen Enthauptungsstrategien teilweise aufgebaut wurde und im Anbetracht der Tatsache, dass im Jahr 1983 das Verhältnis zwischen den beiden Blöcken als Folge des Abschusses des Korean-Airlines-Flugs 007 durch die Sowjetunion am 1. September, den umgesetzten NATO-Doppelbeschluss und durch die Vorbereitung des NATO-Manövers Able Archer 83 zusätzlich gespannt war.
Letzteres sollte einen Atomkrieg simulieren, wurde wegen seines hohen Geheimhaltungs- und Realismusgrads von östlichen Geheimdiensten aber als reale(!!!) Vorbereitung eines Nuklearschlags gegen die Sowjetunion gewertet.
Das Manöver wurde schlagartig abgebrochen als westliche Stellen erkannten, dass in der damaligen DDR Flugzeuge als Reaktion mit Atomwaffen bestückt und startklar gemacht wurden!
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass Petrows Einschätzungen richtig waren – das satellitengestützte sowjetische Frühwarnsystem hatte Sonnenreflexionen auf Wolken in der Nähe der Malmstrom Air Force Base in Montana, wo auch US-amerikanische Interkontinentalraketen stationiert waren, als Raketenstarts fehlinterpretiert. Die Software stellte sich als fehlerhaft heraus.
Auch wenn den Befehl zum Gegenschlag letztlich noch das sowjetische Oberkommando und die Staatsführung hätten anordnen müssen, hatte Petrow durch sein Verhalten die hierarchische Kettenreaktion bis zu einem möglichen Nuklearkrieg rechtzeitig unterbrochen.
Oberstleutnant Petrow wurde für sein Verhalten seitens seiner Vorgesetzten weder belobigt noch belohnt – aber auch nicht bestraft.
Eine ursprünglich für sein Handeln geplante Ordensverleihung blieb aus, denn als sich der Grund für die Anfälligkeit des Systems herausgestellt hatte, zogen Vorgesetzte die Geheimhaltung vor, um ihr eigenes Gesicht zu wahren. Jedoch erhielt er später einen Orden für andere Verdienste um den Aufbau der Anlage und wurde schließlich noch befördert. Er verließ das Militär im Folgejahr aus rein familiären Gründen, kehrte jedoch später als Zivilist wieder auf seinen früheren Posten zurück. Als Rentner lebte Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow bis zu seinem Tod am 19. Mai 2017 in Frjasino (nahe Moskau) in ärmlichen Verhältnissen
Das Richtige zu tun ist selten angenehm. Es hat sogar mitunter Konsequenzen. Sonst würde es ja jeder machen… Es aber kommt das Gefühl auf, dass er mehr verdient hätte.
DANKE!
[…] Ende könnte es darauf herauslaufen, dass wir wieder Leute wie Oberstleutnant Petrow (HIER) brauchen, um nicht so zu enden, wie es im Film „Zwischenfall im Atlantik“ dann […]