5 PRINZIPIEN GUTER FÜHRUNG
Führung ist so alt wie die Menschheit selbst. Aber was macht eine Führung zu einer guten Führung? Was sind die Prinzipien, die einen Leader von einem Manager unterscheiden? Diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben dorthin geschaut, wo es häufig ums Ganze geht: in die Grenzbereiche jenseits des typischen Managementalltags. Damit sind die zum Teil lebensbedrohlichen Bereiche von Bundespolizei und Bundeswehr gemeint, aber sie umfassen auch die Tätigkeiten von Notärzten in Katastrophenlagen sowie den Führungs- und Entscheidungsalltag von Verkehrspiloten.
Was diese so verschiedenen Grenzbereiche eint, sind die Prinzipien guter Führung. Wenn sich diese gemeinsamen Prinzipien in echten Ausnahmesituationen bewährt haben, sollten sie auch im Managementalltag anwendbar sein.
PRINZIP 1: FÜHREN MIT AUFTRAG
Machen Sie es wie das preußische Militär und unsere berühmten Vorfahren Helmuth von Moltke und Carl von Clausewitz: Führen Sie mit Auftrag!
Das bedeutet, dass Sie dem Team genau erläutern, was das konkrete Ziel ist. Was muss bis wann erreicht werden? Brechen Sie das Ziel so in Teilziele herunter, dass es für den jeweiligen Teilnehmerkreis nachvollziehbar und relevant ist. Erklären Sie, wie und womit der einzelne zur Zielerreichung beitragen kann – nur so wird es für den einzelnen Mitarbeiter oder die Führungskraft verständlich und überzeugend. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass das Ziel verstanden wird und nachfolgend umgesetzt werden kann.
Damit haben Sie dem Team vorgegeben, WAS und BIS WANN zu erreichen ist, zum Beispiel „Umsetzung der neuen Online-Antragstrecke bis zum 31. Dezember“.
Aber überlassen Sie das „WIE es erreicht werden kann“ dem Team. Planen Sie nötigenfalls mit dem Team einige Eventualitäten und Simulationen vorab durch, stecken Sie damit den Handlungsrahmen fest – und überlassen Sie innerhalb dieses Rahmens dem Team den Weg zur Lösung.
Passen Sie dabei Ihren Führungsstil Ihren jeweiligen Mitarbeitern an – der eine braucht eine enge Führung, viel Feedback und Austausch. Der nächste präferiert die lange Leine. Stellen Sie sich darauf ein!
Ausnahme:
Von diesem Prinzip des „Führen mit Auftrag“ sollten Sie nur in echten Krisenlagen abweichen. Eine Krise, in der es häufig chaotisch, ungeplant und mit hohem Entscheidungsdruck zur Sache geht, empfiehlt sich dagegen eher die sog. „Befehlstaktik“: es ist keine Zeit dafür, verschiedene Szenarien durchzugehen und auf alle möglichen Eventualitäten Rücksicht zu nehmen. Hier ist Handeln gefragt. In der zivilen Welt nicht per Befehl, aber doch mit einem klaren Auftrag, was jetzt konkret wie getan werden soll. Sie geben in solchen Lagen das WAS, WIE und BIS WANN vor.
PRINZIP 2: MOTIVATION & SINN
Mindestens so wichtig, wie das Ziel bzw. der Auftrag ist der Grund dahinter, das WARUM. Was genau wird besser, wenn das Ziel erreicht, der Auftrag erfüllt ist. Gute Führungskräfte nehmen sich daher die Zeit, die Hintergründe, die Motivation und den Sinn des Auftrags umfangreich zu erläutern. Dabei geht es nicht nur um Fakten – denn diese motivieren Menschen nicht besonders. Finden Sie eigene emotionale Aufhänger, die den Auftrag für die betreffenden Mitarbeiter sinnvoll machen.
Warum machen die Soldaten zum Beispiel einen Job, bei dem sie sich selbst gefährden und die Auftragserfüllung möglicherweise mit Verwundung oder Tod bezahlen? Weil sie die Sicherheit Deutschlands verteidigen. Warum arbeiten Notärzte in Katastrophenlagen unermüdlich weiter? Weil sie Leben retten wollen. Wofür treten Ihre Mitarbeiter an? Finden Sie einen emotionalen Grund, der einen Sinn stiftet, und motivieren Sie die Mitarbeiter für die Aufgabe. Sie werden sehen – je eher der Sinn an sich trägt, umso weniger Überzeugungsarbeit werden Sie leisten müssen.
PRINZIP 3: VERTRAUEN
Bei den Kommandosoldaten führt nicht zwingend der Ranghöchste das Team an, sondern derjenige, der die meiste Erfahrung für den konkreten Auftrag mitbringt und das größte Vertrauen der anderen genießt. Die Wahl des Truppführers wird von den Kommandosoldaten gemeinsam getroffen und auf Basis der beiden Kriterien „Erfahrung“ und „Vertrauen“ getroffen.
Im Managementalltag sollte dieses Prinzip der situativen Führung vor allem in der Projektarbeit angewendet werden: Lassen Sie das Team entscheiden, wer die Führung im Projekt übernehmen soll. Die vorhandene Expertise, nicht die Position im Unternehmen, sollte dabei ausschlaggeben sein. Auch bei anderen Aufgaben können Sie die Führung turnusmäßig auswechseln: machen Sie klar, dass die Führung an die Rolle gebunden ist, nicht an die Person oder Position im Unternehmen
Vor allem aber: gute Führung basiert auf Vertrauen. Das Vertrauen des Teams in Sie wie auch Ihr Vertrauen in das Team. Vertrauen entsteht über Zeit und setzt das Vorleben verschiedener Werte voraus: Wertschätzung, Respekt, Loyalität, Verlässlichkeit usw. Dazu gehören auch eine transparente, klare Kommunikation und das Ziehen von Grenzen. Verfolgen Sie als Führungskraft genau die Stimmung im Team: wo gibt es Spannungen? Wo wird konstruktiv zusammengearbeitet, wo nicht? Gibt es fachliche oder persönliche Reibereien? Halten Sie Augen und Ohren offen und schreiten Sie nötigenfalls ein. Seien Sie nahbar und kümmern sich regelmäßig und persönlich um Ihre Mitarbeiter.
PRINZIP 4: KRITIK & FEEDBACK
Zu jeder Art der Zusammenarbeit gehört Manöverkritik dazu. Die Kommandosoldaten machen das zum Beispiel mit einem „hot wash up“ direkt nach einem Einsatz. Da geht es schon mal emotional zu, wenn sich die Beteiligten die Meinung sagen. Übrigens immer persönlich wertschätzend, aber hart in der Sache. Danach ist der Druck vom Kessel. Mit einem zeitlichen Abstand von ein paar Wochen wird dann offiziell ein Debrief durchgeführt. Dafür werden alle verfügbare Informationen und Daten zusammen-getragen und eine sachliche Bewertung des Auftrags vorgenommen: was lief besonders gut und warum, was lief nicht optimal, was kann man daraus für die Zukunft lernen? Die Soldaten kommen zusammen und besprechen den Auftrag detailliert nach. Die Erkenntnisse mehren nicht nur den Erfahrungsschatz der beteiligten Soldaten, sondern er wird auch kodifiziert in die Trainings anderer Einheiten mit aufgenommen und so allen zur Verfügung gestellt.
Planen Sie Projekte nicht nur für das Kick-off sehr sorgfältig, sondern führen Sie ein zwingendes Debriefing nach Projektende ein. Die Learnings sollten in einen kodifizierten Erfahrungsschatz münden, zusammengefasst werden und allen im Unternehmen zugänglich gemacht werden. So stellen Sie eine wahrhaft lernende Organisation sicher.
Stellen Sie sicher, dass Sie sich im Team offen die Meinung sagen können: top-down, aber auch bottom-up. Die GSG 9 nennt das „Kritikfähigkeit in beide Richtungen“. Im Management nennen wir das auch Fehlerkultur. Egal wie – führen Sie eine offene Diskussion darüber ein, welche fachlichen Themen gut liefen, aber auch welche Verhaltensweisen hilfreich waren, welche nicht.
PRINZIP 5: WERTE & HALTUNG
Vertrauen in einem Team hat viel damit zu tun, wie sehr sich die Teammitglieder aufeinander und ihren Vorgesetzten verlassen können. Die Führungskraft hat eine wichtige Vorbildfunktion, denn ihr Verhalten wird den Rahmen setzen, an dem sich die Teammitglieder mit ihrem eigenen Verhalten orientieren werden. Von daher machen Sie sich klar: Sie sollten durch Vorbild führen.
„Wer führen will, muss dienen können!“, so Brigadegeneral Holger Neumann von der Führungsakademie der Bundeswehr. Das bedeutet: nehmen Sie sich selbst nicht zu wichtig. Sie haben die Position inne, weil Sie viel können und viel Erfahrung mitbringen – nicht, weil Sie der bessere Mensch wären. Ein wenig Demut hat noch nie geschadet. Finden Sie also die Balance zwischen „Führen“ und „Folgen“. Akzeptieren Sie, wenn jemand mit noch höherer Kompetenz eine andere als Ihre Lösung vorschlägt. Jemand anderem folgen zu können, ist auch ein Element guter Führung.
Führen Sie mit Vorbild im Einzelnen:
- Gehen Sie an der Spitze voraus, führen Sie mit eigenem Vorbild, leben Sie die Werte und das Verhalten vor, das Sie von Ihren Mitarbeitern erwarten
- Schützen Sie Ihre Mitarbeiter und springen Sie für sie in die Bresche, wenn nötig
- Korrigieren Sie Aktivitäten und Maßnahmen zum stetigen Lernen und Disziplinieren als Gelegenheit zum Weiterentwickeln
- Überzeugen Sie Ihr Team, zwingen Sie es nicht
- Gewähren Sie Ihrem Team Freiheitsgrade und setzen Sie klare Grenzen. Machen Sie klar, bis wohin Ihre Mitarbeiter Entscheidungsbefugnis haben und wo diese aufhört
- Zeigen Sie Ihren Leuten, dass Versagen kein Weltuntergang ist, etablieren Sie eine Fehlerkultur
- Machen Sie klar, dass Sie Leistung erwarten, aber Einzelspieler und Selbstoptimierer nicht dulden, die sich auf Kosten anderer profilieren
- Solidarität und gegenseitige Deckung sind wichtig: der Auftrag und das Team sind wichtiger als der Einzelne.
Wiebke Köhler, CEO & Gründer, impactWunder Strategieberatung
Oktober 2020
Buchtipp: „Führen im Grenzbereich – Was Manager aus Grenzsituationen für den Managementalltag lernen können“, Wiebke Köhler, erschienen bei BOD, Norderstedt
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