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Weltweit fließen nur noch 37 Prozent unserer großen Flüsse ungehindert. Und nur noch 23 Prozent davon schaffen es ins Meer, ohne vorher zu versiegen. Das geht aus einer neuen Analyse von 34 internationalen Forschern des WWF, der McGill Universität und anderen Institutionen hervor, die in dem Fachjournal Nature veröffentlicht wurde. „Freifließende Flüsse sind gesunde Flüsse. Von Ihnen hängt zum Beispiel ab, ob Fische zu ihren Laichplätzen kommen, oder ob Sedimente ins Flussdelta gelangen, um diese fruchtbar zu machen und über dem Meeresspiegel zu halten“, sagt Philipp Wagnitz, Wasserexperte vom WWF Deutschland.

Laut Living Planet Index ist die Anzahl der Süßwasser-Arten seit 1970 bereits um 83 Prozent zurückgegangen – so viel wie in keinem anderen Lebensraum. „Damit geht nicht nur die Biologische Vielfalt verloren: Dieser Verlust hat auch großen Einfluss auf die Ernährungssicherung“, so Wagnitz. Durch die Inland-Fischerei können sich weltweit 158 Millionen Menschen ernähren – in vielen Ländern wie dem Kongo ist sie die wichtigste Eiweißquelle. In Deutschland und Europa soll der Zustand der Flüsse über die Wasserrahmenrichtlinie verbessert werden, die in diesem Jahr überprüft wird. Die Europawahl und die künftige umweltpolitische Ausrichtung der EU hat entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Qualität unserer Flüsse.

Da es vor allem Dämme sind, die das „freie Fließen“ unterbrechen, fordert der WWF, Dammbau- und Wasserkraftvorhaben sehr kritisch zu hinterfragen. „Derzeit befinden sich weltweit 3700 neue Dämme mit jeweils mehr als einem Megawatt installierter Turbinenkapazität in Planung oder in der Bauphase. Ein super Gau für unsere Flüsse! Und das, obwohl Solar- und Windenergie teils sogar günstiger und umweltschonender ist.“ Ein zweiter, an diesem Montag im Vorfeld des World Hydropower Kongresses veröffentlichter Bericht des WWF und The Nature Conservancy zeigt, dass die Kosten für Solar zwischen 2010 und 2017 um 73 Prozent gesunken sind, während die Kosten für Wasserkraft im selben Zeitraum um 24 Prozent gestiegen sind. Danach kostet die Kilowattstunde Strom aus Solar, Wind und Wasserkraft im Mittel 4,5 Cent.

Gleichzeitig ist der Bau von Dämmen mit schweren Folgen für Mensch und Natur verbunden: Laut der Weltkommission für Dämme mussten allein bis zum Jahr 2000 bereits 40 bis 80 Millionen Menschen wegen Dämmen umgesiedelt werden. Das veränderte Fließverhalten der Flüsse hat auch Einfluss auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung. Die Wasserqualität verschlechtert sich, Flussdeltas schrumpfen und einige der produktivsten Fischbestände gehen verloren.

„Der Strombedarf wird in den nächsten Jahrzehnten steigen, denn mehr Menschen bekommen Zugang und andere Sektoren wie der Verkehr setzten verstärkt auf Elektrifizierung. Deshalb ist es ungemein wichtig, heute unsere künftige Stromversorgung umfassend zu planen und dabei die Folgen für Mensch und Natur zu berücksichtigen. Nur so können wir ein Stromsystem schaffen, das wenig Treibhausgase verursacht, kostengünstig ist und die Auswirkungen für Mensch und Natur verringert“, so Wagnitz. Da fossile und atomare Energieträger diese drei Kriterien nicht erfüllen, liegt der Fokus auf Erneuerbaren. „Wasserkraft aber darf nur sehr eingeschränkt dazu zählen. Neue Anlagen zu bauen, hat in den meisten Fällen viele negative Folgen. Und kleine Anlagen haben ohnehin nur einen zu marginalen Energieertrag, aber oft dieselbe Umweltwirkung“, so Wagnitz.

In Deutschland hat Wasserkraft in Bayern und Baden-Württemberg ihren Schwerpunkt. „Allerdings leistet sie keinen nennenswerten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und der Energiewende in Deutschland.“ Wasserkraft deckt rund 3-4 Prozent des deutschen Strombedarfs ab – rund 90 Prozent davon von wenigen größeren Anlagen – und die Kapazitätsgrenze ist nahezu erreicht. Insbesondere in der bayerischen Politik wird (Klein-) Wasserkraft trotzdem ein hoher Stellenwert beigemessen: „Anstatt weiter auf umweltschädliche Laufwasserkraftwerke zu setzen, sollte der Freistaat endlich einen substanziellen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien leisten und die Windenergie in Bayern vorantreiben“, fordert Wagnitz. Das bedeutet unter anderem, die hohen Abstandsregeln für Windenergie aufzuheben.

2017 waren nur neun Prozent der Flüsse in Deutschland in gutem oder sehr gutem ökologischen Zustand. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU gibt aber vor, dass spätestens 2027 alle Gewässer in der EU in gutem ökologischen und chemischem Zustand sein sollen. In diesem Jahr steht die Überprüfung der Richtlinie an. „Es besteht die Gefahr, dass sie aufgeweicht wird – unter anderem mit Blick auf Wasserkraft. Wir fordern: Hände weg von der Wasserrahmenrichtlinie!“ Auch deshalb kommt der Europawahl am 23.-26. Mai große Bedeutung zu: Ein Großteil nationaler Umweltgesetzgebung hat ihren Ursprung in der EU. „Wir müssen jetzt die Grundlagen für ein gesundes Europa und eine gesunde Welt legen. Dazu gehört auch, ein Energiesystem zu schaffen, das möglichst nachhaltig ist.“

 

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Original Content von: WWF Deutschland, präsentiert durch das Nordhessen Journal

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