„Narwa? Narwa!“ – Wie aus einem Bundeswehrhirn ein Bühnen-Prophet wurde

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(jetzt mit noch mehr Endzeit-Kitsch und weniger Logik)

Es war einmal ein Professor der Kriegskunst, ein Musterexemplar deutscher Disziplin und strategischer Gedankenschärfe, geschliffen wie ein Bajonett aus akademischem Stahl. Doch eines Tages – vielleicht nach einer unheilvollen Kombination aus Espresso, Twitter und schlechtem Kabelfernsehen – traf ihn der Schlag der medialen Erleuchtung: Wissenschaft ist Silber, Sendezeit ist Gold.

Und so ward der Weg frei für die Transformation: Vom nüchternen Militärdenker zum Wanderprediger des Westuntergangs. Der Hörsaal wurde gegen das Fernsehstudio eingetauscht, die PowerPoint gegen das Panik-Pamphlet, und die Argumente gegen – nun ja – Gefühle.

Er ist jetzt Stammgast in Talkshows mit Namen wie „Schicksalsstunde“ oder „Krisenkarussell“, wo er mit Inbrunst das sogenannte „Narwa-Szenario“ beschwört – das neue Armageddon für Leute, die ihren Weltuntergang gerne mit Lavalampe und Studiolicht serviert bekommen.

Doch hier kommt der Twist – der eine, große, garstige, unbequeme Gedanke, den unser TV-General nie so recht zu Ende denkt:
Warum zum Teufel sollte Russland Estland, Lettland oder Litauen angreifen?

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Die baltischen Staaten – wirtschaftlich ausgemergelt, demografisch auf Talfahrt, NATO-Mitglied, aber maximal symbolisch bewaffnet – sind geopolitisch ungefähr so bedrohlich wie ein veganer Ritter in einem Paintball-Feld. Sie schrumpfen schneller als der Marktanteil deutscher Qualitätsmedien.

Und dann Polen! Das ewige Scharnier zwischen Ost und West, das sich nur dank milliardenschwerer EU-Überweisungen überhaupt noch als „Mittelmacht“ fühlen darf. Aber was passiert, wenn der deutsche Geldhahn versickert, weil hierzulande niemand mehr arbeitet, sondern nur noch Wärmepumpen beantragt? Ganz recht: Dann ist Polen offen – aber nicht für Panzer, sondern für Brüssel-Briefmarken.

Und jetzt kommt unser Fernsehprophet und tut so, als stünde Putin mit rotierendem Globus und einem Reißzweckenkoffer da, bereit, den nächsten Schachzug gegen eine sich selbst entleibende Westhälfte zu setzen?

Wozu bitte soll ein Russland, das sich seit Jahren selbst mit Sanktionen, Ölpreis-Schlachten und westlicher Dämonisierung herumschlägt, auch noch ein halbtotes Baltikum besetzen? Nur damit es sich auch noch um deren Rentensystem kümmern muss?

Doch diese Logik stört unseren Strategen im Scheinwerferlicht nicht. Denn in seiner Welt ist der Westen stets bedroht, die NATO stets kurz vor dem Untergang, und Putin stets auf dem Sprung – wie ein Bond-Bösewicht mit Gasanschluss.

Er malt das Bild vom Osten als Tier, das jederzeit zuschlägt – während er gleichzeitig ignoriert, dass sich dieses Tier vielleicht einfach nur zurückzieht, um seine Wunden zu lecken. Oder, man stelle sich vor: gar keine Lust hat auf einen Haufen maroder Mini-Nationen, die mehr NATO-Flaggen als Zukunftsperspektive haben.

Aber hey – mit differenzierter Analyse verkauft man keine Bücher.
Mit Weltuntergang hingegen: Bestseller.
Mit Panik: Panel-Einladung.
Mit „Narwa! Narwa!“-Rufen: Standing Ovations bei Maischberger.

Und irgendwo in seinem heimischen Bücherregal steht wahrscheinlich ein eingerahmter Spruch:
„Wen interessiert die Realität, wenn der Applaus stimmt?“

In diesem Sinne: Gute Nacht, Narwa.
Und danke für nichts.

PUTIN greift NARWA AN
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