Die MT Melsungen ihrem neuen Trainer Roberto Garcia Parrondo zum Einstand kein Erfolgserlebnis schenken können. Dennoch war das 24:27 (11:15) gegen den SC Magdeburg gerade in Sachen Einsatz und Engagement nicht zu vergleichen mit den vorangegangenen Partien. Zu viele vergebene Chancen vor allem im ersten Durchgang, gefolgt von einer sogar gewonnenen zweiten Hälfte, stellten die Weichen früh zu Gunsten des Bundesliga-Tabellenführers. Der kurz vor Schluss sogar noch einmal Gefahr lief, seine bislang weiße Weste zu verlieren. Denn Melsungen hatte nach zeitweise fünf Toren Rückstand den direkten Anschluss geschafft. Am Ende aber reichten sieben Tore von Julius Kühn sowie je fünf von Timo Kastening und André Gomes nicht für Zählbares. Für Magdeburg war Lukas Mertens mit sechs Treffern der erfolgreichste Schütze.
Ohne die verletzten beziehungsweise erkrankten Stammkräfte Finn Lemke und Kai Häfner, dafür aber mit den Nachwuchskräften David Kuntscher und Rohat Sahin auf der Bank startete Roberto Garcia Parrondo seine neue Mission als Trainer der MT Melsungen. Sofort also mit einem sichtbaren Zeichen in Richtung des eigenen Nachwuchses, auch wenn es in der Folge zu Einsatzminuten nicht reichen sollte. Die Startformation der zuerst verteidigenden Hausherren war entsprechend den Ausfällen verändert. Nämlich mit Elvar Örn Jonsson neben Arnar Freyr Arnarsson in der Innenverteidigung und mit Routinier Alexander Petersson. Was nicht schlecht funktionierte, denn aus dem ersten defensiven Ballgewinn machte Julius Kühn direkt das viel umjubelte 1:0 (2.). Und nachdem zweimal Lukas Mertens den Spieß umgedreht hatte, war es Petersson, der kurz und trocken ins kurze Eck abzog: 2:2 (4.).
Das Spiel war munter und schnell, so dass Fehler auf beiden Seiten nicht ausblieben. Unter dem Strich mit leichten Vorteilen für die Gäste, bei denen neben dem dreifachen Torschützen Mertens auch Piotr Chrapkowski zweimal über die linke Seite erfolgreich war, dann schlug Daniel Pettersson per erster und zweiter Welle zweimal über Halbrechts zu und Christian O’Sullivan lief den bereits vierten Konter erfolgreich geradewegs durch die Mitte allein auf Silvio Heinevetter zu zum 4:8 (10.). Trotz engagierten Beginns also ein echter Fehlstart für Melsungen, was Roberto Garcia Parrondo schon nach knapp zehn gespielten Minuten seine erste Grüne Karte in der Handball-Bundesliga legen ließ.
Personell änderte sich danach nichts, aber die Körpersprache war sofort eine andere. Erkennbar an Alexander Peterssons Selbstbewusstsein, Timo Kastenings Zug beim Gegenstoß und Julius Kühns Urgewalt, die seinen fast schon parierten Wurf noch unter Yannick Green durchrutschen ließ zum 7:8 (14.). Es war bis dahin ohnehin kein Torhüter-Spiel und Green machte auch prompt für Mike Jensen Platz. Silvio Heinevetter dagegen blieb drin und entschärfte gleich mit seiner ersten und dritten Parade des Abends zwei von Omar Ingi Magnusson ausgeführte Siebenmeter (18.).
Melsungen war damit zunächst zwar wieder voll drin in der Partie, vermochte aber vorn kein Kapital aus der hinten gezeigten starken Leistung zu schlagen. Fast zwangsläufig baute der Tabellenführer seinen Vorsprung erst einmal wieder auf drei Tore aus. Kurz darauf hätte Timo Kastening den Anschluss wiederherstellen können, doch den Tempogegenstoß kaufte ihm Mike Jensen ab und im direkten Gegenzug stellte Lukas Mertens mit seinem 8:11 den alten Abstand wieder her und nach Julius Kühns Pfostenkracher sowie einem erfolgreichen Block von Chrapkowski gegen Petersson erhöhten Daniel Pettersson und noch einmal Mertens gar auf 8:13 (24.).
Jubel gab es für das 9:13 (24.), denn das erzielte trotz unfairer Bedrängnis, die Magnus Saugstrup zusätzlich eine Bankstrafe einbrachte, Neuzugang André Gomes. Was ein Aufbruchsignal hätte sein können, verpuffte aber. Weil Silvio Heinevetter bei seinem dritten gehaltenen Siebenmeter, diesmal gegen Smits, wie schon zuvor bei Magnusson, den Nachwurf zum 9:14 kassierte (25.). Es war also auch viel Pech im Spiel der Nordhessen, vergebene Großchancen wie von Marino Maric, der völlig frei an Jensens überragenden Reflex scheiterte, taten ihr Übriges. Dafür trafen aber in der Folge Kastening per Gegenstoß und erneut Gomes, so dass zur Pause nur minus vier zu Buche standen. Was bei der Anzahl bereits vergebener Möglichkeiten durchaus Hoffnung auf einen erfolgreicheren zweiten Durchgang machte.
Der begann mit einem Erfolgserlebnis für Alex Petersson zum 12:15 (32.). Tobias Reichmann, nach dem Seitenwechsel für Timo Kastening gekommen, beantwortete per Siebenmeter umgehend Tim Hornke und setzte nach Omar Ingi Magnussons 13:17 den Nachwurf eines von Mike Jensen parierten Strafwurfes mit leichter Verspätung noch ins Netz. Und auch wenn Tim Hornke als mittlerweile dritter Siebenmeterschütze des SCM zweimal vollstreckte und damit auf 14:19 erhöhte (37.), blieb das Spiel der Hausherren engagiert und damit die Stimmung in der Halle konstant oben. Zumal Jonsson vorn traf und Heinevetter hinten überragend gegen Tim Hornke im Gegenstoß parierte. Als André Gomes sich unwiderstehlich durchtankte und das 16:19 machte, war auf den Rängen Party angesagt (42.).
Nach wie vor eine klasse Arbeit lieferte der Innenblock Jonsson/Arnarsson ab. Praktisch gar nichts lief beim SCM über den Kreis. Und wenn tatsächlich einmal etwas zu Magnus Saugstrup durchkam, war Heinevetter auf dem Posten. Doch trotz allen Engagements kam die MT nicht näher. Auch, weil die Entscheidungen auf dem Feld nicht immer einheitlich ausfielen. Gerade was die Siebenmeterfreudigkeit auf Magdeburger Seite anging, war ein deutliches Ungleichgewicht zu erkennen. Der eigens eingewechselte Nebojsa Simic parierte zwar schon den vierten Magdeburger Strafwurf des Abends, aber den mittlerweile achten wie auch neunten setzte Magnusson ins Netz – 18:22 (48.).
Eine weitere Klasse für sich waren die spektakulären Szenen von André Gomes. Auch wenn in manchen Szenen noch die fehlende Eingespieltheit mit seinen Nebenleuten fehlte – wenn der Portugiese anzog und sich seine Lücken selbst schuf, war Alarm angesagt in der Magdeburger Deckung. Und Stimmung auf den Tribünen garantiert, wie bei seiner sehenswerten Einzelleistung zum 20:23 (51.). Als dann noch Timo Kastening traf und Tobias Reichmann aus spitzestem Winkel hoch ins entlegene Toreck vollendete, war Bennet Wiegert beim Stand von nur noch 22:23 zur Auszeit gezwungen (55.).
Fünf Minuten vor Schluss geriet die Rothenbach-Halle zum Hexenkessel. Niemand saß mehr, alles stand ob des atemberaubenden Kampfes, den sich zwei mittlerweile ebenbürtige Kontrahenten auf dem Feld lieferten. Und ausgerechnet in dieser so wichtigen Phase, da Saugstrup gerade auf 23:25 gestellt hatte, landete der nächste Geniestreich von Gomes nur am Pfosten und sprang einem Magdeburger zurück in die Hände. Magnusson erhöhte auf 23:26 und sorgte damit für die Entscheidung. Dass Julius Kühn noch einmal traf und Lukas Mertens nach Kempa-Zuspiel von Tim Hornke spektakulär den Endstand markierte, war lediglich noch Statistik.
Stimmen zum Spiel
Roberto Garcia Parrondo: Glückwunsch an Bennet und Magdeburg zum Sieg. Sie haben ein wirklich gutes Spiel geliefert. Ich bin glücklich, jetzt hier in Melsungen zu sein. Und ich habe von meiner Mannschaft gerade in der zweiten Halbzeit eine hohe Intensität und viele Emotionen gesehen. Aber wir brauchen noch viel Training. Wir haben zu viele Bälle verloren und Magdeburg konnte Konter laufen. Wir werden jetzt viel und gut arbeiten, damit wir Magdeburg beim nächsten Aufeinandertreffen vielleicht schlagen können. Wir stehen noch am Anfang und brauchen Zeit. Mit der Leistung heute bin ich trotz der Niederlage zufrieden.
Bennet Wiegert: Herzlich willkommen, Roberto, in der Bundesliga. Auch wenn Du Dir das erste Resultat sicher besser gewünscht hast. Für uns war es eine schwierige Vorbereitung, wir wussten nicht so recht, was uns nach den Veränderungen der letzten Zeit hier erwarten würde. Deshalb haben wir uns auf uns selbst konzentriert und uns vorgenommen, im Spiel selbst viel zu analysieren und uns dem entsprechend einzustellen. Der Ausfall von Kai Häfner kam uns sicher ein wenig entgegen. Wir haben das Spiel 45 Minuten dominiert, dann mussten wir von unserer Führung, die gefühlt auch hätte höher sein können, abgeben. Plötzlich war das Momentum auf Melsunger Seite. Wir haben gewankt, sind aber nicht gefallen. Vor zwei Jahre hätten wir so ein Spiel noch verloren. Deshalb waren das heute zwei Big Points für uns.
Statistik
MT Melsungen: Heinevetter (10 Paraden / 26 Gegentore), Simic (bei drei Siebemmeter, 2 P. / 1 G.); Maric, Kühn 7, Reichmann 3/1, Kunkel, Jonsson 1, Arnarsson, Allendorf , Gomes 5, Sahin, Petersson 3, Kastening 5/1, Pavlovic, Kuntscher – Trainer Roberto Garcia Parrondo.
SC Magdeburg: Green (0 P. / 7 G.), Jensen (10 P. / 17 G.); Chrapkowski 2, Kristjansson 1, Pettersson 4, Magnusson 5/2, Hornke 4/3, Weber, Gullerud, Mertens 6, Saugstrup 1, O’Sullivan, Bezjak 1, Smits 3, Damgaard, Preuss – Trainer Bennet Wiegert.
Schiedsrichter: Martin Thöne (Lilienthal) / Marijo Zupanovic (Berlin)
Zeitstrafen: 4 – 6 (Reichmann 36:48, Petersson 43:45 – Chrapkowski 15:58 29:49, Saugstrup 24:00)
Strafwürfe: 3/2 – 10/5 (Magnusson scheitert an Heinevetter 14:18 17:18, Smits scheitert an Heinevetter 24:54, Reichmann scheitert an Jensen 34:49, Hornke scheitert an Simic 44:33, Magnusson scheitert an Simic 54:02)
Zuschauer: 2.796 in der Rothenbach-Halle, Kassel.
Das nächste Spiel:
So., 03.10.21, 14:00 Uhr, TSV Hannover-Burgdorf – MT Melsungen, ZAG Arena Hannover
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