Erneut wird „Sozialwirtschaft Intergriert I“ mit Zuschüssen des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) von rund. 1,5 Millionen Euro gefördert. Dadurch kann die Stadt weiterhin Frauen mit Migrationshintergrund die Chance geben, in der Sozialwirtschaft als Fachkraft tätig zu werden.
„Wir freuen uns sehr, dass das Projekt bis 2025 durch das Ministerium für Soziales und Integration gefördert wird. Vor allem, weil wir als Stadt damit einen wesentlichen Beitrag zur Fachkräftegewinnung in der Sozialwirtschaft leistet“, so Bürgermeisterin Ilona Friedrich. „So können wir unsere nordhessische Erfolgsgeschichte weitere Kapitel hinzufügen. Seit Projektbeginn haben 35 Frauen den Einstieg auf dem Arbeitsmarkt gefunden und 97 konnten eine Ausbildung beginnen. Weitere 25 Frauen haben einen Hauptschulabschluss bzw. eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Alle Teilnehmerinnen haben meinen vollen Respekt für diese Leistung.“
Der bisherige Verlauf des Projektes zeigt, dass der Wunsch nach selbstbestimmter beruflicher Qualifizierung und Erwerbsarbeit bei Migrantinnen sehr hoch ist und für die berufliche Integration viel Energie mobilisiert wird. Die Grundlage der hohen Einsatzbereitschaft ist die freiwillige Projektteilnahme als wesentlicher Projektbaustein.
Die Vielfalt des Projektes
Frauen aus 49 Ländern nahmen bisher an dem Projekt teil. So individuell wie die Biographien und Vorbildungen, so individuelle und flexible werden die Teilnehmerinnen begleitet – mit Erfolg. „Dieser Weg ist für alle Frauen im Projekt kein einfacher Weg“, berichtet Projektleiterin Terhas Andezion. „Nicht nur das Alter, Anzahl der Kinder, Familienstand und das Herkunftsland sind ganz unterschiedlich, sondern auch die Fluchtwege und die daraus vielleicht entstandenen Langzeitfolgen.“
Die Teilnehmerinnen haben aufgrund der Bildungsstruktur ihrer Herkunftsländer oft keinen einfachen Zugang zu Bildung oder werden von vornherein ausgeschlossen. „Syrische Frauen etwa können oft hohen Bildungsabschlüsse und Berufserfahrung vorweisen, im Vergleich zu somalischen Frauen, die oft nur die Grundschule besucht haben. Aber die eingereichten Abschlüsse werden oft nur teilweise in Deutschland anerkannt. Viele eritreische Frauen haben zwar ein Schulabschluss oder sogar einen Hochschulabschluss in ihrer Heimat erworben, sie erhalten jedoch nur in den seltensten Fällen ihre Zeugnisse ausgehändigt und können somit keinen Abschluss nachweisen“, so Andezion weiter. Folglich könne keine Ausbildung oder Erwerbsarbeit aufgenommen werden.
„Frauen mit Migrationshintergrund gehören zu den Personengruppen, deren Potenziale nicht ausreichend betrachtet und genutzt werden. Sie sind diejenigen, die Werte, Normen und Rollenbilder in der Familie vermitteln und folglich kommende Generationen prägen. Frauen sind somit der Schlüssel im Integrationsprozess und müssen mehr Beachtung und Unterstützung finden. Genau hier setzt unser Projekt an“, sagt Andezion.
Der Inhalt des Projektes
Teil des Projektes ist der Erwerb des Hauptschulabschlusses. Die Teilnehmerinnen erlernen in einem 18-monatigen Vorbereitungskurs zur Hauptschulprüfung die Inhalte der prüfungsrelevante Fächer Deutsch, Mathematik, Gesellschaftslehre und Englisch. Eine weitere Stärke des Projekts ist neben der Vermittlung der Unterrichtsinhalte ein integrativer Anteil über den die soziale Integration, die Steigerung der gesellschaftlichen Teilhabe, die Allgemeinbildung und das Lernen über gesunde Lebensführung gefördert wird.
Jede Projektteilnehmerin wird durch eine Coachin unterstützt. Dadurch kann in Kooperation ein individueller Ausbildungsplan erstellt, Schulabschlüsse nachgeholt und Sprachkurse belegt werden. Das Coaching steuert maßgeblich den Qualifizierungsprozess, die anschließende Arbeitsmarktintegration und die Stabilisierung. Darüber hinaus können alle relevanten Fragestellungen der Alltagsorganisation, wie zum Beispiel die Kinderbetreuung, Erziehungsfragen und Beziehungskonflikte thematisiert und bei Bedarf an zuständige Beratungsstellen weitergeleitet werden.
Sollte sich während der Auswahl, der Orientierung oder auch während der Qualifizierung herausstellen, dass Teilnehmerinnen sich für eine Qualifizierung außerhalb der Sozialwirtschaft entscheiden, so werden sie durch eine befristete Beratung etwa beim Einmünden in andere Arbeitsmarktprojekte unterstützt. „Oberstes Ziel ist es, am Ende die geplante berufliche Perspektive zu verwirklichen. Die Arbeit der Coachinnen ist ressourcenintensiv, aber wichtig für den Erfolg des Projektes“, erläutert Bürgermeisterin Friedrich.
Die Sicht der Frauen auf das Projekt
Ellen Opoku Awotwi. 32 Jahre, drei Kinder, aus Ghana, Flucht nach Deutschland in 2011
„Ich wollte schon immer in der Pflege arbeiten – aber ich wusste nicht, wo ich in Deutschland anfangen konnte. Das war alles nicht so einfach. Aber meine Coachin hat mit mir immer Lösungen gefunden, ich habe nicht aufgegeben und weitergemacht. Dank des Projektes bin ich jetzt ein Vorbild für meine Kinder“. Die dreifache Mutter absolviert seit 2020 eine Ausbildung zur Pflegefachfrau.
Nasrin Omar, 36 Jahre, drei Kinder, studierte Lehrerin aus Syrien, Flucht nach Deutschland in 2015: „Ich wusste nicht, wie ich mich integrieren sollte. Es war alles neu, das Leben war sehr schwer für mich. Ein Freund hat dann von diesem Projekt erzählt und ich habe mich beworben. Das Projekt hat mir so viele Türen im Leben geöffnet, die ich allein nie aufbekommen hätte. Ich kann einfach nur Danke sagen für alles!“ Die studierte Lehrerin lässt sich jetzt zur Erzieherin ausbilden.
Erfolgsfaktoren des Projektes
Zum Erfolg des Projektes tragen auch die vielen Kooperationspartner bei. Insbesondere die Zusammenarbeit der Stadt Kassel mit dem Jobcenter Stadt Kassel, den rund 16 Trägern des Coachings mit rund 25 Choachinnen sowie der Bildung und Soziale Innovation gGmbH.
Etwa 76 Prozent der Projektteilnehmerinnen beziehen Leistungen über das Jobcenter. Während der Projektteilnahme wird der Lebensunterhalte der Frauen weiterhin gewährleistet. Darüber hinaus unterstütz das Jobcenter Frauen bei ihrer beruflichen Weiterbildung oder Umschulung mit einem Bildungsgutschein. Die Bildung und Soziale Innovation gGmbH übernimmt die genannten maßgeschneiderten schulischen Vorbereitungen im Projekt.
Die Teilnahme am Projekt
Nach wie vor können sich Frauen mit Migrationshintergrund für das Programm „Sozialwirtschaft integriert I“ anmelden. Interessierte wenden sich per Mail oder Telefon an Ute Beyer (ute.beyer@kassel.de, 787 5802) oder an Fatima Mohssen von der Kommunalen Arbeitsförderung im Sozialamt der Stadt Kassel (fatima.mohssen@kassel.de, 787 5255).
Hintergrund
„Sozialwirtschaft integriert“ ist ein maßgeschneidertes Programm der Stadt Kassel, dass Frauen mit Migrationshintergrund die Chance gibt, in der Sozialwirtschaft als Fachkraft tätig zu werden. Das Konzept mit dem frauenspezifischen Fokus wurde 2018 von Bürgermeisterin Friedrich initiiert und von der Kommunalen Arbeitsförderung umgesetzt. Hintergrund für den Fokus auf Frauen mit Migrationshintergrund lag im Defizit bei der Integration von Migrantinnen auf dem Kasseler Arbeitsmarkt.
Gefördert wird „Sozialwirtschaft integriert“ durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration. Auf den aktuellen Aufruf haben viele Städte und Kommunen reagiert. Über 44 Millionen Euro Förderanträge, bei einem Etat von 7,5 Millionen Euro, gingen ein. Laut Zielvereinbarung sollten von August 2018 bis Dezember 2022 mindestens 120 Frauen in das Programm aufgenommen werden. Bereits jetzt sind es schon 242.
Das Programm soll den unterschiedlichen Biographien, Vorbildungen und Sprachniveaus der Frauen und behördlichen Anforderungen gerecht werden. Jede Projektteilnehmerin wird durch eine Coachin unterstützt. Dadurch kann in Kooperation ein individueller Ausbildungsplan erstellt, Schulabschlüsse nachgeholt und Sprachkurse belegt werden. Ziel ist es am Ende die geplante berufliche Perspektive zu verwirklichen.
Das Projekt richtet sich sowohl an geflüchtete „Neumigrantinnen“ und EU-Bürgerinnen als auch an Frauen mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation im Alter von 18 bis 45 Jahren. Voraussetzung sind Deutschkenntnisse auf dem Level B1 und ein Wohnsitz in Kassel oder in Gemeinden, die direkt an die Stadt Kassel angrenzen.
documenta-Stadt Kassel
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