Die Planetenuhr Landgraf Wilhelms IV. von 1562 – mit Animationsfilmen und Modellen dem Wunderwerk auf der Spur
Warum die Planetenuhr Landgraf Wilhelms IV. von 1562 ein Wunderwerk der Technik ist, ist für heutige Besucher nur noch sehr schwer nachzuvollziehen. Dabei existieren heute weltweit nur noch vier Exemplare solch komplexer »Himmels-maschinen«: in Paris, Wien, Dresden und Kassel. Mit einem neuen Vermittlungskonzept, das in Zusammenarbeit mit dem Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden und dank einer großzügigen Förderung der Kulturstiftung des Bundes und des Museumsvereins Kassel e.V. entwickelt wurde, bietet das Astronomisch-Physikalische Kabinett nun die Möglichkeit, die Konstruktion dieser komplexen und glanzvollen Maschine, die Meisterwerke der Astronomie und Handwerkskunst des Renaissance sind, zu begreifen.
Die verschlungenen Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten in Echtzeit exakt nachzubilden: Die Aufgabe lösen heutzutage aufwendige Computerprogramme und Planetarien. Im Zeitalter der Renaissance gelang dies nur wenigen Planeten-uhren, von denen eine im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel zu bewundern ist.
Die sogenannte »Wilhelmsuhr« ist das Glanzstück im Astronomie-Saal des Museums. Ihr fein differenziertes Getriebe hat Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (1532-1592), einer der berühmtesten Astronomen des 16. Jahrhunderts, selbst berechnet. Gebaut wurde es, in enger Abstimmung mit dem Landgrafen, von seinem Instrumentenmacher Eberhard Baldewein in Marburg. Planetenuhren dienten dazu zu sehen, wo am Himmel die sieben klassischen Planeten – Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sowie Sonne und Mond – zu jedem Zeitpunkt stehen. Dabei bilden sie den Lauf der Planeten so ab, dass auch feine Ungleichförmigkeiten berücksichtigt werden.
Unter Anleitung von Landgraf Wilhelm IV. ebenfalls von Eberhard Baldewein, hergestellt, wurde eine etwas neuere Version einer solchen Planetenuhr, die 1568 an den Kurfürsten August von Sachsen ausgeliefert wurde. Auch sie gehört zu den verbliebenen vier Exemplaren weltweit und ist heute als Highlight im Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdener Zwinger ausgestellt.
Im Rahmen eines seit 2014 laufenden Forschungsprojektes »Deus ex Machina« untersucht ein Team aus Astronomiehistorikern und Uhrmachern der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Museumslandschaft Hessen Kassel, wie diese Maschinen im Detail funktionieren. Dabei geht es darum die Frage zu klären, inwieweit die damals hochaktuellen, astronomischen Messergebnisse Wilhelms IV. in die Berechnung der Getriebe eingeflossen sind und welche Rollen derartige Planetenuhren im höfischen Umfeld des 16. Jahrhunderts gespielt haben.
Aber nicht nur die rein wissenschaftliche Untersuchung steht im Vordergrund, sondern auch die Frage, wie man das astronomische Wissen der Antike und der Renaissance, das in weiten Teilen nicht mehr unserer Vorstellung vom Kosmos entspricht, heutigen Besuchern näher bringen kann. Warum beispielsweise galt die »Wilhelmsuhr« auch 150 Jahre nach ihrer Herstellung noch als technisches Weltwunder, für das selbst der große Philosoph Leibniz eine Reise nach Kassel unternahm? Und warum sprach man in Paris von der Dresdner »Baldewein-Uhr«, bevor sie überhaupt fertiggestellt war?
Unter der Federführung der beiden Kuratoren Dr. Michael Korey und Dr. Samuel Gessner des Mathematisch-Physikalischen Salons in Dresden wurde für die Dresdner »Baldewein-Uhr« ein Vermittlungskonzept entwickelt, das den Besuchern einen leichteren Zugang ermöglichen soll. Dieses Konzept ist jetzt durch das Team des Astronomisch-Physikalischen Kabinetts um Dr. Karsten Gaulke für die Kasseler »Wilhelmsuhr« angepasst worden.
Ab dem 1. September 2017 haben Besucher die Gelegenheit, auf einem Parcours mit fünf Stationen die beeindruckende Konstruktion der Uhr nachzuvollziehen. Animationsfilme und Modelle zum Ausprobieren ermöglichen, sich auf dieses Meisterwerk der Technik einzulassen und es ohne spezielles Vorwissen zu begreifen. Dabei lernen die Besucher einige der Herausforderungen kennen, die die Konstrukteure meistern mussten und bekommen vor Augen geführt, warum das Wissen um die Planeten für damalige Herrscher so wichtig war.
Neben den Stationen liegt eine Besucherbefragung aus, deren Auswertung wert- volle Hinweise für eine verbesserte und besucherorientierte Vermittlung geben wird.
mhk
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