300 Menschen erinnern an NSU-Opfer: Unverständnis für Absage

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Am 6. April wird in Kassel jährlich des NSU-Opfers Halit Yozgat gedacht. Auch in diesem Jahr kamen dazu einige hundert Menschen – trotz einer Absage des Oberbürgermeisters. Was bleibt, ist ein Imageschaden für die Stadt.
Blumen neben dem Porträt von Halit Yozgat (m.) und anderen Opfern rechter Gewalt. Foto: Uwe Zucchi

Rund 300 Menschen haben am Freitag in Kassel mit einer Schweigeminute und Blumen an das NSU-Opfer Halit Yozgat erinnert. Sie versammelten sich auf dem Halitplatz, der nach dem ermordeten türkischstämmigen Besitzer eines Internetcafés benannt ist. Im Jahr 2006 wurde Yozgat mutmaßlich von der rechten Terrorgruppe NSU getötet.

Die Polizei war am Freitag vor Ort, um die Veranstaltung vor antitürkischen Protesten zu schützen. Das Gedenken lief aber ohne Zwischenfälle ab. Es war das unspektakuläre Ende eines Konflikts.

Ziel des Unmuts vieler Teilnehmer blieb die Stadt. Die hatte eine städtische Gedenkveranstaltung für Yozgat wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Die Gründe waren selbst für manchen Parteifreund von Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) nicht nachvollziehbar.

Die Familie des Opfers war am Freitag nicht anwesend. Atila Karabörklü, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), hatte die Yozgats zuvor besucht und verlas einen Brief des Vaters, Ismail Yozgat: Die Familie verzichte nur auf die Gedenkveranstaltung, weil die Stadt Unruhen befürchtete. «Für uns zählt das friedliche Miteinander und dass kein Bürger der Stadt Kassel zu Schaden kommt», schrieb der Vater des Mordopfers.

Der Gedanke der Verwaltung war nachvollziehbar: Angesichts antitürkischer Proteste und Anschläge – in Kassel flogen Ende März Brandsätze auf eine Moschee – befürchtete man eine Störung der Gedenkveranstaltung. Das Risiko hätte besonders bei der Anwesenheit offizieller Vertreter der Türkei bestanden. Eine Hundertschaft Polizisten, die den Halitplatz abriegelt – solche Bilder wollte man vermeiden.

Doch die Absage löste Verwirrung aus. Denn die Stadt ist nicht alleiniger Veranstalter. Traditionell ist die Initiative «6. April» mit im Boot. Sie setzt sich für eine Aufarbeitung der NSU-Morde ein und hatte eine Kundgebung zur selben Zeit angemeldet – die nicht abgesagt war. Darüber verlor die Stadt kein Wort.

Die Initiative reagierte empört und bekam Unterstützung: Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte Kassel scharf, dann folgte ein Aufruf von 59 Kasselern, darunter Prominente aus Politik, Wissenschaft, Kultur: «Eine Absage ist das falsche politische Signal», erklärten sie. Die Gedenkveranstaltung war plötzlich bundesweit Thema.

Der Oberbürgermeister Kassels reagierte am Freitagmorgen: Auch ohne offizielle Gedenkveranstaltung werde man innehalten, sagte er laut Mitteilung und erklärte: «Auch aus Respekt vor der Familie Yozgat lassen wir nicht zu, dass durch politische Instrumentalisierung – egal von welcher Seite – das Ansehen unseres Kasseler Mitbürgers Halit Yozgat beschädigt wird.»

 

 

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