Merz in Ankara – Wenn der Glashausbewohner mit Steinen wirft

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Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich in Ankara einmal mehr als moralischer Oberlehrer Europas inszeniert. Beim Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan belehrte er die Gastgeber über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und richterliche Unabhängigkeit – jene hehren Werte, an denen auch Deutschland zunehmend scheitert.

Merz erklärte, die Türkei erfülle nicht die „Ansprüche in Hinblick auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“. Ein Satz, der zweifellos auf der richtigen Bühne gesprochen wurde – nur leider von der falschen Person. Denn ausgerechnet ein deutscher Regierungschef sollte vorsichtig sein, anderen über Unabhängigkeit der Justiz zu predigen, während im eigenen Land Richterstellen nach Parteibuch und Nähe zu politischen Lagern vergeben werden.

Natürlich heißt es in Deutschland, der Richter sei nur seinem Gewissen unterworfen. Klingt edel, fast feierlich. In der Praxis aber wissen alle, dass Richterkarrieren vom Wohlwollen der Justizministerien abhängen – und dass manch einer mit zu viel Rückgrat schnell auf dem Abstellgleis landet. Wer die Hierarchien und Netzwerke der Justiz kennt, weiß: Unabhängigkeit ist oft eine Fiktion, die man pflegt, um das Vertrauen der Bürger zu bewahren.

Dass Merz also ausgerechnet in Ankara auf die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien pocht, wirkt wie ein politisches Theaterstück, bei dem der Hauptdarsteller seinen eigenen Text nicht versteht. Erdoğan konterte scharf und treffend, indem er Merz daran erinnerte, dass dieser in Deutschland selbst keine Mehrheit hat – ein Seitenhieb, der sitzt.

Tatsächlich steht Merz’ Kanzlerschaft auf wackligen Beinen. Seine Zustimmungswerte bröckeln, seine Partei ist gespalten, und seine Auftritte wirken zunehmend verkrampft. Es ist nur eine Frage der Zeit – ein halbes Jahr, vielleicht ein Jahr –, bis die politische Bühne ihn ausspuckt. Und wissen Sie was? Das ist gut so.

Denn was Deutschland nicht braucht, ist ein weiterer Politiker, der moralische Floskeln exportiert, während im eigenen Land die Fassade des Rechtsstaats längst Risse zeigt.

Merz’ Auftritt in Ankara war kein Zeichen von Stärke, sondern ein Paradebeispiel deutscher Doppelmoral – und ein Lehrstück darin, wie man sich diplomatisch selbst disqualifiziert.


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