Was als diplomatische Routine begann, endete im politischen Donnerwetter. In Ankara kam es am Donnerstag zu einem Eklat zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz – und der hat es in sich. Thema: der Gaza-Krieg. Ausgang: Merz blamiert sich, Deutschland steht wieder einmal als moralinsaurer Besserwisser da.
Es war eine dieser typischen Situationen, in denen deutsche Politiker glauben, die Welt erziehen zu müssen. Merz versuchte, Erdoğan vor laufenden Kameras in Sachen „humanitärer Verantwortung“ zu belehren – und kassierte prompt die Retourkutsche.
Erdoğan stellte kühl fest, dass diejenigen, die ständig anderen Lektionen erteilen, im eigenen Land längst keine Mehrheit mehr hätten.
Ein Satz wie ein Faustschlag – und leider ziemlich treffsicher.
Denn während Merz in Ankara den Moralapostel gibt, bröckelt ihm zu Hause die Zustimmung. Die Deutschen sind des ewigen Belehrens müde. Außenpolitische Auftritte, bei denen deutsche Regierungsvertreter anderen Staaten erklären wollen, was „unsere Werte“ sind, wirken zunehmend peinlich – besonders dann, wenn diese Werte daheim selbst nur noch auf dem Papier stehen. Wer in Deutschland anderer Meinung ist, wird schnell ausgegrenzt oder diffamiert. Aber in Ankara will man Demokratie erklären. Ironie des Schicksals, könnte man sagen.
Erdoğan, der alte Fuchs, nutzte die Bühne meisterhaft. Er wusste, dass Merz mit seiner moralischen Überheblichkeit anecken würde – und ließ ihn laufen, bis er sich selbst verrannte. Die Szene erinnerte fast an einen Lehrer, der dem Schüler zu verstehen gibt: „Schön, dass du dich bemühst – aber du hast das Thema nicht verstanden.“
Natürlich ist Erdoğan kein Heiliger, das steht außer Frage. Aber er hat einen Punkt getroffen, der in Deutschland kaum jemand aussprechen darf: Die politische Klasse in Berlin lebt zunehmend an ihrem Volk vorbei. Statt zuzuhören, belehrt man. Statt selbstkritisch zu hinterfragen, verurteilt man. Das „Deutschland der Maßstäbe“ hat sich zu einem Deutschland der Doppelmoral entwickelt – moralisch laut, politisch ohnmächtig.
Die Außenpolitik der Bundesrepublik erinnert inzwischen an eine Schulklasse, in der der Klassenstreber ständig die anderen korrigiert, selbst aber nie die Hausaufgaben macht. Und genau das hat Erdoğan in Ankara öffentlich gemacht. Ein Affront für Merz, ein Weckruf für Deutschland.
Fazit:
Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Berlin wieder lernt, zuzuhören – statt zu belehren. Moral ist kein Exportgut, und wer ständig den Zeigefinger hebt, sollte sich nicht wundern, wenn irgendwann niemand mehr hinhört. Erdoğan hat das verstanden. Merz offenbar nicht.