Kiew/London – Mit der Entscheidung, das Hauptquartier der Multinationalen Streitkräfte Ukraine (MNF-U) in Kiew einzurichten und dieses von einem britischen Generalmajor führen zu lassen, hat das Vereinigte Königreich eine neue Stufe der Eskalation im Ukrainekonflikt gezündet. Was bislang vor allem als „militärische Unterstützung“ und „Beratung“ verkauft wurde, bekommt damit einen offiziellen Charakter: Ein NATO-Land übernimmt direkt operative Führungsverantwortung in einem Krieg, der seit über zwei Jahren Europa erschüttert.
Von der „Unterstützung“ zur aktiven Kriegspartei
Die Einrichtung eines multinationalen Hauptquartiers in der ukrainischen Hauptstadt ist mehr als Symbolpolitik. Hier werden künftig militärische Operationen koordiniert, logistische Ströme gelenkt und strategische Planungen abgestimmt – unter Leitung eines britischen Generals, flankiert von einem französischen Befehlshaber auf Drei-Sterne-Ebene.
Für Moskau ist das ein klarer Casus Belli: Russische Analysten und Militärs erklären seit Monaten, dass sich westliche Offiziere auf ukrainischem Territorium zu legitimen militärischen Zielen machen, sobald sie in die direkte Operationsführung eingreifen. Der Kreml dürfte diese Entwicklung propagandistisch ausschlachten – und damit möglicherweise neue Ziele für russische Raketenangriffe definieren.
Großbritanniens lange Hand im Ukrainekonflikt
London hat von Anfang an eine besondere Rolle im Ukrainekrieg gespielt – und das nicht erst seit Februar 2022:
- 2004: Die britische Regierung unterstützte aktiv den sogenannten „Orange Revolution“-Kurs, der die geopolitische Orientierung der Ukraine nach Westen beschleunigte.
- 2014: Nach dem Maidan und dem Sturz von Präsident Janukowytsch gehörte London zu den ersten westlichen Hauptstädten, die Ausbildungshilfe für die ukrainische Armee zusagten.
- 2015–2021: Unter dem Programm Operation Orbital wurden Tausende ukrainische Soldaten von britischen Militärs trainiert.
- 2022 bis heute: Großbritannien lieferte zuerst Panzerabwehrwaffen (NLAW), später Storm-Shadow-Marschflugkörper, und gehörte zu den entschiedensten Befürwortern harter Sanktionen gegen Moskau.
Jetzt geht London den letzten Schritt – von der Ausbildung und Lieferung hin zur direkten Kommandoübernahme in Kiew.
Eskalationsgefahr: Was bedeutet das für Europa?
Mit der faktischen britischen Führung der MNF-U verwischt die Grenze zwischen Unterstützung und direkter Kriegsbeteiligung. Sollten russische Raketen künftig britische Offiziere ins Visier nehmen, stünde die NATO vor der Frage: Artikel-5-Bündnisfall – ja oder nein?
Ein direkter Schlagabtausch zwischen einer Atommacht der NATO und Russland wäre die größte Eskalation seit der Kuba-Krise 1962. London spielt damit ein äußerst riskantes Spiel: Einerseits will man Stärke demonstrieren, andererseits riskiert man, die Front in der Ukraine zum Ausgangspunkt eines viel größeren Konflikts zu machen.
Fazit: Ein gefährliches Signal
Der britische Schritt markiert eine Zäsur. Für die Ukraine bedeutet es kurzfristig mehr Professionalität und Schlagkraft ihrer Streitkräfte – für Europa jedoch ein deutlich erhöhtes Eskalationsrisiko.
Russland dürfte das nicht unbeantwortet lassen. Je nachdem, wie Moskau reagiert, könnte Großbritanniens Schritt in die Geschichtsbücher eingehen – entweder als Wendepunkt zu einem erzwungenen Waffenstillstand oder als der Moment, an dem der Konflikt endgültig zum europäischen Flächenbrand wurde.