Geselle: Stadt will Grundsatzentscheidung für Wasserversorgung in öffentlicher Hand – aber nicht auf dem Rücken der Bürger

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“Die Stadt Kassel wird im Verwaltungsrechtsstreit um die Kalkulation der Wassergebühren alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen”, bekräftigte Oberbürgermeister Christian Geselle. “Wir sind von unserer Position überzeugt, aber wir werden diesen Rechtsstreit finanziell nicht auf dem Rücken unserer Bürgerinnen und Bürger austragen.”

Deshalb werden die Abgabenbescheide auch für das Jahr 2019 weiterhin mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen, damit die Gebührenpflichtigen wie schon seit Juni 2017 keine Widersprüche einlegen müssen, um in jedem Fall ihre Rechte zu wahren. Damals hatte das Verwaltungsgericht Kassel in erster Instanz zu Ungunsten der Stadt Kassel entschieden. Sobald endgültige Rechtssicherheit besteht, könnte eine etwaige Rückzahlung veranlasst werden.

Kalkulation wird vorläufig neu berechnet Zudem werde nun die kürzlich von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Kalkulation der Trinkwassergebühren ab Januar 2020 neu berechnet. In diesem Zuge werden die Gebühren vorläufig ohne Konzessionsabgabe kalkuliert, kündigte Geselle an.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte am 11. Dezember 2018 laut Pressemitteilung geurteilt, dass die Konzessionsabgabe “nicht zu den auf die Gebührenpflichtigen umlegungsfähigen Kosten” zählen dürfe. Die schriftliche Begründung des Urteils (Aktenzeichen: 5 A 1307/17) liegt der Stadt bislang nicht vor.

Oberbürgermeister: “Wasserversorgung in Bürgerhand halten”

Sollte sich die Rechtsauffassung des VGH durchsetzen, könnte ein Trend zur Privatisierung der Wasserversorgung die Folge sein. “Genau das dürfen wir nicht zulassen. Die Versorgung mit Wasser als Lebensmittel Nummer Eins ist Vertrauenssache und Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge – ohne Wenn und Aber”, betonte Geselle. “Bundesweit ist zu Recht der Trend zu beobachten, die Wasserversorgung in Bürgerhand zu halten oder zurückzubekommen. Deshalb bleiben wir beharrlich und pochen auf eine juristische Grundsatzentscheidung, führen das Verfahren aber nicht zum Nachteil der Kasseler Gebührenzahler.” Im ersten Schritt werde die Stadt Kassel beim VGH eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen.

VG Düsseldorf erachtete Konzessionsabgabe als zulässig Ein identischer Fall war vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf verhandelt worden. Dabei hatten die Richter in ihrem rechtskräftigen Urteil vom 27. Februar 2018 zu Gunsten des Wasserversorgers entschieden und die Konzessionsabgabe in der Gebührenkalkulation ausdrücklich als zulässig erachtet (Aktenzeichen 5 K 15795/16). Bei der Konzessionsabgabe handelt es sich laut VG Düsseldorf nicht deshalb um überflüssige oder übermäßige Mehrkosten, weil sie durch die Organisationsform der Wasserversorgung verursacht sind.

 

“Wir erwägen auch eine Verfassungsbeschwerde”

Auch leuchte nicht ein, warum Konzessionsabgaben ohne weiteres in ein privatrechtliches Wasserentgelt einbezogen werden können, hingegen aber im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Gebühr ausgeklammert werden müssen. Dadurch würde die Wasserversorgung in öffentlich-rechtlicher Organisation in Hessen gegenüber privatrechtlichen Organisationsformen benachteiligt. Hierin sieht die Stadt einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte kommunale Selbstverwaltungshoheit, erläuterte Oberbürgermeister Geselle. “Deswegen erwägen wir auch eine Verfassungsbeschwerde.”

In Artikel 28 Grundgesetz heißt es: “Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung (…).”

Gebunden ans europäische Beihilferecht

Der Oberbürgermeister verwies auf Bindungen ans europäische Beihilferecht. Die Stadt sei dazu verpflichtet, die Konzessionsabgabe auf die Einräumung der Wegenutzungsrechte wie auch bei anderen leitungsgebundenen Energieträgern wie Strom und Gas zu erheben. Eine kostenfreie Überlassung wäre nicht zulässig. Insbesondere würde eine unentgeltliche Wegenutzung eine beihilferechtlich verbotene Quersubventionierung darstellen, die andere Marktteilnehmer diskriminiert, die ihrerseits Konzessionsabgaben oder Sondernutzungsentgelte entrichten.

“Einerseits verpflichtet uns das europäische Recht, die Konzessionsabgabe zu erheben, andererseits soll sie bei der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigt werden. Das passt nicht zusammen. Die Stadt hat bei der Gebührenkalkulation alle ihr entstehenden Kosten einzuberechnen”, führte Geselle aus. “Ansonsten wäre die Refinanzierung der Wasserversorgung in kommunaler Hand wirtschaftlich nicht tragfähig.”

Stadt Kassel


 

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