Die Ahnen als Hilfskriterium – Neue Medienstrategien im Umgang mit der AfD

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Der Fall Alice Weidel und was hat die Vergangenheit ihres Großvaters damit zu tun?

In der medialen Auseinandersetzung mit der Alternative für Deutschland (AfD) ist in letzter Zeit ein Phänomen zu beobachten, das aufhorchen lässt: Da eindeutige Beweise für die Einstufung der AfD als rechtsradikale Partei oft schwer zu liefern sind, rücken nun zunehmend die familiären Hintergründe und Ahnen der AfD-Mitglieder in den Fokus. Dieser Trend wirft Fragen auf, ob die Diskussion um die politische Ausrichtung der Partei nicht ins Persönliche abgleitet und ob solche Strategien der politischen Debatte förderlich sind. Dieser Aufsatz beleuchtet die Hintergründe und möglichen Motive dieses Vorgehens sowie seine Auswirkungen auf die politische Kultur und die Gesellschaft.

1. Der schwierige Beweis: AfD und Rechtsradikalismus

Die AfD wird häufig als rechtsgerichtete Partei eingestuft, und Teile der Partei stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Doch gerade im Hinblick auf den Begriff „rechtsradikal“ fehlen in vielen Fällen juristisch haltbare Beweise, die eine pauschale Einordnung der Partei und ihrer Mitglieder rechtfertigen könnten. Zwar gibt es einzelne Fälle von Mitgliedern, die sich mit rechtsradikalen Aussagen und Handlungen hervorgetan haben. Dennoch gelingt es selten, klare und objektive Belege für eine grundsätzliche rechtsradikale Ausrichtung der gesamten Partei zu präsentieren.

Statt auf konkrete Beweise gestützt, greifen einige Medien und Kritiker daher zu einem neuen Ansatz: der Analyse des familiären Hintergrunds und der Ahnenreihe von AfD-Mitgliedern. Die Frage, ob ein AfD-Politiker Vorfahren hat, die in der NS-Zeit eine Rolle spielten, wird dabei zunehmend als Indiz für die politischen Motive und Gesinnungen des jeweiligen Mitglieds betrachtet.

2. Die Ahnenforschung als „Hilfskriterium“: Legitimes Mittel oder Fehlgriff?

Der Ansatz, familiäre Zusammenhänge heranzuziehen, um politische Einstellungen zu interpretieren, ist durchaus fragwürdig. Persönliche Familiengeschichten und politische Positionen in eine direkte Verbindung zu bringen, setzt voraus, dass politische Überzeugungen vererbbar oder automatisch von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Die Geschichte zeigt jedoch, dass dies keineswegs der Fall ist. Politische Überzeugungen sind vielschichtige, individuelle Entscheidungen, die von Bildung, Lebenserfahrung und gesellschaftlichem Umfeld beeinflusst werden.

Eine Frage drängt sich auf: Warum sollten die Großeltern oder Urgroßeltern von AfD-Mitgliedern für ihre heutigen Einstellungen relevant sein? Müsste dieselbe Logik dann nicht auch auf Politiker anderer Parteien angewandt werden? Oder auf Journalisten, die eine solche Argumentation verfolgen? Wenn Medienvertreter die Ahnen von AfD-Mitgliedern durchleuchten, bleibt jedoch auffällig, dass sie ihre eigene Familiengeschichte und die ihrer Kollegen selten in die Öffentlichkeit tragen. Diese Doppelmoral lässt darauf schließen, dass es hier weniger um eine faire politische Auseinandersetzung als vielmehr um gezielte Diskreditierung geht.

3. Mediale Strategien und ihre Folgen: Die Gefahr der Pauschalisierung

Diese mediale Strategie hat weitreichende Konsequenzen, die über die AfD und ihre Anhänger hinausgehen. Sie kann dazu führen, dass gesellschaftliche Debatten auf das Persönliche reduziert und pauschale Urteile gefällt werden. Ein solcher Ansatz verlagert den Fokus von der sachlichen Kritik an politischen Inhalten hin zu einer Art Sippenhaft – ein Prinzip, das in demokratischen Gesellschaften eigentlich überwunden sein sollte. Die Auseinandersetzung mit politischen Positionen sollte auf der Basis von Argumenten und aktuellen Handlungen der jeweiligen Personen und Institutionen geführt werden, nicht auf der Grundlage ihrer familiären Herkunft.

Zudem wird durch diese Herangehensweise ein Klima geschaffen, in dem der Dialog zwischen politisch Andersdenkenden zunehmend erschwert wird. Die ständige Vermutung, dass jemand aufgrund seiner familiären Wurzeln eine bestimmte politische Haltung vertritt, führt zu einer emotional aufgeladenen, konfrontativen Diskussionskultur. Eine sachliche und inhaltlich fundierte Debatte über die AfD und ihre politische Positionierung wird dadurch erschwert.

4. Wünschenswerte Alternative: Sachliche Auseinandersetzung statt Persönliches

Eine produktive Debatte über die AfD und ihre politische Ausrichtung sollte auf Argumenten basieren, die überprüfbar und nachvollziehbar sind. Statt Ahnenforschung zu betreiben, sollten Medien sich auf die aktuellen politischen Aussagen und Entscheidungen der Partei und ihrer Vertreter konzentrieren. Nur so lässt sich auf einer fairen und konstruktiven Ebene diskutieren, ob die Partei in ihrem Handeln und ihrer Programmatik tatsächlich radikale Positionen vertritt.

Eine fundierte Analyse und Berichterstattung wäre nicht nur für die politische Kultur in Deutschland förderlich, sondern auch ein wichtiges Signal an die Gesellschaft: Dass politische Auseinandersetzungen nicht auf persönliche oder familiäre Aspekte abzielen sollten, sondern auf aktuelle Taten und Haltungen der handelnden Personen.

5. Fazit

Die gegenwärtige Strategie, die Ahnen von AfD-Mitgliedern als vermeintliche Beweise für rechtsradikale Tendenzen heranzuziehen, ist ein fragwürdiger Ansatz. Er birgt das Risiko, dass sich die politische Diskussion von der sachlichen Ebene entfernt und auf persönliche Angriffe reduziert wird. Statt eine offene, transparente Auseinandersetzung mit politischen Positionen zu fördern, könnte diese Praxis dazu führen, dass der Fokus auf das Persönliche und Historische gelegt wird – eine Entwicklung, die die demokratische Diskussionskultur gefährdet.

Um zu einer fairen und objektiven Betrachtung der AfD und ihrer politischen Ausrichtung zu gelangen, sollten Medien und Kritiker den Fokus auf gegenwärtige Handlungen und Aussagen legen. Letztlich profitieren sowohl die demokratische Kultur als auch die Gesellschaft als Ganzes von einer sachlichen, fundierten Debatte, die auf Argumenten statt auf Familiengeschichten beruht.


Auch von meinem Opa gibt es Bilder in Uniform, dieser starb als ich noch jung war. Was sagt das über mich aus?

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