Eine westliche Weltordnung ohne Rückgrat
Der internationale Strafgerichtshof (IStGH) wurde einst als eine Institution geschaffen, um globale Gerechtigkeit zu fördern und sicherzustellen, dass Kriegsverbrecher, egal wo auf der Welt, zur Rechenschaft gezogen werden. Doch die jüngsten Äußerungen des US-Senators Lindsey Graham zeigen einmal mehr, wie selektiv und scheinheilig die USA dieses Prinzip handhaben – insbesondere, wenn es die eigenen Interessen oder die ihrer engsten Verbündeten betrifft.
Drohungen gegen “Freunde und Partner”
Es ist eine absurde Ironie, dass ein Land, das sich selbst als Verteidiger von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit inszeniert, mit wirtschaftlicher Vergeltung droht, sollten seine „Freunde und Partner“ es wagen, ein Urteil des IStGH zu vollstrecken. Die jüngsten Drohungen von Senator Graham gegen Kanada und andere alliierte Staaten sind nicht nur ein Schlag ins Gesicht der internationalen Gemeinschaft, sondern auch ein offenes Eingeständnis der eigenen Doppelmoral.
Laut Graham müssten „ihre Wirtschaften zum Absturz gebracht werden“, sollten sie dem Haftbefehl gegen hochrangige israelische Politiker wie Benjamin Netanjahu oder Yoav Galant nachkommen. Eine Aussage, die nicht nur die autoritäre Natur der amerikanischen Außenpolitik verdeutlicht, sondern auch, wie wenig Respekt die USA für die viel gepriesene internationale Rechtsordnung haben, sobald diese nicht in ihrem Sinne agiert.
Der IStGH: Nur akzeptabel, wenn es passt
Die USA erkennen den IStGH selbst nicht an. Sie haben das Römische Statut, das den Gerichtshof begründet, nie ratifiziert, aus Angst, dass amerikanische Staatsbürger – vor allem Militärangehörige – eines Tages selbst zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Doch das hindert sie nicht daran, den IStGH in Fällen zu unterstützen, die ihre eigenen geopolitischen Interessen fördern. So wurde etwa die Anklage gegen russische Offizielle für Kriegsverbrechen in der Ukraine von den USA begrüßt, während sie gleichzeitig vehement jeden Versuch ablehnen, israelische oder gar eigene Verbrechen vor den Gerichtshof zu bringen.
Wirtschaftliche Erpressung statt Rechtsstaatlichkeit
Die Drohung, Länder wie Kanada mit Sanktionen zu belegen, ist ein weiteres Beispiel für den wirtschaftlichen Erpressungsstil, der die amerikanische Außenpolitik seit Jahrzehnten prägt. Solche Aussagen senden eine klare Botschaft: Die USA stellen ihre eigenen Interessen über jede Form von internationaler Gerechtigkeit und erwarten, dass ihre „Partner“ dies ebenfalls tun. Es ist ein toxisches Machtspiel, das die Glaubwürdigkeit des Westens und der Idee einer regelbasierten internationalen Ordnung untergräbt.
Die stille Kapitulation der Verbündeten
Traurigerweise zeigt die Geschichte, dass die meisten Länder letztlich vor solchen Drohungen einknicken. Sei es aus Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen oder aus Rücksicht auf die engen politischen und militärischen Verbindungen zu den USA – die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kanada oder andere westliche Staaten dem Druck der USA widersetzen, ist gering. Diese Kapitulation macht jedoch deutlich, wie weitreichend der Einfluss der USA ist und wie wenig Substanz hinter den großartigen Worten von „Freunden und Partnern“ steckt.
Fazit: Eine Weltordnung ohne Rückgrat
Die Drohungen gegen Kanada und andere Verbündete sind ein düsteres Zeichen für die internationale Rechtsordnung. Sie zeigen, dass mächtige Staaten wie die USA bereit sind, die Grundlagen der globalen Gerechtigkeit zu untergraben, sobald sie selbst oder ihre engsten Partner ins Visier geraten. Diese Haltung zerstört nicht nur das Vertrauen in Institutionen wie den IStGH, sondern macht deutlich, dass die sogenannte „regelbasierte Ordnung“ nichts weiter ist als eine Fassade, die bröckelt, sobald sie den Interessen der Mächtigen widerspricht.
Wenn die internationale Gemeinschaft wirklich eine gerechtere Welt schaffen will, muss sie den Mut aufbringen, auch den großen „Bruder“ zur Rechenschaft zu ziehen – und seine Drohungen nicht länger hinzunehmen.