Dorsten. Am 4. August 1962, vor sechzig Jahren, starb Marilyn Monroe. Sechs Wochen vor ihrem Tod hatte der damals schon bekannte Fotograf Bert Stern die Gelegenheit erhalten, mit ihr ein umfangreiches Foto-Shooting zu machen. Es würde ihr Letztes werden. Aus Anlass des sechzigsten Jahrestags zeigt das Jüdische Museum Westfalen eine Auswahl der damals entstandenen Fotos. Die Ausstellung ist zugleich auch ein Höhepunkt im dreißigsten Jubiläumsjahr.
Das erste Mal sah er sie persönlich 1955 auf einer Party für das Actors Studio in New York. Damals war Bert Stern schon ein erfolgreicher Werbefotograf. Dennoch traute er sich nicht, auf sie zu zugehen und zu sagen: “Tag, ich bin Bert Stern. Ich würde Sie gern fotografieren.”
Einige Jahre später, 1962 bekam er die Gelegenheit. Bert Stern gehörte zu den angesagten Modefotografen der frühen Sechziger-Jahre. Er war Vogue-Fotograf geworden. Damit war für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen, den er seit seinem 18. Geburtstag hatte. Nun wollte er unbedingt Marilyn Monroe fotografieren. Er suchte nach einem passenden Umfeld. Ein Studio in Hollywood schien ihm zu unpersönlich. Ein schönes, ruhiges Hotel schien Bert Stern geeignet. So kam er auf das Bel-Air Hotel. Es galt als das abgeschlossenste, intimste, schönste Hotel von Los Angeles. Ideal also für ein ungestörtes Foto-Shooting mit Marilyn Monroe. Stern wusste nicht, dass Marilyn dieses Hotel nicht nur kannte, sondern sehr mochte. Sie hatte dort sogar schon einige Male gewohnt. Für Bert Stern passte alles zueinander, wenn sie sich im Bel-Air begegnen würden. Marilyn müsste sich wie zu Hause fühlen.
Als sie sich dort im Juni 1962 in der Suite Nr. 261 trafen, konnte noch niemand ahnen, dass das iIhr letztes Shooting sein würde. Marilyn Monroe verließ die Welt, die ihr zu Füßen lag, im August 1962 auf tragische Weise. Die Bilder, die aus der mehrtägigen Arbeit von Marilyn Monroe und Bert Stern entstanden, bilden die umfangreichste dokumentierte Fotositzung, die es von der Monroe gibt. Sie sind spektakulär, ikonografisch und zugleich zeitlos
Marilyn Monroe sollte um 14 Uhr kommen. Bert Stern wusste, dass sich der Star gern verspätete, so wartete er geduldig in der Suite. Das Shooting mit ihr war ihm das Warten wert. Dann um sieben Uhr klingelte das Telefon. Anruf der Hotelrezeption: “Miss Monroe ist hier.” Sie hatte Zeit mitgebracht, viel Zeit sogar. Bert Stern hatte versucht, eine entspannte, fast private Atmosphäre in der Hotelsuite herzustellen, keine sachliche Studioatmosphäre. Es funktionierte. Langsam bewegten sich beide aufeinander zu, das Model und der Fotograf. Stern hatte sich von der Vogue-Redaktion etliche Tücher geben lassen, transparent und teils farbig. Diese Tücher gefielen ihr. Sie begann, mit ihnen zu spielen, sich einzuhüllen. Bert Stern fotografierte und fotografierte. Es war sieben Uhr morgens, als sie aufhörten. Zwölf Stunden hatten sie gearbeitet. Während Bert Stern die Filmrollen einsammelte, verabschiedete sich Marilyn ruhig und ging.
Bert Stern war mit den entstandenen Fotos sehr zufrieden. Die Vogue-Redaktion auch, wünschte sich aber noch Modefotos. Es kam zu einem zweiten Termin mit Marilyn Monroe, wieder im Bel-Air Hotel, allerdings mit mehr Personal. Viele Kleider, Mäntel und Accessoires lagen bereit. Nach einigen Stunden Modefotografie waren Bert Stern und Marilyn Monroe müde. Sie hatten gemacht, was Vogue wollte, aber nicht so, wie sie gern die Fotos gemacht hätten. Es gelang ihm, die Crew aus dem Zimmer zu drängen. Dann entstanden erneut Aufnahmen von großer Intimität, sozusagen Marilyn Monroe pur. Es gab noch einen dritten Termin. Doch die Spannung zwischen dem Model und dem Fotografen war verschwunden. Es gelangen noch, wie Bert Stern es beschrieb, einige gute SW-Außenaufnahmen.
Während die Vogue-Redaktion an der Fotoauswahl und dem Layout für die nächste Ausgabe arbeitete, bat die Agentin von Marilyn Monroe um die Übersendung der Fotos, da Marilyn die Aufnahmen vor der Veröffentlichung freigeben wollte. Bert Stern schickte von den SW-Fotos sogenannte Kontaktbögen. Da es sich bei den Farbaufnahmen um Diapositive handelte, musste er die Originale versenden. Er schickte aber nicht alle, sondern nur eine kleine Auswahl. Als die Fotos zurückkamen, war Stern überrascht und wütend zugleich. Marilyn hatte viele Fotos durchgestrichen, weil sie sich nicht gefiel. Auf den Kontaktbögen kein Problem, da es noch die Negative gab. Die Diapositive waren allerdings zerstört, mit Nadeln zerkratzt oder mit Nagellack überpinselt. Auch diese Fotos werden inzwischen teuer gehandelt, sind Kult geworden.
Als sie die Fotos zerstörte, hatte sie keine zwei Wochen mehr zu leben. Bert Stern sagte dazu später: “Sie hatte nicht bloß meine Bilder durchgestrichen, sie hatte sich selbst durchgestrichen.”
Die entstandenen Fotos zeigen die Monroe als Profi, aber auch die Marilyn sehr persönlich: lustig, nachdenklich, verletzlich, provokant. Dies ist die besondere und einmalige Qualität und Zeitlosigkeit dieser Fotoserie. Durch ihren Tod einige Wochen später, wurden diese Aufnahmen zu “The Last Sitting” (das letzte Foto-Shooting) und zum Meilenstein der Monroe-Biographie.
Die Ausstellung besteht aus 76 Fotos in den Formaten 60 x 60 cm bis 120 x 120 cm. Es handelt sich um Silber-Gelatine-Abzüge und einige Siebdrucke. Zusammen gestellt wurde die Ausstellung von Ina Brockmann und Peter Reichelt, zwei erfahrenen Ausstellungsmacher*innen, in Absprache mit Bert Stern.
Bert Stern (3.10.1929 – 26.6.2013) wuchs als Kind jüdischer Einwanderer in Brooklyn auf. Als amerikanischer Werbe- und Modefotograf, revolutionierte er in den 1950er Jahren die Werbefotografie. Seine Arbeiten wurden in über 40 europäischen Museen gezeigt. Das Jüdische Museum Westfalen zeigt die Ausstellung vom 10. Juli bis zum 11. September 2022. Es ist eine Hommage an beide, den Fotografen Bert Stern und die großartige, unvergessene Marilyn Monroe.
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