Wer glaubt, dass Putin einen Kamikaze-Alleingang gewagt hat, der hat wesentliche Punkte der veränderten globalen Lage verpasst. Im Gegenteil: es steht zu vermuten, dass das Vorgehen genauestens mit China abgestimmt ist.
Beide Länder sehen sich einem aus ihrer Sicht stets und ständig übergriffigen Westen gegenüber. Hier besonders einer USA, die in ihren Gehabe stark an das absteigende britische Empire erinnert. Also einem Imperium, das auf dem absteigenden Ast ist und es nicht wahrhaben will, was bis dato auf britische Gemüter drückt.
Seit fast zwanzig Jahren wurden gegen Russland (HIER) mit Sanktionen gespielt. So oft und so umfänglich, dass es hier schon eine Politikergeneration im Westen gibt, die sich gar nicht mehr daran erinnern können, wann man mal nicht gegen Russland Sanktionen wollte.
Diese Forderung in Debatten einzubringen ist schon fast modern geworden.
Ergo hatte Russland, und seit ein paar Jahren auch China, das Vergnügen sich auf eben diese Sanktionen einzustellen. Wege zu finden und zu schaffen eben diese Sanktionen zu umgehen. Ins Leere laufen zu lassen.
Letzteres war recht simpel, da die Energie- und Rohstoffvorkommen beider Reiche – nicht nur Länder! – für die Weltwirtschaft entscheidend waren, sind und sein werden. Daher schaute der Westen weg, wenn es um seinen wirtschaftlichen Vorteil ging.
Egal, ob das Öl und Gas aus Russland oder seltene Erden aus China waren.
Die USA hatten da noch das Problem, dass ihre Verschuldungsorgien gern in China einen Abnehmer fanden. Ohne China, wären die USA seit fünfzehn Jahren Pleite.
Doch wie wirkt der Westen, und gerade Europa samt ehemaliger Führungsmacht Deutschland, aus russischer Sicht, wenn es um Sanktionen geht?
Nordstream 1 und 2:
sind wichtige Pipelines, mit der Russland die dauerbaustelle Ukraine umgehen wollte. Denn diese hat zu oft Gas aus der alten Pipeline abgezweigt oder diese Leitung dichtgemacht.
Daher wurden weitere Pipelines gebaut, die die Ukraine völlig unbeteiligt ließen. Auch zwei nach China, das zunehmend zum Hauptabnehmer des Gases wurde, das wir so offensichtlich nicht brauchen.
Nordstream ist für die Russen daher eher wie ein dauerndes Gesprächsangebot an Europa und ein Wink mit dem Zaunpfahl an Deutschland, das leichtfertig, kurzsichtig und ideologisch verblendet so ziemlich alle zuverlässigen Träger zur Energieproduktion abgeschafft hat.
Ein Europa an der Energieleine der US-Frackingindustrie war Russland nicht gelegen. Den USA aber schon, das aufgrund eben dieser ökologisch wie geologisch bedenklichen Frackingtechnik zum weltweit größten Ölproduzenten aufgestiegen ist. Die USA produzieren inzwischen fast doppelt so viel Öl wie die Saudis. Die Russen knapp anderthalb Mal so viel…
Das haben viele Politiker und Bürger in Europa so nicht auf dem Schirm.
Daher werden Öl- und Gassanktionen gegen Russland ins Leere laufen. Es wird immer Abnehmer geben.
SWIFT (HIER)
Das internationale Zahlungssystem, das gerade durch die Gemüter unserer Politiker geistert aber nur zögerlich eingesetzt wird, ist nicht mehr einmalig. Wäre es das, dann hätte Russland ein Problem, denn es könnte seine Rohstofflieferungen nicht online bezahlt bekommen. Der Geldtransfer wäre unmöglich. Für jede Leistung und egal in welche Richtung.
Diese Abhängigkeit schwebte immer über all denen, die der westlichen Welt nicht genehm genug waren. Der Iran zum Beispiel.
Gegen große Volkswirtschaften wurde das aber niemals angewandt, denn davon war auch immer die eigene Industrie betroffen.
Dennoch erschien die Gefahr so groß, dass man in China ein eigenes Zahlungssystem CIPS (HIER hätte jetzt ein Wiki-Link sein sollen, doch hat Wiki hierzu keinen Artikel… HIER) entwickelt hat, dass wenn auch noch nicht so ausgereift, so doch schon 40% des Traffics von SWIFT hat.
Oder man nimmt das eigene russische System SPFS…
Russland kennt diese Systeme schon und handelt damit. Nicht nur mit China, sondern weltweit. Denn Russen wie Chinesen fördern diese Variante, um ihre Handelspartner aus der SWIFT-/US-Falle herauszuholen und in ihre Abhängigkeit zu treiben. Besonders im rohstoffreichen Afrika, wo die USA zunehmend verspielt haben.
Dollarhegemonie
Und bei der Gelegenheit steht dann auch der Dollar als Leitwährung der Welt zur Disposition. Bisher wurden alle Rohstoffverkäufe weltweit in Dollars abgerechnet. Das war und ist ein Ärgernis für alle, die eben diese Devisen nicht haben. Es kam auf jeden Transfer ad-on oben drauf.
Das störte schon immer die inzwischen papiertigerhafte OPEC und ist für Russland und China ein Ärgernis, das man zunehmend umgeht.
Letztlich ist es aber für die USA extrem wichtig, dass daran nicht gerüttelt wird, denn so sind die USA im Stande die Welt an ihrer Verschuldung zu beteiligen; u.a. auch die horrenden Militärausgaben aufrecht zu erhalten, die ein vielfaches von dem sind, was andere Staaten pro Kopf ihrer Bevölkerung ausgeben.
Ohne diesen weltweit einmaligen währungspolitischen Kniff, der anderswo schon oft beschrieben wurde, wären die USA nicht die, die sie nun mal sind.
Auch hier könnte der Schuss ganz schnell nach hinten losgehen, zumal die Inflation schnell steigt und Notenbankschritte nötig gemacht hat.
Etwas, was die EZB tunlichst zu vermeiden sucht, um der ausufernden Inflation im Euro-Raum zu begegnen. Auch im Bewusstsein, dass Südeuropa keinerlei Abweichung von der Nullzins-Politik verträgt. Hier liegt ohnehin eine tickende Zeitbombe begraben, wie jeder Bürger nun in der Geldbörse merkt.
IT-Systeme
Auch hier haben sich China und Russland sowieso vom Westen unabhängig gemacht. Beide Länder kennen eigene Systeme, eigene Entwicklungen und eigene Richtlinien, um der seit Jahrzehnten drohenden Falle zu entgehen.
Und während wir im Westen gern kostenwirtschaftlich arbeiten, gern alles billig halten und in die noch billigere Cloud packen, macht man das in diesen beiden Reichen anders. Hier schaltet man die Vernunft dazwischen. Und das Misstrauen. Letzteres ist in beiden Kulturen recht ausgeprägt.
Und dass man sich hier schon oft beim Westen bedient hat, ist nicht nur durch die gestohlenen Pläne diverser US-amerikanischer Waffensysteme gut dokumentiert. Und wenn das da schon passiert, was heißt das dann für die westlichen IT-Systeme insgesamt? Wie sicher sind diese? Besonders bei Gegenmaßnahmen zu Sanktionen, mit denen unsere Politiker so gern liebäugeln.
Oder glauben wir ernsthaft, dass unsere vollmundigen Gründungen von Cyberabwehrzentren irgendwie besser sind, als die bunten ppt-Vorträge der Verantwortlichen aussehen? Seit Jahren ist IT-Security in Deutschland ein Fremd- oder gar Reizwort, das kein Geld bringt aber kostet.
Und hier warten schon ganze Legionen in China, Korea und Russland, um abzugreifen was geht. Oder um anzugreifen. Ziele gibt es da wahrlich genug: Energieversorgung, Verkehrssysteme, Datennetze, Telefonnetze, Wasserver- und –entsorgung, Fernwärme, Netzknoten, Krankenhäuser und … Banken.
Oder gar die Zentren und zivilen Provider, die uns vor Angriffen schützen sollen. Deren IT-Infrastrukturen sind oft noch mieser, als von denen, die sie schützen sollen.
Krieg der Kulturen
Unsere Presse bemüht sich gerade Putin als Idioten auf der Stufe eines Trumps hinzustellen. Als Volltrottel, der wirres Zeug redet. Keine Ahnung von dem hat, was er tut. So der Bevölkerung suggeriert, dass er scheitern wird, und Russen froh sein müssen, wenn sie jetzt nicht verhungern müssen.
Man könnte anmerken, dass das letztmalig unter Stalin tatsächlich der Fall war. Auch China hat unter Mao gehungert. Nur wird das nun wieder so sein? Eher nicht…
Russland und China sind geschlossene und in sich homogene Kulturen mit langen Traditionen, die gepflegt werden. Das Heimatgefühl ist stark verankert. In breiten Teilen der Bevölkerung. Und eben diese Bevölkerung hat in weiten Teilen nicht den Lebensstandard, der im Westen umfänglich normal ist. Ergo ist das Anspruchsdenken weit geringer. Und damit auch die Leidensfähigkeit höher.
Wehr- und Sozialdienste sind normal, daher auch die Verfügbarkeit von mehr Unterstützung aus dem Volk als Mobilisierungsgrundlage weit größer.
Beide Reiche verachten den dekadenten Westen. Die Dummheit seine Kultur und Tradition aufzugeben, die von beiden Reichen als Grundlage für einen Staat und eine Gesellschaft für sich anerkannt werden.
Unsere Politik und Medien werden aus russischer und chinesischer Sicht als Volksverdummung angesehen. Und zwar in einem Maße, dass man allein schon in China gewillt war das westliche Internet zu beschränken. Nicht aus Angst vor westlicher Einmischungsmöglichkeiten, sondern schlicht aus „Fürsorge“ heraus seine Bürger vor solchem Blödsinn zu schützen. Die Gemeinschaft und damit den Staat und seine Werte zu schützen.
Im Westen sieht man das als Zensur an. Versteht es auch so. In Russland und China wird die bunte Welt des zunehmend moralisch enthemmten Westens aber als alles zersetzende ethische Gefahr wahrgenommen.
In beiden Reichen sieht man diese Moralpolitik als verwerflich, gefährlich und ursächlich dafür an, dass der Westen scheitern muss. Wirtschaftlich, finanziell und sozial.
Und der soziale Niedergang des Westens manifestiert sich in den Augen von Russland und China darin, dass die Gesellschaft keinen wirklichen Zusammenhalt mehr hat.
Letzter wurde durch die Coronapolitik zusätzlich nachhaltig gestört, was montags nun unübersehbar geworden ist. Große Teile der westlichen Bevölkerungen trauen ihrer Führung nicht mehr über den Weg.
Kann es einen idealeren Zeitpunkt geben, eigene Interessen voranzutreiben?
Kontrollfrage:
Wen von uns stört es wirklich, was da in der Ukraine passiert und wer wäre bereit dafür wirkliche und nachhaltige Opfer zu bringen?
In Summe betrachtet war Putin also kein Wirrkopf, Idiot oder Trottel. Er hat sich seit zwanzig Jahren auf den Fall der Fälle vorbereitet. Es war für ihn absehbar, dass es irgendwann einmal knallt. Es zum Bruch kommt. Kommen muss. Und er hat vorgesorgt. Zusammen mit dem Reich, das auch auf der Abschussliste der USA steht: China.
Allein schon die Tatsache, dass aus China NICHTS kommt, sagt eigentlich alles. Man wartet auf die Sanktionen, die da kommen und reagiert dann aus der Hinterhand.
Seit Jahren kaufen China und Russland Gold in Mengen auf, die auch hier eine Absicherungshandlung währungspolitischer Art erkennen lassen. Das Ende des digitalen Girogeldes ohne stabilen Kern erscheint ein Auslaufmodell zu sein, wie auch die EZB erkannt hat. Sie arbeitet an einer Kryptowährung mit Goldkern.
Daher ist auch hier eine Richtung erkennbar, die Russland und China aktiv mitgestalten werden.
Man ist vorbereitet. Auf Augenhöhe. Nichts wurde dem Zufall überlassen.
Warum handelt Putin jetzt?
Weil der Westen seit 45 niemals schwächer war als gerade jetzt. Wir haben es weltweit geschafft unsere westlichen Demokratien in die Hände von Gestalten zu legen, die wir vor 40 Jahren noch nicht einmal angesehen hätten.
Westliche Politik wurde zum Spielball von bildungslosen Gestalten, die wohlstandsverwöhnt Blasen als Realität begreifen wollen ohne die Kosten zu hinterfragen. Nicht nur monetär ausblenden, sondern auch und vor allem sozial und wirtschaftlich.
Noch nicht einmal mehr wissen, wie hoch die Verschuldung gewachsen ist und ernsthaft glauben, dass die dauernde Neuverschuldung die Lösung für ihre ideologiegetrieben Probleme ist.
Russland wie China wissen, dass es so nicht geht. Beide kommunistische Systeme scheiterten an exakt dieser falschen Denkart real-existente Herausforderungen mit Ideologie lösen oder mit gedrucktem Geld finanzieren zu wollen.
Dazu die innere Zerrissenheit der westlichen Bevölkerungen, die keine homogene Gegnerschaft wie im kalten Krieg mehr zulassen. Die man sogar – anders als damals – massiv mit eigenen Kommunikationskanälen erreichen und beeinflussen kann.
Mitunter auch wie in Deutschland, wo es eine große Anzahl von Russlanddeutschen gibt, die immer noch ihrer alten Heimat Russland verbunden sind. Diese zählt fast zwei Millionen Menschen…
Putin weiß also, ebenso wie China, dass der einst geschlossene Westen nicht mehr geschlossen ist. Es vermutlich auch lange Zeit nicht mehr sein wird. Und auch ganz andere Probleme hat als neue Konfliktherde aufzumachen.
Westliche Interventionspolitik ist überall gescheitert. In Bosnien, Afghanistan, Vietnam, Korea, Irak, Syrien, in Afrika oder sonstwo.
Putin weiß, dass die Menschen im Westen und besonders in Europa andere Probleme vordergründiger sehen, als einer aus westlicher Sicht ebenfalls despotisch regierten Ukraine helfen zu wollen.
Vielmehr sehen sie steigende Lebenshaltungskosten, Unsicherheiten bei der Altersversorgung und eine abnehmende innere Sicherheit als Kernprobleme wahr.
Und während in Russland nun die vaterländische Propaganda umfänglich mobil macht passiert im Westen exakt das, was Putin erwarten konnte: quasi gar nichts.
Keine Mobilmachung, keine Aufstockung der Militärkapazitäten dafür aber Rededuelle und Sprechblasen. – Das war es. Und mehr kommt auch nicht.
Denn alles andere würde Russland weniger treffen als den Westen und hier besonders die USA. Letztere könnten als der absolute Verlierer dastehen. Wie einst das britische Empire. Den Zweiten Weltkrieg zwar gewonnen aber halt kein Empire mehr.
Und im Falle des Westens ist ernsthaft zu hinterfragen, ob wir vor dem absehbaren Niedergang auch wirklich gewinnen würden. So angeschlagen wie wir in den Konflikt reinstolpern.
Sollte man mit Empörungskultur gewinnen können, wären wir jetzt schon Sieger. Nur siegt halt Empörung ohne hinreichende eigene Opfer nicht.
Und ich habe das ganz starke Gefühl, dass der „irre“ Putin das ganz genau weiß… -SIC!
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