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Am 13. Dezember 1939 kam es vor der Mündung des Rio de la Plata vor Südamerika zu einem Seegefecht zwischen dem damals sog. Westentaschenschlachtschiff Admiral Graf Spee und drei englischen Kreuzern.
Nachdem die Engländer auf Grund schwerer Schäden das Gefecht abbrechen mussten, lief das deutsche Panzerschiff Montevideo im neutralen Uruguay an, um Reparaturen ausführen zu können. Was dann folgte schrieb damals Weltgeschichte. Radioreporter aus aller Welt berichteten live über jede Bewegung. Ähnlich einem Endspiel bei einer Fußballweltmeisterschaft. Doch was machte den Fall so besonders, dass ihm heute noch gedacht wird?
Als die Vertreter der Weimarer Republik den Friedensvertrag von Versailles unterzeichnen mussten, verzichteten sie u.a. auch darauf größere Kriegsschiffe als 10.160 Tonnen und mit größeren Geschützkalibern als 28cm zur Hauptbewaffnung zu bauen. Im internationalen Vergleich, wo inzwischen Schiffe von 38.000 Tonnen und bis zu 40,6cm-Kanonen Normalität wurden, war das ein Aspekt, der die deutsche Marine dauerhaft aus dem Spiel nehmen sollte.
Damit musste die Weimarer Republik praktisch von vorn anfangen, da die ihnen verbliebenden Linienschiffe allesamt schon 1914 völlig veraltet gewesen waren. Nur noch als Schulschiffe taugten. Bestenfalls mal Flagge zeigen konnten. Vor Ort an eigenen Gestaden, da sie niemals wirklich als hochseetaugliche Schiffe konstruiert worden waren, wie es bei den Briten normal war. So lief schon 1925 der neue leichte Kreuzer Emden vom Stapel, der diese Repräsentationsaufgaben weltweit übernahm.
Doch das reichte natürlich nicht. Daher begann die Marine der Weimarer Republik im Rahmen der Vorgaben schon früh damit einen kampfstarken Kriegsschifftyp zu entwickeln, der aus den auferlegten Prämissen Vorteile schaffen konnte.
Es entstand die Idee, ein kreuzergroßes Kriegsschiff um einen damals hochmodernen Dieselantrieb herum zu konstruieren. Der Diesel hatte den Vorteil, dass er weniger Raum und viel weniger Gewicht benötigte als damals herkömmliche Antriebe. Zudem war er wirtschaftlicher im Verbrauch und ermöglichte größere Reichweiten. Das so eingesparte Gewicht ging in die zusätzliche Panzerung und eine starke 28cm-Artillerie, die allen damaligen Kreuzertypen überlegen war. Gleichzeitig war das Schiff schneller als alle Schiffe, die ihm artilleristisch überlegen waren. Konnte also allen gängigen Schlachtschiffen ihrer Zeit davonlaufen, möglichen Gefechten ausweichen.
So entstand das Motto der als Panzerschiffe bezeichneten Kreuzer, die in aller Welt bald als „German Pocket Battleships“ bekannt waren: Schneller als jeder Stärkere und stärker als jeder Schnellere.
Und gerade das machte sie zu einer ernsten Gefahr für britische Handelswege, die traditionell von nur leichten bis mittleren Kreuzern gedeckt wurden. Diese waren billig im Unterhalt, schnell und überall in der Lage englische Interessen, gerade auch gegen Kleinstaaten durchzusetzen und koloniale Interessen zu wahren. Dies wiederum ermöglichte die Reduzierung ihrer großen aber teuren Schlachtflotte. Der Washingtoner-Flottenvertrag von 1922 hatte u.a. auch das Ziel die immensen Flottenkosten zu reduzieren, die während des Krieges explodiert waren. So wurde auch ein zehnjähriger Baustopp aller Großkampfschiffe vereinbart. Da das geschlagene Deutschland diesen Vertrag so nie mitunterzeichnet hatte, noch nicht mal zur Konferenz eingeladen worden war, waren die drei neuen Panzerschiffe, die ab 1928 gebaut wurden, im Mittelpunkt weltweiten Interesses.
Schnell wurde den Briten klar, dass diese Schiffe ein echter Gegner waren. Ihr Schutzkonzept der Handelswege in einem möglichen neuen Konflikt aushebeln konnten, zumal sie selbst den Diesel nicht als Antrieb favorisiert hatten.
Durch geschickte Täuschung hatte es die Kriegsmarine auch geschafft den Eindruck zu erwecken, dass diese Schiffe tatsächlich nur 10.000 Tonnen groß waren, damit die Schiffe im Rahmen der Vorgaben von Versailles lagen.
Das war Teil der Legende dessen, was das Gefecht im Dezember 39 dann so interessant für die Welt machte.
Die Admiral Graf Spee war nach dem Admiral benannt worden, der 1914 mit dem kaiserlichen Ostasiengeschwader unweit des Dramas von 1939 bei den Falklands untergegangen war ( http://nordhessen-journal.de/2019/12/10/sms-scharnhorst-wiedergefunden/ ).
Allein daher war schon vom Namen des Schiffes her ein Bezug für die weltweite Öffentlichkeit hergestellt. Das Interesse vorprogrammiert, da die Graf Spee vor Kriegsbeginn im September von den Engländern unentdeckt in den Südatlantik entsandt worden war. Von dort hatte sie die Handelsrouten vom indischen Ozean und des Pazifiks gestört und bis zum Gefecht am Rio de la Plata noch neun Handelsschiffe mit 50.000 BRT versenkt.
Als sich der Kommandant, Kapitän zur See Hans Langsdorff, entschloss wieder Richtung Heimat zu fahren, wollte er noch die für England wichtigen Getreide- und Fleischtransporte aus Argentinien stören. Und exakt damit hatte der englische Commodore Harwood gerechnet und seine Verbände exakt dort zusammengezogen. Die Kreuzer HMS Ajax (Flaggschiff), HMNZS Achilles und HMS Exeter warteten dort in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember in Gefechtsbereitschaft versetzt auf die erwartete Ankunft der Graf Spee.
Diese tauchte tatsächlich auch ein paar Stunden später auf und hielt die zwei leichten Kreuzer Ajax und Achilles und den schweren Kreuzer Exeter für einen Verband aus zwei Zerstörern und einem Kreuzer, da sie sich auch so verhielten.
Commodore Harwood hatte seine Kommandanten angewiesen sofort nach Sichtung unter allen Umständen die Gefechtsentfernung zu verringern und so in Reichweite der eigenen leichteren Geschütze zu gelangen. Sich zudem in zwei Gruppen aufzuteilen, die getrennt von einander die deutsche Zielerfassung aufsplitten und so das Gegenfeuer der Graf Spee streuen sollten. Damit sollte immer mindestens ein Schiff vom Feuer der zwei schweren 28cm-Drillingstürme des Panzerschiffs verschont werden.
Der Plan ging zum Teil auf. Die schnelleren englischen Kreuzer konnten selbst auf Gefechtsentfernung vordringen und das deutsche Schiff ausmanövrieren. Doch die Schnelleren wurden hier vom Stärkeren zusammengeschossen, wie es dem Konzept des Panzerschiffes entsprach.
Die HMS Exeter mit ihren sechs 20,3cm-Geschützen wurde zusammengeschossen und musste zu den Falklands ablaufen. Die verbliebenden zwei englischen leichten Kreuzer mit ihren 15,2cm-Geschützen mussten sich ebenfalls angeschlagen zurückziehen. Warteten auf die avisierte HMS Cumberland mit ihren acht 20,3cm-Geschützen, die aber noch in zehn Tagen Entfernung vermutet wurde.
Auch die Admiral Graf Spee war mehrfach getroffen worden. Ein Treffer hatte die Kombüse zerstört, sodass keine warmen Mahlzeiten mehr zubereitet werden konnten, was die Seeausdauer erheblich einschränkte; den Rückmarsch unmöglich machte. Daher lief das Schiff mit 36 Toten und 60 Verwundeten Montevideo zu Reparaturen an. Diese mussten gemäß internationalem Recht binnen 72 Stunden abgeschlossen sein, und das Schiff danach die neutralen Gewässer wieder verlassen haben.
Davon war aber die Graf Spee am 17.12.39 noch weit entfernt. Die Kombüse konnte nicht wiederhergestellt werden. Das Schiff konnte so die Rückfahrt nicht verwirklichen.
Zwischenzeitlich zogen die Briten alle Einheiten vor der Flussmündung zusammen. Darunter auch die HMS Cumberland, die innerhalb von nur 35 Stunden über 1000 Seemeilen geschafft hatte.
Mit seinen drei Kreuzern wartete nun Rear-Admiral Harwood auf das Auslaufen der Graf Spee. Durch geschickte nachrichtendienstliche Maßnahmen, Schüren von Gerüchten und diplomatischen Tricks glaubte Kapitän Langsdorff aber daran, dass sich auf See mehr als diese drei englischen Kreuzer befanden und auf ihn warteten.
Die Unmöglichkeit vor Augen ohne Kombüse die Heimat zu erreichen und gegen einen überlegenen Gegner antreten zu müssen, ohne Hoffnung diesen Sieg für eine Rückkehr nutzen zu können, entschloss sich der Kommandant sein Schiff selbst zu versenken. Deutsche Technik so auch geheim zu halten. Das Leben seiner noch 1100 Mann starken Besatzung zu schonen.
Die Regierung in Berlin kochte vor Wut, warf dem hochdekorierten Kriegsveteran des ersten Weltkriegs Feigheit vor dem Feind und Hochverrat vor. Drohte mit dem Kriegsgericht.
Kapitän Hans Langsdorff regelte in den folgenden Tagen mit der Regierung in Buenos Aires die Internierung seiner Besatzung, die Versorgung der Verwundeten sowie die Beisetzung der Gefallenen seines Schiffs auf dem Cementerio del Norte und beging anschließend auf seinem Zimmer im Marinearsenal am 20.12.39 Selbstmord.
Während ihm bei seiner Beisetzung in Buenos Aires unter großer Anteilnahme der Bevölkerung selbst Besatzungsmitglieder der von ihm versenkten Schiffe das letzte Geleit gaben, kürzte man in der Heimat die Bezüge der Kapitänswitwe.
Die drei englischen Kapitäne und ihr Commodore erhielten am Tage nach dem Seegefecht den Bath-Orden samt Ritterschlag. Harwood wurde zum Rear-Admiral befördert. In Ontario (Kanada) wurde die Stadt Ajax gegründet, deren Straßen nach Persönlichkeiten des Gefechts benannt wurden. Darunter auch eine Straße, die nach Kapitän Hans Langsdorff benannt wurde.
Alljährlich legen die noch lebenden Besatzungsmitglieder und deren Nachfahren einen Kranz am Grab von Kapitän Langsdorff nieder, das in Buenos Aires wie ein Heldendenkmal gestaltet ist.
Die HMS Exeter wurde am 1. März 1942 durch japanische Seestreitkräfte gestellt und versenkt. Die HMNZS Achilles wurde an Indien verkauft, 1978 außer Dienst gestellt und verschrottet, während die HMS Ajax vor ihrer Verschrottung 1949 noch eine gewisse Berühmtheit erlangte, da sie die britischen Einheiten anführte, die dem jüdischen Flüchtlingsschiff Exodus 1947 mit 4600 Menschen an Bord die Einreise nach Palästina verwehrte und kaperte.
Kommodore Henry Harwood KCB, wurde im Verlauf des Krieges noch Vice-Admiral, war ein Protegé von Winston Churchill und starb mit 62 Jahren gesundheitlich angeschlagen 1950 in London.
Kürzlich wurde der Heckadler der Graf Spee geborgen, was prompt einen Streit darüber auslöste was mit ihm zu geschehen habe. Der Schlusspunkt einer Geschichte, der zeigt, wie absurd manchmal Geschichte werden kann, wenn Unbeteiligte mit Anspruch und wenig Bildung neue Geschichte machen wollen. Gern auf Kosten derer, die Geschichte wirklich geschrieben haben.
Das Gefecht und das Schicksal der Graf Spee ist gleich nach dem Krieg mit noch vorhandenen Originalschiffen als „Panzerschiff Graf Spee“ 1956 verfilmt worden ( https://de.wikipedia.org/wiki/Panzerschiff_Graf_Spee ) worden.
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