Europa auf Betteltour: Warum die EU sich endlich von ihrer transatlantischen Illusion lösen muss

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ChatGPT Image 7. Apr. 2025 16 13 07

Wenn eine Delegation des Europäischen Parlaments ins Machtzentrum Washington reist, um die “transatlantischen Beziehungen zu stärken”, stellt sich unweigerlich die Frage:

Haben die in Brüssel den Schuss nicht gehört?

Während Donald Trump wieder im Oval Office sitzt und lautstark verkündet, dass America First keine Parole, sondern Programm ist, fährt die EU mit einem Blumenstrauß guter Absichten in die USA – und wirkt dabei wie ein verlassener Liebhaber, der immer noch an die große gemeinsame Zukunft glaubt.

Nur: Der Partner ist längst auf Tinder unterwegs.


Was will die EU wirklich bezwecken?

Die offizielle Lesart: Man wolle den „transatlantischen Dialog fördern“, sich über wirtschaftliche Zusammenarbeit austauschen, über Klimawandel, KI, Sicherheitspolitik und Demokratie plaudern. Alles schön und gut – auf dem Papier. Doch zwischen den Zeilen steht deutlich eine andere Hoffnung: dass Trump die wirtschaftlichen Daumenschrauben wieder lockert. Dass er Zölle reduziert. Dass er europäische Anliegen ernst nimmt.

Aber ganz ehrlich – glaubt irgendjemand in Europa ernsthaft, dass ein Trump, der gerade dabei ist, seine innenpolitische Agenda mit rabiaten Mitteln durchzusetzen, plötzlich zum netten Gesprächspartner auf Augenhöhe wird? Es wirkt, als hätte man in Brüssel ein gehöriges Maß an Realitätssinn verloren.


Der transatlantische Freund ist nur noch transatlantisch – nicht mehr Freund

Man muss es so deutlich sagen: Die USA sehen in Europa keinen gleichberechtigten Partner mehr, sondern einen geopolitisch schwachen Juniorpartner, der wirtschaftlich nützlich ist – solange er spurt. Trump und seine Entourage haben nie einen Hehl daraus gemacht, was sie von multilateralen Beziehungen halten. Die NATO? Gut, solange Europa zahlt. Freihandel? Nur, wenn es den USA nutzt. Klimaabkommen? Ein „globalistischer Trick“, wenn man Trump fragt.

Und während Europa sich weiterhin an transatlantischen Freundschaftsbekenntnissen klammert, hat sich die politische Realität längst weiterentwickelt. Amerika verfolgt knallhart nationale Interessen. Und die EU? Schickt Delegationen und schreibt gemeinsame Erklärungen.


Europa muss endlich souverän denken

Was wir brauchen, ist kein weiteres Gruppenkuscheln mit Washington, sondern ein strategisches Umdenken. Der Ukrainekrieg, der wirtschaftliche Umbau durch die Energiewende, die globalen Lieferketten – all das zeigt, dass Europa verwundbar ist. Diese Verwundbarkeit wird zum Risiko, wenn wir uns weiter in der Abhängigkeit von einem geopolitischen Akteur suhlen, der uns immer öfter den Rücken kehrt.

Warum nicht endlich mit Nachdruck neue Allianzen aufbauen? Die BRICS-Staaten, Südostasien, Lateinamerika – dort entstehen neue Machtzentren. Auch wenn es dort nicht immer einfach ist und wir nicht mit allen politischen Systemen sympathisieren: Eine multipolare Welt braucht auch ein Europa, das sich nicht nur auf die USA verlässt.


Fazit: Raus aus der Echokammer

Der Besuch in Washington ist nicht per se falsch – aber er zeigt symptomatisch das größere Problem: Europa klammert sich an alte Strukturen und Hoffnungen, statt die Augen für die neue Weltordnung zu öffnen. Trump wird sich nicht ändern. Und wenn er es täte, dann nicht, weil eine EU-Delegation höflich darum bittet.

Die EU muss raus aus ihrer transatlantischen Echokammer und sich endlich der unbequemen Wahrheit stellen: Unsere transatlantischen Freunde sind bestenfalls noch transatlantisch – und bestenfalls noch Geschäftspartner. Aber bestimmt keine Freunde mehr.

Neue Freunde müssen her. Selbstbewusste Freunde. Und dafür braucht Europa vor allem eins: Rückgrat.


www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20250407IPR27682/meps-travel-to-washington-dc-to-discuss-transatlantic-relations

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