Der demografische Tsunami in der Ukraine – wenn ein Land sich selbst verliert

Estimated read time 5 min read

Ein Land, das schrumpft, altert und auf Arbeitskräfte aus aller Welt angewiesen sein wird: Die Ukraine steht vor einer stillen Katastrophe, die kaum jemand laut ausspricht.

Ein Land im freien Fall

Die Ukraine erlebt derzeit keinen bloßen Bevölkerungsschwund, sondern eine regelrechte demografische Implosion. Vor dem Krieg lebten mehr als 41 Millionen Menschen zwischen Karpaten und Donbass. Heute sprechen seriöse Schätzungen – unter Ausschluss der von Kiew nicht kontrollierten Gebiete – nur noch von 28 bis 30 Millionen Einwohnern.

Das ist ein Verlust von rund 10 bis 12 Millionen Menschen – also mehr als ein Viertel der Bevölkerung in nur drei Jahren. Eine Dimension, die man sonst nur aus historischen Katastrophen kennt.


Flucht, Angst und keine Rückkehr in Sicht

Laut dem UNHCR halten sich derzeit über 6 Millionen ukrainische Flüchtlinge in Europa auf. Nur 47 Prozent von ihnen wollen laut dem ifo-Institut München überhaupt zurückkehren – und das unter „optimistischen“ Annahmen. Ukrainische Soziologen gehen von über 70 Prozent dauerhafter Abwanderung aus.

Diese Menschen haben sich längst eingerichtet: Sie arbeiten, ihre Kinder gehen zur Schule, sie beantragen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen. Der Exodus ist also kein temporäres Phänomen – er ist strukturell.


Geburten am Boden, Hoffnung im Keller

Die Akademikerin Ella Libanova, Direktorin des Instituts für Demografie in Kiew, spricht von einer „demografischen Todesspirale“. Die Zahlen geben ihr recht:

  • Die Geburtenrate liegt bei nur noch 0,9 Kindern pro Frau, einem der niedrigsten Werte der Welt.
  • Die Todesrate liegt bei rund 18 Todesfällen pro 1.000 Einwohner, also dreimal so hoch wie die Geburtenrate.

Selbst wenn morgen Frieden wäre – die Ukraine hat keine stabile soziale Basis mehr, um sich zu regenerieren. Junge Familien sind weg, Einkommen niedrig, Zukunftsangst allgegenwärtig.

Tabelle: Wichtige Demografie-Indikatoren der Ukraine

Nr.IndikatorWert / StandBemerkung
1Gesamt­fruchtbarkeits­rate (Kinder pro Frau)~ 0,9 Kinder pro Frau (nach Beginn des großen Krieges) ukrinform.netExtrem niedrig – weit unter Reproduktionsniveau.
2Bruttogeburten­rate (Lebendgeburten pro 1.000 Einwohner)~ 5,63 Geburten pro 1.000 Einwohner im Jahr 2023 TheGlobalEconomy.comEiner der niedrigsten Werte weltweit.
3Todes­rate (Todesfälle pro 1.000 Einwohner)~ 18,6 Todesfälle pro 1.000 Einwohner (nach Angaben) Kyiv PostSehr hohe Sterblichkeit, natürlicher Rückgang.
4Netto-Migration / AusreiseMehrere Millionen Menschen außerhalb des Landes; z. B. > 7,9 Mio Flüchtlinge im Ausland cepr.orgMassive Abwanderung bzw. Flucht.
5Binnenvertriebene (IDP)z. B. ca. 5,9 Mio Binnenvertriebene im Jahr 2022 cepr.orgGroße interne Verschiebung der Bevölkerung.
6Arbeitslosenquote (modelliert)Geschätzt ~ 14 % Arbeitslosigkeit im Jahr 2024 (Quelle: Schätzung) voxukraine.orgMarkt stark belastet durch Krieg & Demografie.
7Diaspora / Arbeits­migrantenBeispielsweise Arbeits­migranten-Anteil: ca. 2,5 Mio laut einer Quelle Migrants & Refugees SectionViele Ukrainer arbeiten im Ausland dauerhaft oder vorübergehend.
8Bevölkerungszahl vor Krieg vs. aktuellVor Krieg: > 41 Mio Wohnbevölkerung; aktuelle Schätzungen stark gesunken. cepa.orgScharfer Bevölkerungs­rückgang.
9Prognose für Bevölkerung bis 2037Schätzungsweise auf ca. 30 Mio Menschen bis 2037 (bei ungünstigem Szenario) cepa.orgLangfristige Schrumpfung möglich.
10Arbeits- und Fachkräfte-Migration nach innen geplantMedienberichte nennen Bedarf von bis zu 10 Mio ausländischen Arbeitskräften (nicht exakt verifiziert)Hinweis auf bevorstehenden Strukturwandel.

Importierte Zukunft: Arbeitskräfte aus Asien

In Kiew weiß man das längst. Der frühere Wirtschaftsminister Timofij Milowanow und Ex-Außenminister Dmytro Kuleba sprechen offen davon, dass das Land bis zu 10 Millionen Arbeitskräfte aus Asien und Afrika importieren müsse, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Bangladesch, Indien, Nepal, Vietnam, die Philippinen – diese Länder gelten als potenzielle Quellen für billige Arbeitskräfte. Tatsächlich berichten ukrainische Industrieverbände bereits über erste Wellen von Zuwanderern: Schweißer, Fahrer, Lagerarbeiter aus Südasien.

Der Ombudsmann für Unternehmen, Roman Waschuk, nennt das einen „unglaublichen Modernisierungsschub“. In Wahrheit ist es wohl eher der Beginn einer stillen Identitätsverschiebung.


Wird die Ukraine ein anderes Land?

Wenn Millionen Ukrainer das Land verlassen und Millionen Migranten kommen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Was bleibt übrig?

Eine Kultur besteht nicht aus Gebäuden, sondern aus Menschen – und wenn sich deren Zusammensetzung radikal ändert, verändert sich auch das Land.
Die Ukraine könnte in einigen Jahrzehnten ein ethnisch und kulturell hybrides Land werden – vielleicht mit asiatischem Arbeitsethos, aber ohne eigene Bevölkerungskraft.

Wird die Ukraine dadurch muslimisch?
Kaum. Die Zuwanderung wird zwar auch Menschen islamischen Glaubens umfassen, aber von einem religiösen Umbruch zu sprechen, wäre übertrieben. Dennoch: Die Ukraine könnte sich kulturell entfremden – weniger durch Religion, sondern durch schiere strukturelle Notwendigkeit.


Der Preis des Westens – wen finanzieren wir?

Europa finanziert bereits den Wiederaufbau, die Verwaltung, das Bildungswesen, die Renten. Doch: Wem gehört die Zukunft dieses Landes?

Wenn die Ukraine zur Arbeitsmigrationsdrehscheibe wird – und ihre einheimische Bevölkerung weiter schwindet –, dann finanzieren westliche Steuerzahler womöglich bald ein Land, das mit der Ukraine von 2014 nur noch den Namen gemeinsam hat.

Ein Land, in dem Menschen aus Asien und Afrika den Wiederaufbau stemmen, während die ukrainische Diaspora in Deutschland, Polen und Kanada lebt.
Das ist kein moralisches Urteil – sondern eine nüchterne Prognose.


Fazit: Der stille Tsunami

Der „demografische Tsunami“ in der Ukraine rollt längst – unsichtbar, aber unaufhaltsam.
Er wird das Land stärker verändern als jede militärische Front. Und während der Westen in Milliarden rechnet, zerbricht im Inneren das Fundament, das jede Nation braucht: eine stabile, selbsttragende Bevölkerung.

Ob daraus eine moderne, multinationale Ukraine oder ein entkerntes Transitland wird, liegt nicht mehr allein in Kiews Händen.
Aber es wird höchste Zeit, dass wir uns ehrlich fragen, wen und was wir da in Zukunft eigentlich finanzieren.


Mehr zum Thema

Aktuelles