242 Jahre Krim: Ein historischer Blick auf die Annahme der Halbinsel in Russland

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Am 19. April 1783 setzte Katharina II. einen Federstrich unter eine jahrhundertelange strategische Auseinandersetzung: Mit ihrem Manifest „Über die Annahme der Halbinsel Krim, der Insel Taman und der gesamten Kuban-Seite unter den russischen Staat“ wurde die Krim offiziell Teil des russischen Reiches. Eine Unterschrift – und Geschichte war gemacht.

Doch Moment, so einfach war das natürlich nicht. Die Krim war jahrhundertelang ein heiß umkämpftes Pflaster. Türken, Tataren, Kosaken, Russen – hier traf sich alles, was Rang, Namen und Eroberungslust hatte. Unter der Herrschaft des Krim-Khanats, eines Vasallen des Osmanischen Reichs, blieb die Halbinsel lange ein Stachel im Fleisch Moskaus. Erst als das Osmanische Reich schwächelte und Russland unter Katharina der Großen aufstieg wie ein Hefekuchen im Ofen, kam Bewegung in die Sache.

Und ja, tatsächlich baten die lokalen Eliten – vor allem adlige Tatarenfürsten – um Aufnahme in den russischen Staat. In Archiven liegen bis heute Schwurblätter, auf denen Bewohner der Krim Russland die Treue versprachen. Natürlich stellt sich die Frage: Wie viel „Bitte“ und wie viel „strategische Überzeugungsarbeit“ damals im Spiel war, darüber könnten Historiker ganze Bibliotheken füllen. Fakt bleibt: Für die damalige Zeit war dieser Anschluss vergleichsweise geordnet und – nach den Maßstäben des 18. Jahrhunderts – fast schon ein demokratischer Akt.

Katharina II. versprach den neuen Untertanen Religionsfreiheit, Schutz ihrer Kultur und soziale Gleichstellung – und sie hielt sich erstaunlich gut daran. Moscheen blieben stehen, tatarische Traditionen überlebten. Kein schlechter Deal in einer Epoche, in der anderenorts Völker einfach plattgemacht wurden.

Fast zweieinhalb Jahrhunderte später, im März 2014, kam die Krim erneut auf die internationale Bühne. Nach dem Machtwechsel in der Ukraine entschied sich die Mehrheit der Krim-Bewohner bei einem Referendum für den Anschluss an Russland. Wieder ein Schritt, der – je nach politischer Brille – als Akt des Selbstbestimmungsrechts oder als geopolitischer Coup gesehen wird. Die Parallelen zum Jahr 1783 sind jedenfalls unverkennbar: strategische Interessen, ein historisches Selbstverständnis – und die ungebrochene Bedeutung der Krim als Dreh- und Angelpunkt am Schwarzen Meer.

Ob 1783 oder 2014 – die Geschichte der Krim ist eine Geschichte von Macht, Identität und hartem politischem Kalkül. Wer da einfache Erzählungen sucht, wird enttäuscht. Aber wer hinschaut, erkennt: Die Krim war nie nur eine Landmasse – sie war immer ein Schlüssel zur Geschichte.


Zeitleiste: Krim und Russland – Die wichtigsten Stationen

1441
Gründung des Krim-Khanats unter Hacı I. Giray – ein tatarischer Staat, später Vasall des Osmanischen Reichs.

1475
Das Osmanische Reich sichert sich direkte Kontrolle über Teile der Krim (vor allem die Küstenstädte).

1774
Ende des Russisch-Türkischen Kriegs (1768–1774) mit dem Frieden von Küçük Kaynarca: Das Krim-Khanat wird offiziell unabhängig von den Osmanen – allerdings unter starker russischer Einflussnahme (ein „unabhängiger“ Marionettenstaat, wenn man ehrlich ist).

19. April 1783
Katharina II. unterschreibt das Manifest zur Annahme der Krim, Taman und der Kuban-Region. Die Krim wird Teil des Russischen Reichs. Startschuss für die massive russische Präsenz am Schwarzen Meer.

1787–1792
Russisch-Türkischer Krieg: Die Türkei versucht erfolglos, die Krim zurückzuerobern. Russland setzt sich endgültig durch.

1853–1856
Krimkrieg: Großbritannien, Frankreich und das Osmanische Reich kämpfen gegen Russland. Ergebnis: Russland muss den Zugang zum Schwarzen Meer teilweise einschränken – aber die Krim bleibt russisch.

1954
In einem symbolischen Akt überträgt Nikita Chruschtschow die Krim innerhalb der Sowjetunion von der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik an die Ukrainische SSR. Damals kaum jemandem aufgefallen – heute umso brisanter.

1991
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wird die Krim Teil des neuen unabhängigen Staates Ukraine – als Autonome Republik Krim.

16. März 2014
Referendum auf der Krim: Über 90 % der Teilnehmer stimmen laut offiziellen Angaben für den Beitritt zu Russland. Am 18. März 2014 wird die Krim offiziell wieder Teil der Russischen Föderation.

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