„Alle machen’s: Ippen, Funke, Madsack & Co. – eine Presseschau des Wahnsinns“
Früher blätterte man morgens durch die Zeitung, roch Druckerschwärze und wusste: Irgendwer war für mich auf dem Rathaus, im Stadtrat oder beim Polizeipressesprecher und hat nachgefragt. Heute öffnet man eine Regionalzeitung online – und erkennt sofort: Das ist nicht mehr Journalismus, das ist ein Google-Futterautomaten. Man erkennt die Zugehörigkeit sofort an der optischen Schablone – gleiche Schrift, gleiche Rubrikaufteilung, gleiche nervigen Pop-Ups.
1. Klicks statt Auflage
Die Währung hat sich verschoben.
- Früher: Auflage, Anzeigen, Seriosität.
- Heute: Pageviews, Google-Trends, Werbebanner.
Chefredakteur Müller? Schmidt? Vergiss es. Der wahre Boss heißt Algorithmus.
2. Der Baukasten-Journalismus
Ob Ippen, Funke, Madsack oder DuMont – man erkennt den Verlag sofort:
- Gleiche Schriftarten, gleiche Layouts, gleiche grellen Pop-Ups.
- Texte austauschbar wie IKEA-Schrauben.
- Einzige Abwechslung: ob die Schlagzeile nun lautet „Scholz überrascht alle“ oder „Merz packt aus“.
3. Die SEO-Formel
So funktioniert moderne „Redaktionsarbeit“:
- Google-Trend checken („Rente 2025“, „Heizungsgesetz“, „Unwetter NRW“).
- Eine dpa-Meldung oder einen Tweet aufgreifen.
- In sechs Absätze aufblasen, davon zwei Wiederholungen.
- Schlagzeile stricken:
- „Experten warnen: Das bedeutet das Gesetz für Sie“
- „Rentner aufgepasst: So viel Geld verlieren Sie jetzt“
- „Rente ab 63: Diese Regeln gelten 2025“
- „Rente mit 67: So viel Geld verlieren Sie wirklich“
- „Rentenzuschlag 2025: Wer jetzt schon profitieren kann“
Voilà – fertig ist der Artikel. Journalismus in drei Minuten.
4. Die Opfer: Lokaler Journalismus & Druckereien
Während die Online-Redaktionen „klicken bis der Arzt kommt“, veröden die Druckereien:
- Mitarbeiter werden in den Vorruhestand geschickt.
- Lokale Redaktionen zusammengestrichen.
- Recherche vor Ort ersetzt durch Google Maps und Facebook-Posts.
5. Die Leser: Mitklickende Leidtragende
Kostenlos ist sexy – deshalb zahlt fast keiner.
Dafür gibt’s:
- Drei Banner, zwei Pop-Ups, ein Cookie-Hinweis.
- Dünne Texte, die mehr versprechen, als sie halten.
Und trotzdem liest man’s. Denn irgendwo will man ja wissen, ob die „Rente 2025 jetzt wirklich gekürzt wird“.
6. Taugt das noch was?
- Ja, wenn’s um schnelle Infos geht (Stau auf der A7, Strompreisänderung, Unwetterwarnung).
- Nein, wenn man tiefe Analysen oder Enthüllungen erwartet.
- Gefährlich, wenn man glaubt: „Das ist die ganze Wahrheit.“
Nützlich:
- Service-Artikel („Wann zahlt die Rentenkasse?“ / „So beantragen Sie Wohngeld“).
- Schnelle Nachrichten („Zug entgleist bei Kassel“ – sowas erfährst du da sofort).
Müllig:
- Clickbait-Schleifen („Kanzler packt aus – was er dann sagt, überrascht alle“).
- Dünnrecherchiert, oft nur auf Agentur- oder Social-Media-Basis.
- Themenaufblähung: aus einer Info werden fünf Artikel gemacht.
Fazit des Wahnsinns
Der deutsche Regionaljournalismus hat sich von der vierten Gewalt zur vierten Google-Spalte entwickelt.
Die Leitfrage lautet nicht mehr: „Was ist relevant?“, sondern:
👉 „Wonach suchen die Leute bei Google zwischen Katzenvideos und Lottozahlen?“
Die Konsequenz:
- Zeitungen verarmen intellektuell.
- Journalisten verarmen finanziell.
- Leser verarmen geistig.