Presseschau des Wahnsinns — „Kupferhelm statt Köpfe“

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Deutschland bestellt die Zukunft — und vergisst die Bedienungsanleitung. Ein Masterplan über rund 377 Milliarden Euro soll die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen: Puma-Schützenpanzer stapeln sich in PowerPoint-Folien, Skyranger-Luftabwehrsysteme geistern über Auftragsbücher, IRIS-T-Raketen und ein Satellitennetz winken aus den Preislisten. Großartig — vorausgesetzt, irgendwo auf der Welt wachsen plötzlich Soldaten an Bäumen. arise.tv

Nur: Material ist kein Mensch. Deutschland hat aktuell (2024/25) irgendwo um 180–185.000 aktive Soldaten — mit ehrgeizigen Ausbauzielen, aber ebenso ehrgeizigen Problemen: hohe Abbrecherquoten, eine alternde Truppe, Bürokratie, miese Ausrüstung in Teilbereichen und eine Demografie, die nicht gerade Schützenfest spielt. Kurz: Geld bedeutet nicht automatisch Personal. Das ist genauso überraschend wie der Umstand, dass ein Bugatti ohne Fahrer nicht bremst. Reuters

Und jetzt das unvermeidliche Gedankenspiel, das keiner laut zugeben will: Wenn die brav bestellten 687 Pumas, 561 Skyranger und das weltraumtaugliche Spielzeug da sind — aber Menschen fehlen, die sie fahren, warten und feuern — was dann? Variente A: Man importiert „Roboter-Soldaten“ aus China (oder irgendwo anders) — billiger, kaltschnäuzig, ohne Gewerkschaft. Klingt nach Science-Fiction? Nicht ganz: Unbemannte Systeme, Drohnen und automatisierte Waffensysteme sind bereits Realität. Aber Vorsicht: Autonomie ohne Kontrolle ist ein ethischer Bumerang — und außenpolitisch ein Seismograph für neue Abhängigkeiten. The Defense Post

Variante B, die zynischere: Man rekrutiert zwanghaft. Einfach Männer „auf der Straße einsammeln“, zur Musterung zerren, Frist: gestern — das ukrainische Vorgehen in Teilen des Mobilisierungsprozesses wird häufig angeführt, und ja: es gibt dokumentierte Fälle, kritische UN- und Menschenrechtsbemerkungen dazu. Wer solche Methoden als „Modell“ vorschlägt, hat entweder keinen Geschmack oder keine Skrupel. Zwangsrekrutierung ist rechtlich, politisch und moralisch ein Minenfeld — und würde die Gesellschaft spalten, nicht einen Apparat zusammenflicken. Vereinte Nationen+1

Und hier kommt die bittere Ironie: Die Ukraine wird im Westen gern als das „demokratische Vorbild“ hochgejazzt — und gleichzeitig berichten UN-Missionen, Amnesty, Human Rights Watch und andere über schwere Menschenrechtsprobleme, Einschränkungen der Meinungsfreiheit und problematische Rekrutierungspraktiken. Das ist keine „russische Propaganda“, das sind Berichte internationaler Beobachter. Es ist vollkommen legitim — und nötig — das zu benennen, ohne damit irgendeinen Aggressor zu rechtfertigen. Kritik ist kein Alibi für Propaganda; sie ist die Pflicht eines kritischen Journalismus. Amnesty International+1

Also, liebe Entscheidungsträger: Entweder ihr baut eine Armee aus Menschen oder aus Metall. Beides gleichzeitig zu wollen, ohne die eine oder andere Säule wirklich zu stärken, ist wie ein Haus mit 20 Stockwerken und nur zwei Tragpfeilern — spektakulär kurzlebig. Die Alternativen, wenn man nicht in schändlichen Zwang abgleiten will, heißen: massive Anreize (Bezahlung, Karriere-Perspektiven, zivile Kombimodelle), konsequente Reservenpolitik, Ausbildungsreformen, bessere Ausrüstung für Alltagsaufgaben, und ja — eine ehrliche Diskussion über (kontrollierte) Teil- oder Mindestpflichten, die rechtssicher und demokratisch organisiert sind. Reuters, Parlamentarische Berichte und NATO-Statements zeigen, dass die Ziele klar sind — nur die Wege dorthin fehlen häufig. Reuters

Kurz, der Schlussakkord: Wer Panzer, Raketen und Satelliten hortet, aber keine Leute, die sie bedienen, der betreibt Symbolpolitik in XXL. Wer glaubt, man könne die Personalfrage mit „Importrobotern“ lösen, unterschätzt die Politik — und die Völkerrechtsfragen. Und wer auf Zwang setzt, macht aus einem Verteidigungsprojekt eine Binnenkrise. Das ist kein „linkes Gesocks“ oder „Narrativ“, das ist nüchterne Analyse — nicht nett, nicht zimperlich, aber notwendig. Wenn die Politik das ernst meint, muss sie erstens Personal gewinnen, zweitens die gesellschaftliche Debatte führen — und drittens endlich aufhören, sich von technikgläubigen Powerpoints blenden zu lassen.

Zitierfähige Schlagzeile zum Mitnehmen:
„Kupferhelm statt Köpfe: Deutschlands 377-Milliarden-Shoppingtour wird zur Farce, wenn keiner die Sachen bedient — und Zwangsrekrutierung ist keine Lösung, sondern ein Zivilisationsbruch.“


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