Da stand der final verhängte Siebenmeter von Kay Smits aber noch aus, der schlussendlich für die Punktteilung sorgte. In den 60 Minuten zuvor hatten sich beide Mannschaften einen streckenweisen hochklassigen Kampf geliefert, der die Nominierung zum Sky-„Spiel des Tages“ mehr als rechtfertigte. Mit sechs Toren war David Mandic erfolgreichster Melsunger Schütze, für Magdeburg schraubte Kay Smits sein Konto mit dem bereits erwähnten letzten Strafwurf auf sieben hoch.
Mit dem Vorteil des Ballbesitzes im ersten Angriff des Tages war die MT, bis auf Ivan Martinovic in Bestbesetzung, furios gestartet. Wenn auch zunächst glücklos, denn Elvar Örn Jonsson traf erst einmal nur den Pfosten. Den Abpraller sicherte sich aber Julius Kühn, der überraschend im rechten Rückraum begann. Kurz darauf der erste Siebenmeter, den Timo Kastening sicher versenkte. Es war der Auftakt der mit Abstand besten Spieleröffnung der Melsunger in dieser Saison. Initiiert von Agustin Casado, der den Ballgewinn zur Vorlage für David Mandic und dessen 2:0 realisierte und anschließend dreimal in Folge selbst traf. Nur unterbrochen vom 4:1 durch Kay Smits, eine längere Verletzungsunterbrechung, als Philipp Weber mit dem Hinterkopf aufs Parkett knallte und verletzt raus musste sowie Bennet Wiegerts erste Auszeit, der mit der Leistung seiner Mannschaft alles andere als zufrieden sein konnte und bereits nach knapp vier Minuten das erste Mal den Buzzer betätigt hatte.
Erst nach dem 6:1 (7.) von David Mandic griff die nach dem Time- Out vorgenommene Änderung beim SCM, auf einen siebten Feldspieler zu setzen. Weil sich zeitgleich Nikola Portner auf das von Adam Morawski vorgelegte Niveau steigerte, ebbte der Torjubel der Nordhessen nicht nur ab, sondern versiegte minutenlang komplett. Die Gäste leisteten zwar ebenfalls keine Wunderdinge, streuten aber wenigstens ab und
an einen Treffer ein: Daniel Pettersson verkürzte auf 6:4 (13.) und nötigte damit auch Roberto Garcia Parrondo zur Auszeit.
Mitte der ersten Hälfte hatte sich schließlich alles eingepegelt, es wurde ruhiger. Zumindest auf dem Spielfeld, auf den Rängen dagegen tobte der Lautstärke-Kampf der Anhänge. Mit Spitzenwerten, sich ebenso abwechselnd wie die Tore auf dem Feld. Vorteile waren innerhalb wie außerhalb der Seitenlinien kaum zu erkennen, auch wenn der eine oder andere technische Fehler Melsungens das Volk aufstöhnen ließ. Weil aber Einsatz und Einstellung absolut stimmten, Fehler vorn durch Leidenschaft hinten wettgemacht wurden, tat das der klasse Atmosphäre in der Rothenbach-Halle keinen Abbruch.
Zumal Kai Häfner sogar von Rechtsaußen traf, sowie Julius Kühn nach einem eigentlich bereits abgebrochenen schnellen Angriffsversuch urplötzlich einen Schritt nach vorn machte und das Leder aus zehn Metern Entfernung mit Urgewalt zum 12:9 (23.) in den Winkel jagte. Die Unterschiede zwischen Meister und Meisterschaftsanwärter auf der einen, sowie gerade erst wieder in leicht ansteigender Form befindlichen Herausforderer aus dem Mittelfeld verschwammen, es nutzte dem SCM weder die bereits zweite genommene Auszeit vor der Pause noch der Torwartwechsel von Nikola Portner auf Mike Jensen nach Kai Häfners 14:11 (27.). Im Gegenteil setzte Julius Kühn mit dem 16:12 ins verwaiste gegnerische Tor sogar noch einen drauf, Kay Smits konnte zwar noch einmal verkürzen, die Kabinenpredigt seines Coaches in der Halbzeitpause damit aber nicht mehr verhindern.
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Die Magdeburger Bestrebungen auf Verbesserung nach Wiederbeginn verpufften. Weil Michael Damgaard erst in Adam Morawski seinen Meister fand und für seine missglückte Abwehraktion gegen Timo Kastening bei dessen 17:13 (31.) für zwei Minuten raus musste. Morawski war es auch, der mit seiner sensationellen Reaktion gegen den allein auf ihn zulaufenden Christian O’Sullivan die Fans zu Jubelstürmen veranlasste. Dann aber viermal in Folge machtlos war, nachdem jeweils schon im Aufbau vorn die Bälle verloren gingen. Seinen nächsten Tempogegenstoß verwandelte O’Sullivan zum 18:18 (37.) – Auszeit Melsungen.
Magdeburg wurde stärker, vermochte sich aber noch keinen echten Vorteil zu erspielen. Zu aufmerksam und stabil stand die Melsunger Hintermannschaft, dahinter mit Adam Morawski der Mann, der Kay Smits bereits dessen zweiten Siebenmeter abkaufte (38.). Und doch war zu erkennen, dass sich die Kräfteverhältnisse leicht verschoben. Auch wenn Timo Kastening bei längst angezeigtem passivem Spiel die
Kugel aus ungewohnter rechter Rückraumposition zum 20:19 (42.) durch die Abwehrmauer in die Maschen wuchtete.
Danach jedoch war SCM-Time angesagt in der Rothenbach-Halle. Während Elvar Örn Jonsson geblockt wurde und Agustin Casado zu hoch zielte, trafen die Gäste zuverlässig. Lukas Mertens holte die erste Magdeburger Führung des Tages, Daniel Petetrsson legte gar sofort das 20:22 (45.) nach. Die Wende? Nein! Im Gegenteil erfolgte die Trotzreaktion prompt und mit Macht. Zuerst glichen Kai Häfner und David Mandic im taktischen Spiel Sieben gegen Sechs aus, dann holten Timo Kastening und Julius Kühn den Vorteil zurück zu Rot-Weiß: 24:23 (51.) – und das Publikum hielt es längst nicht mehr auf den Plätzen.
Die Schlussminuten gingen an die Nerven. Magdeburg rannte gegen das 5:1-Bollwerk der Hausherren an, in dem David Mandic auf vorgezogener Position einen hervorragenden Job erledigte. Und sie waren praktisch ständig am Hinterherrennen, weil Melsungen seine Führung nach SCM-Treffern zuverlässig erneuerte. Sogar spektakulär, wie beim 26:25 durch Rogerio Moraes, der sich in doppelter Umklammerung geschickt drehte und sich so selbst freie Wurfbahn schaffte. Da waren noch 90 Sekunden zu spielen. Aufstöhnen, als Elvar Örn Jonsson aus der zweiten Reihe am längst zurückgewechselten Nikola Portner scheiterte, grenzenloser Jubel, als sich David Mandic das Leder schnappte und einlochte. Trotzdem reichte es am Ende nicht zum doppelten Punktgewinn, weil der zuvor bereits dreimal erfolglose Kay Smits bei bereits abgelaufener Uhr noch einmal zum finalen Showdown gegen Adam Morawski antrat – und den entscheidenden Siebenmeter zum Ausgleich in allerletzter Sekunde verwandelte.
Stimmen zum Spiel
Roberto Garcia Parrondo: Ich möchte sagen, wir haben heute einen sehr guten Kampf geliefert. Das war so, wie wir vor allem von der Intensität und von der Motivation auch spielen wollen. Auch im Angriff waren wir heute gut, haben sehr wenig Bälle verworfen. Und so bin ich am Ende glücklich mit diesem Spiel.
Bennet Wiegert: Wow, ich muss erstmal versuchen, meine Emotionen runter zu nehmen, Das war ein harter Kampf, beide haben sich nichts geschenkt. Auch für die Zuschauer war es sicher toll zu sehen, wie so ein Handballspiel abläuft und sich auch die Führungen ändern. Dem schnellen 1:6 sind wir lange hinterher gelaufen, beim
22:20 nach 45 Minuten kippte das Momentum gefühlt zu uns. Aber zum Schluss müssen wir mit diesem Unentschieden leben. Das war ein Spiel mit allem, was unseren Handballsport ausmacht.
Statistik
MT Melsungen: Morawski (10 Paraden / 27 Gegentore), Simic (n. e.); Kühn 4, Malasinskas, Casado 3, Ignatow, Moraes 3, Drosten, Jonsson 3, Arnarsson, Gomes, Kalarash, Häfner 4, Kastening 4/2, Mandic 6 – Trainer Roberto Garcia Parrondo.
SC Magdeburg: Portner (6 P. / 16 G.), Jensen (2 P. / 11 G.); Meister 1, Chrapkowski, Lipovina, Musche, Kristjansson 5, Pettersson 4, Kloor, Weber, Mertens 3, O’Sullivan 3, Bezjak, Smits 7/3, Damgaard 4, Bergendahl – Trainer Bennet Wiegert.
Schiedsrichter: Nils Blümel (Berlin) / Jörg Loppaschewski (Berlin) Spielaufsicht: Frank Böllhoff
Zeitstrafen: 4 – 6 Minuten (Mandic 37:31, Häfner 44:57 – O’Sullivan 4:30, Meister 25:55, Damgaard 30:38)
Strafwürfe: 2/2 – 6/3 (Smits scheitert an Morawski 7:19, 37:34, Smits an die Latte 51:28)
Zuschauer: 4.500 (ausverkauft) in der Rothenbach-Halle, Kassel
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