Auch ein Novum: Hessisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig!

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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass mehrere im Hessischen Verfassungsschutzgesetz (HVSG) geregelte Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, weil sie gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung verstoßen:

  • § 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG (Ortung von Mobilfunkendgeräten) ist verfassungswidrig, weil er eine engmaschige langandauernde Überwachung der Bewegungen im Raum erlaubt, ohne eine dafür hinreichende Eingriffsschwelle vorzusehen.
  • § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HVSG (besonderes Auskunftsersuchen bei Verkehrsunternehmen und über Flüge) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis Eingriffe mit erhöhtem Gewicht erlaubt und dafür keine hinreichende Eingriffsschwelle vorsieht.
  • § 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG (Einsatz Verdeckter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis auch eingriffsintensive Einsätze Verdeckter Mitarbeitender erlaubt und dafür keine hinreichende Eingriffsschwelle vorgesehen ist. Auch soweit § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HVSG auf § 3 Abs. 2 Satz 2 HVSG Bezug nehmen, sind die Regelungen verfassungswidrig.
  • § 20a Satz 1 HVSG (Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden) ist verfassungswidrig, soweit § 20a Satz 2 Buchstabe b und Satz 3 HVSG nicht an nicht hinreichend gewichtige Straftaten anknüpfen.

§ 20b Abs. 2 HVSG (Übermittlungen an sonstige inländische öffentliche Stellen) ist verfassungswidrig, weil die Befugnis auch die Übermittlung an inländische öffentliche Stellen mit operativen Anschlussbefugnissen erlaubt und keine dafür hinreichende Übermittlungsschwelle vorsieht.

  • § 20a Satz 1 ist, soweit er auf § 20a Satz 3 HVSG Bezug nimmt, nichtig; die übrigen beanstandeten Vorschriften des HVSG gelten mit bestimmten Maßgaben vorübergehend fort.


Sachverhalt:
Zwei der Beschwerdeführenden sind Mitglieder und Funktionsträger einer vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation. Zwei weitere Beschwerdeführende vertreten als Rechtsanwälte Personen, die vom Landesamt beobachtet werden, weil ihnen die Zugehörigkeit oder Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen vorgeworfen wird oder sie der linksextremistischen Szene angehören. Ein weiterer Beschwerdeführer steht als freier Journalist
häufig in Kontakt mit Personen, die unter Beobachtung des Landesamts stehen. Sie wenden sich gegen verschiedene im Hessischen Verfassungsschutzgesetz geregelte Datenerhebungs und Übermittlungsbefugnisse, die ganz überwiegend im Jahr 2023 in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz vom 22. April 2022 geändert worden sind.


Wesentliche Erwägungen des Senats:
I. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie überwiegend auch begründet. Die angegriffenen Regelungen genügen nur zu einem Teil den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Pressemeldung Bundesverfassungsgericht vom 17.09.2024

Leitsätze zum Beschluss 1 BvR 2133/22

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