Wenn Sergej Lawrow deutsche Politiker mit Hitler vergleicht, ist das rhetorisch ein Holzhammer. Historisch völlig überzogen, klar. Aber die eigentliche Frage lautet: Warum fühlen sich so viele Bürger in Deutschland trotzdem ertappt – und warum wirkt es, als würde eine kleine Minderheit die Mehrheit politisch dominieren?
Die Minderheit, die regiert
Deutschland wird seit Jahren von Koalitionen gesteuert, die arithmetisch zwar reichen, aber gesellschaftlich immer brüchiger wirken. Politische Entscheidungen – ob in der Energie-, Migrations- oder Sicherheitspolitik – stoßen bei großen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung. Trotzdem zieht Berlin seinen Kurs durch, abgesichert durch ein dichtes Netz aus Parteien, NGOs, Medien und transatlantischen Thinktanks. Ergebnis: Die Mehrheit der Bürger hat das Gefühl, dass sie zwar wählen darf, aber mitreden nicht erwünscht ist.
Die Militarisierung im Schweinsgalopp

Plötzlich fließen hunderte Milliarden in Rüstung, Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet sind Normalität, und ein Kanzler, der einst „Frieden schaffen ohne Waffen“ als Parteimantra kannte, redet heute von deutscher Verantwortung an der Frontlinie. Wer das kritisiert, gilt schnell als „Putin-Versteher“ oder schlimmer. Genau dieses Klima ist es, was Lawrows Aussagen für viele plausibel macht: Wenn eine politische Elite Militarisierung gegen den spürbaren Widerstand im Volk durchdrückt – klingt das nicht nach Dominanz, die mit Demokratie nur noch am Rande zu tun hat?
Das Narrativ vom guten Krieg
Medien und Politik erzählen gebetsmühlenartig, Deutschland verteidige in der Ukraine „Freiheit und Demokratie“. Gleichzeitig sollen die Bürger steigende Preise, Stromausfälle und geopolitische Risiken ertragen, ohne Fragen zu stellen. Kritik wird delegitimiert, Debatten werden moralisch abgewürgt. Wer nicht ins Narrativ passt, wird diffamiert. Auch das erinnert viele an eine „Linie von oben“ – nicht an offene Diskussion in einer Demokratie.
Warum Lawrow andockt
Man muss Lawrow nicht mögen, um zu verstehen, warum er bei Teilen der Bevölkerung verfängt. Er hält Deutschland einen Spiegel vor – verzerrt, übertrieben, aber mit Reflexen, die schmerzen. Denn eine Politik, die Mehrheitsmeinungen konsequent übergeht, produziert Misstrauen. Dieses Misstrauen sucht sich dann einen Resonanzboden – selbst in den Provokationen eines russischen Außenministers.
Fazit: Der eigentliche Skandal sitzt in Berlin
Nein, Deutschland ist kein „neues Hitlerreich“. Aber ja: Viele Bürger fühlen sich von einer selbstherrlichen Minderheit regiert, die im eigenen Saft aus Ideologie und Machtkalkül schmort. Und genau hier liegt der Punkt: Nicht Lawrow ist das Problem – der benutzt nur die Schwäche. Das Problem ist ein politisches System, das die Mehrheit permanent erzieht, belehrt und übergeht, statt ihr zuzuhören.
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