(ots) Donna Leon schreibt Brunetti-Krimi wegen Corona um. “Szene wird 2021 nicht mehr stimmig sein” – Venedig könnte Pandemie als Chance nutzen
Osnabrück. Donna Leon hat den 30. Fall ihres Ermittlers Brunetti wegen der Corona-Krise umgeschrieben. “Brunetti schreckt darin vor einem Bahnhof voller Touristen zurück. 2021 wird das nicht mehr stimmig sein”, sagte die Autorin der “Neuen Osnabrücker Zeitung” (NOZ). “Also habe ich eine Erinnerung daraus gemacht: Jetzt meidet er den Bahnhof, weil alle Touristen verschwunden sind und ihn das so sehr befremdet.”
Was für die Leser eine kleine Geste bleibt, ist für Leon ein Einschnitt: “In meinen Büchern gibt bis heute kein einziges Detail über den Zeitpunkt der Handlung Aufschluss, es gibt keinerlei Bezüge zu politischen, ökologischen oder historischen Ereignissen. Brunetti lebt in einer zeitlosen Blase”, sagte sie. “Aber die Covid-Zäsur ist so gewaltig, dass man sie nicht ignorieren kann.” Der 30. Brunetti-Krimi ist für das kommende Jahr geplant; aktuell ist mit “Geheime Quellen” gerade Band 29 der Reihe erschienen.
Einen reinen Corona-Krimi plant Donna Leon nicht. Sie selbst habe den Lockdown nicht in Italien, sondern in der Schweiz erlebt und sei froh darüber, sagte sie: “Ich bin 77 Jahre alt und möchte in keinem Land sein, in dem Menschen meines Alters so hohen Risiken ausgesetzt sind.” Für einen Corona-Krimi aus Venedig fehle ihr nun allerdings die Anschauung: “Es käme mir unaufrichtig vor zu beschreiben, was ich gar nicht erlebt habe.”
Die Pandemie hält die Schriftstellerin bei allem Entsetzen auch für eine Chance, wobei sie fürchtet, dass Italien diese nicht nutzen werde: “Venedig war vor dem Massentourismus eine blühende Stadt. Es gab Künstler und Kunsthandwerker. Es gab Galerien und Läden, die hochwertige Kleidung aus örtlichen Betrieben verkauft haben. Venedig könnte jetzt seine Monokultur überwinden”, sagte Leon. “Ich glaube nur nicht, dass es passieren wird. Die Stadtverwaltung wird den Massentourismus wieder mit offenen Armen empfangen. Die Politiker sind süchtig danach. Ihnen fehlt die Fantasie, um die Chance für einen radikalen Umbruch wahrzunehmen. Dabei sieht man gerade jetzt, wie gefährlich es ist, alles auf eine einzige Karte zu setzen. Man kann alles verlieren.”
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Original-Content von: Neue Osnabrücker Zeitung
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