„Zauberpflanze“ mit Schattenseiten

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NABU Hessen warnt: Mistel gefährdet wertvolle Streuobstbestände 

 

Wetzlar – Die Laubholzmistel ist eine zauberhafte Pflanze, die in der Adventszeit als attraktiver und nachhaltiger Adventsschmuck sowie zum Basteln begehrt ist. In manchen Gegenden sind sie aber bereits zum großem Problem geworden. Die Halbschmarotzer entziehen ihrem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe und können in Kombination mit den heißen, trockenen Sommern fatale Folgen haben. Einmal da, breitet sich die Mistel innerhalb weniger Jahre in einem Gebiet weiträumig aus. Angesichts des starken Zuwachses der Pflanze ist der NABU alarmiert. „In manchen Gegenden des Landes ist kaum ein Streuobstbaum mistelfrei, vereinzelt werden sogar Birnbäume befallen, die bisher als resistent gegenüber der Mistel galten. Unser Motto lautet daher: Ran an die Mistel“, sagt Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen.

Weil natürliche Brutplätze für Höhlenbrüter selten geworden sind, ist es essentiell, vorhandene Streuobstbäume regelmäßig zu schneiden und dabei die Weißbeerige Laubholz-Mistel (Viscum album) zu entfernen. „In vielen Gegenden hält sich das hartnäckige Gerücht, Misteln stünden unter besonderem Schutz – das ist falsch. Sie dürfen auf dem eigenen Grundstück noch den ganzen Winter über an frostfreien Tagen geschnitten werden und sollten es auch. So wird die Vitalität der Bäume erhalten“, erklärt der Biologe und Streuobstwiesenfreund Eppler.

Angezapft: Misteln als zusätzlicher Stressfaktor

Trockenheit und Hitze setzen auch Streuobstbäumen stark zu. Nach zwei trockenen Sommern zeigen sich in den Obstanbaugebieten bereits zahlreiche Trockenschäden. Die Klimaerwärmung begünstigt zudem die Ausbreitung der Mistel, denn Vögel, die zur Verbreitung der Samen beitragen, bleiben länger an ihrem Standort. Über 20 Vogelarten sind nachgewiesen, die Mistelsamen fressen und verbreiten, darunter Star, Mönchsgrasmücke und Wacholderdrossel. Besonders von der Mistelplage betroffen sind Apfelbäume, Eberesche, Pappel, Weide, Weißdorn oder Birke. Wärme unterstützt auch die Keimung. Nach einem Jahr beginnt die kugelförmige, immergrüne Pflanze damit, dem Wirtsbaum mit ihren Saugwurzeln lebenswichtiges Wasser und Nährstoffe abzusaugen. Der NABU rät Baumbesitzerinnen und -besitzern daher, nicht zimperlich mit dem Halbschmarotzer umgehen.

Bäume sanieren und regelmäßig kontrollieren

Hat sich die Pflanze an einem Baum ausgebreitet, sollten nachwachsende Misteln systematisch, alle zwei bis drei Jahre, entfernt werden. Da sie erst nach vier Jahren Beeren und damit Samen tragen, wird die Vermehrung so gestoppt. Soll ein Baum saniert werden, müssen stark befallene Äste komplett entfernt oder mindestens 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz zurück abgesägt werden. Bei kleinem Befall können Pflanzen samt Wurzeln mit einer Kerbe tief ins Holz ausgeschnitten werden. Die Wurzeln der Misteln sind als grüne Stellen im Holz erkennbar. Bei starkem Befall sollte zumindest das jährlich erfolgende Fruchten und damit die massive Ausbreitung verhindert werden.

Mistelvorkommen dokumentieren

Um herauszufinden, ob sich die Misteln weiter ausbreiten, welche Baumarten befallen sind und ob es regionale Unterschiede gibt, haben der NABU und naturgucker.de ein Monitoring gestartet. Bis einschließlich Februar sollen Misteln gezählt und online gemeldet werden. Mitmachen kann jeder, das Monitoring soll nun jedes Jahr jeweils ab November durchführt werden. So erhofft sich der NABU mehr Daten zur Häufigkeit und Verbreitung der Misteln.

Nachpflanzen für Specht und Wendehals

Wird die Laubholzmistel nicht entfernt, kann sie einen durch Dürre oder mangelnde Düngung bereits geschwächten Baum im Extremfall vollends zum Absterben bringen, warnt der NABU. Eppler empfiehlt: „Ein hochstämmiger Obstbaum sollte stets durch einen ebensolchen ersetzt werden. Am allerbesten mit einer Stammhöhe von 1,80 Meter oder höher. Buntspecht, Grünspecht und Co. zimmern ihre Bruthöhlen am liebsten in große, stämmige Bäume. „Ist die Spechtfamilie ausgezogen, bietet die Baumhöhle selten gewordenen Höhlenbrütern, wie Wendehals oder Halsbandschnäpper, einen unentbehrlichen Platz, um im Frühjahr den Nachwuchs aufzuziehen“, sagt der Landesvorsitzende. Die Baumhöhlen sind aber auch bei Siebenschläfern, Fledermäusen und Wespen begehrt.

Hintergrund:

Die Weiße Mistel, auch Laubholzmistel genannt, wird bis zu 70 Jahre alt. Sie blüht grüngelb zwischen Februar und April. Im Herbst trägt sie erbsengroße, glasig-weiße, fleischige Scheinbeeren, die bei über 20 Vogelarten als Winternahrung begehrt sind. Für die Verbreitung der Misteln hat sich die Natur einen besonderen Trick einfallen lassen: Ihre weißen Früchte sind extrem klebrig. Ein Teil der Früchte bleibt beim Fressen an den Vogelschnäbeln haften. Wetzen die Vögel den Schnabel an einem Zweig oder hinterlassen dort ihren Kot, kleben die Mistelsamen an der Rinde des künftigen Wirtsbaumes fest. So kann sich die Mistel problemlos über mehrere Kilometer verbreiten.

Ursachen für die aktuelle Ausbreitung sind nach derzeitigem Wissensstand unter anderem die unregelmäßige Pflege von Streuobstbeständen, klimatische Veränderungen, wie lange Trockenphasen und der daraus resultierende Stress für die Obstbäume, sowie die irrige Annahme, die Laubholz-Mistel stehe unter besonderem Schutz. Befallen werden im Obstbau Apfelbäume und Ebereschen, nicht aber Kirschen, Walnüsse, Pflaumen und Zwetschgen. Wie neue Rückmeldungen zeigen, breitet sich die Mistel entgegen ursprünglichen Annahmen und bei massivem Befall auch auf Birnbäumen aus.

 


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