Der Eindruck, dass die deutsche Einheit durch die aktuelle Politik – insbesondere die Migrationspolitik, den sogenannten „Russenhass“ und die als verfehlt wahrgenommene Wirtschaftspolitik der Grünen – mehr bedroht ist als 1990, lässt sich durch mehrere Faktoren erklären, die tief in den gesellschaftlichen Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland verwurzelt sind.
1. Migrationspolitik und gesellschaftliche Spaltung
Die Migrationspolitik der letzten Jahre, besonders seit der Flüchtlingskrise 2015, hat in Deutschland tiefe Risse in der Gesellschaft hinterlassen. Diese Risse sind im Osten besonders stark spürbar, weil die Region historisch weniger mit Zuwanderung konfrontiert war. In Ostdeutschland gibt es oft eine größere Skepsis gegenüber der Aufnahme von Migranten, was teils auf die kulturelle Homogenität der DDR-Zeit zurückgeht, aber auch auf die wirtschaftliche Schwäche der Region nach der Wende, die viele Menschen in eine defensive Haltung treibt.
Diese Skepsis wird von Parteien wie der AfD, die in den östlichen Bundesländern besonders stark ist, aufgegriffen und verstärkt. Viele Menschen im Osten fühlen sich von der Migrationspolitik der Bundesregierung, die maßgeblich von westlichen Interessen geprägt wird, übergangen oder ignoriert. Die Botschaft, dass die politischen Eliten im Westen nicht auf die Sorgen und Ängste der ostdeutschen Bevölkerung eingehen, vertieft das Gefühl der Entfremdung.
2. Russenhass und historische Bindungen

Der Begriff „Russenhass“ bezieht sich vermutlich auf die zunehmend feindselige Haltung der deutschen Außenpolitik gegenüber Russland, insbesondere seit dem Ukraine-Krieg. Für viele Ostdeutsche hat Russland jedoch eine historische Bedeutung. In der DDR waren die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Russland (bzw. zur Sowjetunion) stark ausgeprägt, und viele Ostdeutsche sehen in Russland keinen Feind, sondern einen Partner, besonders im wirtschaftlichen Bereich.
Die harten Sanktionen gegen Russland, die zunehmende Entfremdung zwischen den Regierungen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen, wie etwa steigende Energiepreise, treffen den Osten Deutschlands besonders hart. Regionen, die früher von der Zusammenarbeit mit Russland profitierten – etwa im Energiesektor – sehen sich nun wirtschaftlich benachteiligt. Viele Ostdeutsche empfinden die strenge Haltung der Bundesregierung gegenüber Russland daher als „westlich dominiert“ und unvereinbar mit den Interessen des Ostens.
Diese historische und emotionale Verbundenheit mit Russland führt dazu, dass viele Ostdeutsche die aktuelle Außenpolitik als weiteren Beweis dafür sehen, dass ihre Perspektiven in der gesamtdeutschen Politik zu wenig Gehör finden. Dies vertieft das Gefühl, dass die Einheit nicht wirklich vollzogen ist, sondern dass Ostdeutschland weiterhin ein “anderes” Deutschland bleibt.
3. Grüne Wirtschaftspolitik und ihre Auswirkungen

Die Wirtschaftspolitik der Grünen, besonders im Hinblick auf die Energiewende und den Klimaschutz, wird in Ostdeutschland oft als Belastung empfunden. Viele ostdeutsche Regionen sind wirtschaftlich auf traditionelle Industrien angewiesen, die stark von fossilen Energieträgern abhängen, wie Kohle und Gas. Die Umstellung auf erneuerbare Energien und die damit einhergehenden Strukturwandelprozesse treffen den Osten daher besonders hart.
Während im Westen oft von der „Notwendigkeit“ und den „Chancen“ des Strukturwandels gesprochen wird, sehen viele Menschen im Osten vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Sicherheit. Die grüne Wirtschaftspolitik, die stark auf den Klimaschutz und den Ausstieg aus fossilen Energien setzt, wird daher als eine Politik wahrgenommen, die vor allem die Interessen der westdeutschen Metropolen bedient, während der Osten wirtschaftlich zurückbleibt.
Diese wirtschaftliche Benachteiligung verstärkt das Gefühl, dass die deutsche Einheit vor allem auf dem Papier besteht, aber in der Realität noch lange nicht umgesetzt ist. Der Osten fühlt sich weiterhin wirtschaftlich abgehängt und von der Politik im Stich gelassen.
4. Vertiefung der gesellschaftlichen und politischen Gräben
Die zunehmende Polarisierung in der deutschen Politik – mit einem wachsenden Einfluss der AfD im Osten und einem starken Grünen-Wähleranteil im Westen – verstärkt den Eindruck, dass Deutschland sich zunehmend in zwei politische Lager teilt. Die AfD hat es geschafft, in den ostdeutschen Bundesländern Fuß zu fassen, indem sie das Gefühl von Benachteiligung und Entfremdung aufgreift und verstärkt. Gleichzeitig wird die grüne Politik im Westen als zukunftsweisend und modern angesehen, was die politischen Gräben zwischen Ost und West weiter vertieft.
Diese Polarisierung führt zu einem Gefühl, dass die Einheit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich in Gefahr ist. Die Themen Migration, Russlandpolitik und wirtschaftliche Transformation spalten die Gesellschaft stärker als in den Jahren nach der Wiedervereinigung.
Die aktuelle Politik in Deutschland – insbesondere in den Bereichen Migration, Russlandpolitik und Wirtschaft – wird von vielen Ostdeutschen als ein Zeichen dafür gesehen, dass die deutsche Einheit noch nicht vollständig erreicht ist.
Die unterschiedlichen historischen Erfahrungen, wirtschaftlichen Bedingungen und politischen Einstellungen zwischen Ost und West haben sich seit 1990 teilweise vertieft, und aktuelle politische Entscheidungen tragen dazu bei, diese Kluft weiter zu vergrößern.
Der Osten fühlt sich oft von der Politik des Westens übergangen, was zu einem verstärkten Gefühl der Entfremdung führt und die Einheit in Frage stellt.