MT Talents: Interview mit Athletik-Trainer Dr. Florian Sölter (Teil 1 von 2)

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MT TALENTS: WENN DER ATHLETIK-TRAINER PLÖTZLICH VOLL IM RAMPENLICHT STEHT … (TEIL 1)

Auch wenn das Leben und vor allem die Arbeit angesichts der Umstände momentan in vielen Bereichen zum Stocken gekommen ist, gibt es auch die berühmte, in diesem Falle allerdings keinesfalls negative, Kehrseite der Medaille.  Unser Athletiktrainer der MT Melsungen, Dr. Florian Sölter, kann sich über mangelnde Beschäftigung sicher nicht beklagen. Im Gegenteil hat er alle Hände voll zu tun und muss darüber hinaus zum Teil auch neue Wege suchen (und finden), um den professionellen Ansprüchen seines Clubs, gerade und insbesondere auch im Jugendbereich mit den MT Talents, gerecht werden zu können. Sonst eher im Hintergrund agierend, kommt ihm plötzlich eine ganz neue, sehr exponierte Position zu. Ein guter Anlass, dieses so wichtige Feld der Sportausbildung unserer jugendlichen Handballer in einem ausführlichen Interview zu beleuchten. Aufgrund dieser Ausführlichkeit veröffentlichen wir das Interview gesplittet. Der zweite Teil folgt am kommenden Montag.

– Florian, kann es sein, dass Du in diesen Zeiten des relativen Stillstands einer der meistbeschäftigtsten Mitarbeiter der MT Melsungen bist?

Ob das so ist, weiß ich nicht, weil meine Kollegen auch einiges zu tun haben.  Aber es ist schon viel, weil ich neben der C-, B- und A-Jugend auch noch zwei Herrenmannschaften betreue. Und gerade im Moment steht die Athletik da im Fokus, da die Hallen nicht zugänglich sind und wir sehr wenig mit dem Ball machen können. Es ist aber ok, weil wir so die Zeit wenigstens effektiv nutzen können.

– Wie sieht Dein derzeitiger Tagesablauf aus, da Du als Athletiktrainer von der Bundesliga bis in den Jugendbereich hinein dutzende von Spielern individuell betreuen musst?

Nach dem kompletten Abbruch der alten Saison auf allen Ebenen beschäftigen wir uns nun schon mit der neuen Spielzeit. Das bedeutet, dass ich von morgens bis abends an der Trainingsplanung für die Vorbereitung sitze. Wir haben die für den Handball ungewöhnliche Situation, im April schon zu wissen, dass wir voraussichtlich mindestens bis September keine Spiele mehr haben werden. Um sinnvoll arbeiten zu können, muss ich mich viel mit den einzelnen Trainern zusammensetzen und abfragen, wer bis dahin wieviel handballspezifisches Training mit seiner Mannschaft machen möchte und wann. Ausgehend davon plane ich die anderen Wochen für die athletischen Bereiche. Konkret: nach einer Tasse Kaffee am Morgen werden die tagesaktuellen Pläne gemäß erhaltener Rückfragen oder Abhängigkeit vom vielleicht gerade nicht zur Verfügung stehenden Material angepasst. Danach folgen Telefonate mit den Cheftrainern, bevor es wieder zurück an die Planung der Saisonvorbereitung geht. So ist der Tag dann meist schnell um.

– Gibt es nach oben hin je nach Alters- und Leistungsstufe komplett andere Schwerpunkte in der Trainingsarbeit oder unterscheidet sich vorwiegend die Intensität?

Es ist schon so, dass sich von der C-Jugend bis in den Männer-Bundesligabereich sowohl Schwerpunkte als auch Intensität unterscheiden. In den jüngeren Jahrgängen der Jugendlichen liegt der Fokus darauf, vorwiegend mit dem eigenen Körpergewicht zu arbeiten. Auch das Feilen an der Technik gehört dazu. Ziel ist eine gute Bewegungsqualität, für die man zum Beispiel keine zusätzlichen Gewichte braucht. In B- und A-Jugend ähneln sich die Schwerpunkte schon, unterscheiden sich aber in der Intensität. Die älteren Spieler müssen schon deutlich mehr leisten. Da geht es auch nicht nur um den Grundlagen-Ausdauerbereich, sondern es gibt verschiedene Intervall-Trainingspläne, um die Brücke in den Profibereich zu schlagen. Dort wird kaum noch an den Grundlagen gearbeitet, sondern vorwiegend in Intervallen daran gefeilt, die Ausdauer schulen zu können und auch aufrecht zu erhalten. Deshalb müssen die Bundesligaspieler natürlich wesentlich mehr machen als die Jugendspieler, wobei gerade die A-Jugendlichen doch auch schon einiges zu tun haben, möchte ich mal sagen.

 

– Ab welchem Alter kann man den Jugendlichen erfahrungsgemäß zumuten und auch zutrauen, eigenständig nach externen Vorgaben an der eigenen Athletik zu arbeiten?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies bereits in der C-Jugend schon sehr gut möglich ist. Allerdings ist es so, dass ich bei den Trainingsplänen so verfahre, dass keine neuen Inhalte oder Techniken eigenständig erarbeitet werden müssen. Sämtliche Übungen oder Belastungsformen sind den Jungs aus den diversen Trainingseinheiten schon bestens bekannt. Da hilft es, dass ich in den verschiedenen Einheiten die Jungs immer mal wieder dazu auffordere, sich gegenseitig zu unterstützen und unter meiner Aufsicht zu korrigieren. Daher wissen sie sehr genau, worauf es bei den verschiedenen Übungen ankommt und wie diese ausgeführt werden sollen. Hier spielt meines Erachtens sowohl das eigene Körpergefühl – wie fühlt sich eine richtige Position an – ebenso eine große Rolle, wie das Erkennen einer bewegungsungesunden Position bei meinem Gegenüber. Natürlich ist es so, dass je jünger die Athleten sind, sie eine stärkere Führung und auch einen ausgeprägteren Automatismus bei den verschiedenen Inhalten benötigen. Mit dem steigenden Leistungsalter und der Gewöhnung an den Trainer mit dessen Trainingsphilosophie nimmt das dann schon merkbar ab.

 

– Wie kontrollierst Du die Trainingseffekte und wie oft musst Du entsprechend der Rückläufe einzelne Trainingspläne umstellen?

Umstellungen kommen eigentlich gar nicht so häufig vor. Aktuell musste ich davon ausgehen, dass unsere Jugendspieler relativ wenig Material zur Verfügung haben. Weshalb die Kraft-Trainingspläne eben ohnehin mehr auf dem eigenen Körpergewicht beruhen. Dafür braucht es bestenfalls mal einen Stuhl, einen Tisch oder ein Handtuch, um eine rutschige Unterlage zu bekommen. So etwas ist bei jedem im Haus. Darüber hinaus haben wir die komfortable Situation, dass sich unsere Jugendspieler bester Gesundheit erfreuen und nur vereinzelt kleinere Beschwerden haben. Für die Laufpläne sind alle mit Pulsgurten ausgestattet oder mit einer guten Handy-App versehen, so dass sie auch selbst einen Überblick haben. Deshalb ist das von mir weniger eine Kontrolle, sondern eher eine normale Rückmeldung der Daten von den Jungs, die ich regelmäßig bekomme. Dauer, Geschwindigkeiten, Herzfrequenzbereiche werden unter anderem erfasst und dann unterhalten wir uns regelmäßig miteinander und sprechen uns ab. Bei diesem Ablauf halten sich eventuell nötige Anpassungen tatsächlich in engen Grenzen und es funktioniert alles recht gut.

 

– Wie sind denn speziell die MT Talents derzeit drauf? Wenn die eigenverantwortliche Umsetzung der Vorgaben klappt, ist ja eigentlich alles im grünen Bereich, oder?

Ja, sie sind sehr gut drauf! In allen drei Altersstufen klappt die Eigenverantwortlichkeit prima. Basis dafür ist, dass wir ein gutes Vertrauensverhältnis miteinander pflegen. Nur bei den Ausdauerläufen müssen mir die Daten zurückgemeldet werden, der Kraftbereich läuft auf dieser Vertrauensbasis. Allerdings sind es die Jungs sowieso gewohnt, fast jeden Tag in der Halle zu stehen und zu trainieren und haben deshalb einen sehr hohen natürlichen Tatendrang. Wenn tatsächlich mal jemand eine Einheit auslässt, darf man das auch nicht zu hoch hängen. Im Endeffekt weiß jeder, warum er bei den MT Talents spielt und was er mit seiner Mannschaft noch erreichen möchte. Alle wissen, dass sie sehr schnell abfallen würden, wenn es wieder los ginge und sie nichts gemacht hätten. Das möchte keiner riskieren. Im Gegenteil erreichen mich eher Nachfragen, was man vielleicht zusätzlich noch tun kann.


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