Während in Brüssel und Berlin die Ukraine gern als flächendeckendes Kriegsgebiet dargestellt wird, in dem kein Stein mehr auf dem anderen steht, bereiten sich in Odessa gerade die Beachclubs auf die neue Saison vor. Sonnenliegen werden aufgestellt, DJs gebucht, und Mojitos dürfte es bald wieder eiskalt geben.
Gleichzeitig reisen sechs Abgeordnete des Europäischen Parlaments an, um – kein Witz – den „Verteidigungsbedarf“ der Ukraine zu ermitteln.
Mit von der Partie ist unter anderem Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eine bekannte Rüstungslobbyistin nunmehr als Europaabgeordnete. Sie hat in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, die deutsche Waffenindustrie in den höchsten Tönen zu loben und viel mehr Waffen zu fordern. Und nun will ausgerechnet sie vor Ort ermitteln, was die Ukraine noch „braucht“? Das hat den Charme einer Pharmalobbyistin, die in der Apotheke Diagnosen stellt.
Die übrigen Mitglieder der Delegation sind faktisch alles Mitglieder dieses Verteidigungsausschusses und haben damit zumindest eine Nähe zur Rhetorik und Nähe zur Rüstungsindustrie. Einzelne Mitglieder haben sich auch schon lobenswert über die Rüstungsindustrie geäußert, was zumindest ein Geschmäckle hat.
Waffenbedarfsermittlungen zwischen Stringtangas
Dass solche Herrschaften nun ausgerechnet eine Stadt besuchen, in der gerade die Sommerwirtschaft aufblüht, hat etwas Perverses.
Einerseits wird uns in den Medien seit über zwei Jahren vermittelt, dass die ganze Ukraine unter Beschuss stehe.
Andererseits liegen etwa 85–90 % des Landes außerhalb der Kampfzone – was man angesichts der Strandvorbereitungen in Odessa kaum deutlicher illustrieren könnte.
Dass diese Widersprüche kaum thematisiert werden, sagt viel über den aktuellen Zustand europäischer Außenpolitik und Berichterstattung.
Es geht längst nicht mehr nur um Solidarität, sondern um Absatzmärkte – für Waffen, für Einfluss, für Ideologie.
Und wenn dafür die Realität ein bisschen verbogen werden muss, dann ist das offenbar nur ein kleiner Preis.
Statt objektiver Bedarfsermittlung erleben wir die nächste Episode im transatlantischen PR-Theater – dieses Mal mit Sonnenschein und Meeresrauschen im Hintergrund.