Festungen: Leid und Elend für die Sicherheit

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Der Nebel hebt sich langsam und die Sonne kommt hinter dem Horizont hervor. Der immer noch wachsame Soldat weiß, dass die kälteste Zeit der Nacht erst in der Stunde nach Sonnenaufgang kommt. Er also weiter frieren wird bis es dann vielleicht besser wird. Dann auch die Ablösung kommt und die Trostlosigkeit mit einer anderen Beschäftigung weitergeht.
Das alles und immer wieder bis dann vielleicht mal der böse Nachbar zu Besuch kommt und es hektisch wird…

Römische Wachunterkunft am Limes

So oder so ähnlich empfinden Soldaten seit Anbeginn der Zeit, wenn sie Garnisons-, Festungs- oder Grenzdienst haben. Egal ob diese Soldaten Legionär, Ritter, Landsknecht, Söldner oder Wehrpflichtiger genannt wurden. In allen Kulturen, zu allen Zeiten und in allen wehrtechnischen Epochen war der Garnisons- und Festungsdienst als Wachdienst verhasst.

Hierhin wurden alle Soldaten abgeschoben, die nicht mehr voll diensttauglich waren. Nicht mehr lange Strecken marschieren konnten oder nicht mehr alle Finger besaßen. Oder nur noch ein Auge hatten.
Im zweiten Weltkrieg hatte die Wehrmacht alle für die Ostfront untauglich gewordenen Soldaten an den Atlantikwall gestellt. Oder andere ähnlich spannende Funktionen und Verwendungen gefunden.

 

 

Fort Sumter 1861: mit der Beschießung begann der US-Bürgerkrieg

Der Dienst in Festungen war hart, wenig abwechslungsreich, monoton und eine über Jahre gehende Aneinanderreihung von Routine, Tristesse und Unbehagen. Egal wo eingesetzt.

So schaute der römische Legionär genauso interessiert über den Hadrianswall oder Limes zum Waldrand hin, wie 2000 Jahre später sein französischer Kamerad aus der Maginot-Linie heraus oder wie ein Wehrmachtssoldat vom Atlantikwall zum Meer.

Die Unterkünfte waren in geschützten Bereichen eingebaut. Mit dicken Mauern umgeben, mit zusätzlich Erde abgepolstert und natürlich bestenfalls mit Schießscharten als Fenster und … Belüftung!

 

 

 

Die Luftfeuchtigkeit war immer hoch. Nicht nur klimatisch bedingt, sondern durch die ausgeatmete Luft der Mannschaften. Diese kondensierte zusammen mit der Restluft an den gewölbten hohen Decken und tropfte zurück.

Engl. Flak-Inseln in der Themsemündung

Ruß von Kerzen, Öllampen und Fackeln war normal. Zu allen Zeiten, bis Strom aufkam.

Geschlafen wurde auf Betten oder auf Stroh, das zwar regelmäßig gewechselt wurde, aber letztlich nicht oft genug. Denn Stroh unterlag einer Logistik. Und die war nicht immer gut.
Hier waren römische Legionäre besser dran, als ihre Kameraden im Mittelalter oder sogar bis hin zum US-Unabhängigkeitskrieg, denn die römische Logistik wurde erst wieder von Wallenstein und dann Napoleon erreicht.

 

 

Besucher von heute stehen staunend auf den Wällen und regelrecht gaffend vor den Geschützen. Letztere sind zum Teil riesig und massig vorhanden. Und benötigten daher auch eine recht große Anzahl an Bedienungen. Und diese summierte sich auf. Zu hunderten oder auch zu tausenden Männern, die zusammengepfercht ihren Dienst taten. Denn Befestigungen durften nicht groß sein. Auf jeden Meter Mauer kam ein Verteidiger. Jedes Geschütz hatte 6-15 Mann, je Kaliber/Größe/Art. Bewaffnung sowie Außenmauerlänge korrespondierten also mit der Besatzung. Das galt es zu optimieren.

 

6Pf-Feldgeschütz auf der Festung Petersberg in Erfurt

 

Und diese Optimierung wurde dann zum Schlüsselelement für den Festungsbau. Vor- und Zwischenwerke brauchten weitere Männer. Gezackte und besser zu verteidigende Mauern waren insgesamt länger und brauchten noch mehr Leute. Und dann auch mehr Kanonen.
Und am Ende brauchte man  noch ein Lazarett, eine Küche, ein Lager, ein Magazin, Lagerräume und Ställe samt dazu notwendigen Personal.
Auch bewegliche und mobile Einheiten (Kavallerie/gepanzerte Wagen) waren gut und für Außenpatrouillen zur Erkundung erforderlich.
So kamen dann auch noch dutzende bis hunderte Pferde dazu, die die Enge in der Festung vergrößerten.

Festung Petersberg in Erfurt

Krankheiten waren normal. Und die krankheitsbedingten Verluste galt es zu minimieren. Auch hier hatten sich für den Personalersatz Faustformeln gebildet. Je nach Klima und Funktion der Garnison waren pro Jahr 10 bis 25% frische Truppen nötig.
Forts in der Karibik, Indien und Sumatra verschlangen durch tropenbedingte Krankheiten und Seuchen bis zu 100% pro Jahr!
So wurde der Garnisonsdienst auch zu einer möglichen Strafe für verurteilte Soldaten. Oder auch nur für nicht mehr voll einsatzfähige Soldaten.
Man kann sich vorstellen, dass die Selbstmordrate hoch war. Doch sie war in den Personalschlüssel für Ersatzgestellungen mit eingerechnet… Auch heute noch haben reine Wacheinheiten höhere Selbstmordraten als andere Einheiten.

 

Geschützpforte

Das Essen war weder mehrgängig noch abwechslungsreich. Und Auswahl gab es auch nicht. Einmal pro Tag wurde warm gegessen. Immer das gleiche. Und was das war hing davon ab, was der Versorgungsoffizier /-beamte so ranschaffen konnte. Oder was durch kam. Oder was örtlich zu kaufen war.
Ziel war es einmal die Woche Fleisch zu haben…

Das nun als veganes Paradies anzusehen ist falsch. Die natürliche Lebenserwartung der Leute sank nach dem Niedergang Roms von Jahr zu Jahr. Und dieses Leben trug nicht zu einer Verlängerung der Lebenserwartung bei.
Mangelversorgung, Enge und ein Tropfsteinhöhlenklima (in unseren Breiten) sorgten für schnell um sich greifende Krankheiten. Schwindsucht (TB /TBC) waren alltäglich und normal. Anderswo waren es Gelb- und Fleckfieber oder gar die Poken oder Thyphus.

Höhepunkt waren Angriffe auf die Festung oder Vorstöße aus der Festung heraus agierend. Hier zeigte sich dann auch der Wert großer Festungen. Um sie zu erobern brauchte man minimal bis zur dreifachen Menge an Soldaten, wie die Verteidiger aufbieten konnten. Durch geschickte Wehranlagen (Festungsarchitektur war eine Wissenschaft!) und eine angepasste Bewaffnung konnte dieses Verhältnis auch auf 1:10 hochgeschraubt werden.

Modell der Festung Petersberg in Erfurt

Und da Festungen mit großen Besatzungen nicht im Rücken einer angreifenden Armee verbleiben konnten, mussten(!) sie erobert werden. Das kostete Zeit und band Truppen, die für den Vormarsch fehlten.
So wurde die Festung Ehrenbreitstein über Koblenz so konzipiert, dass sie mit den zwei Vorwerken den Stadtbereich abschirmen und so eine Garnison von 100.000 Mann beherbergen konnte. Im Falle eines Krieges gegen Frankreich, hätte Koblenz so von minimal 300.000 Mann angegangen werden müssen. Das entsprach aber der halben französischen Armee, die damit so gebunden gewesen wäre.
Überraschungsangriffe endeten so in der Belagerung von Festungen und verschafften dem Angegriffenen Zeit zur mobilen und variablen Reaktion.

So waren Festungen letztlich friedensfördernd oder sogar bewahrend. Sie saugten angreifende Armeen grenznah auf, schützten das Hinterland und ermöglichten eine mobile Reaktion durch eigene Truppen, die frei agieren konnten.

Fiel eine Festung, war das eine Katastrophe, denn sie gehörte mit all ihren Vorzügen dann dem Gegner. Band eigene Truppen bei ggf. nötigen Belagerungen. Daher galt es eroberte Festungen schnell zurückzuerobern. Bevor der Gegner die Befestigungen wieder instand setzen konnte.

In der Kriegsgeschichte haben Festungen und Befestigungswerke aber niemals den strategischen Sieg erringen können. Sie vermochten Gegner zu verlangsamen oder ihn auch über Jahre zu behindern, aber letztlich fielen die meisten von ihnen oder der Krieg entschied sich anderswo.

Angriff auf ein römisches Fort

Der Hadrian-Wall und der Limes (HIER) fielen. Massada (HIER), Dien Bien Phu oder Fort Sumter (HIER) fielen. Der Atlantikwall war genauso gut oder schlecht, wie die Maginotlinie (HIER) oder die Verteidigung von Syracus, wo Archimedes fiel. Trotz seiner genialen Ideen, die zum Standard wurden.

Eine angreifende Armee hat die Initiative. Sie bestimmt, was zum Einsatz kommt. Wo, wann und wie. Der Garnison kann nur zusehen und kaum noch reagieren. Erkennbare mögliche  Mauerdurchbrüche können gekontert werden. Stollen, die vom Gegner unter die Mauern getrieben werden, können frühzeitig erkannt und mit Gegenstollen neutralisiert werden. Oder einfach geflutet werden.
Und die in aller Regel schwereren Festungsgeschütze, die zudem höher aufgestellt sind, hatten eine größere Reichweite und vernichtendere Wirkung als alles, was bis zum ersten Weltkrieg ins Feld geführt werden konnte.

1914 wurde der deutsche 42cm-Mörser von Krupp, Dicke Bertha (HIER) genannt, dadurch berühmt, dass er 5 Meter Beton durchschlagen konnte. Andere Eisenbahngeschütze schossen bis zu 120 km weit und übertrafen damit alles, was ein Fort zur Wirkung bringen konnte an Reichweite deutlich.

Die Wirkung und Vorteilhaftigkeit von Festung und Artillerie nahm die Formen an wie im Mittelalter der Wettbewerb zwischen Panzerung und Armbrust. Am Ende gewann in beiden Fällen das Projektil.

 

England: Dean-Castle (Querschnitt)

Dennoch ist die Befestigung von Stellungen, die Härtung von Positionen, bis dato entscheidend. Je besser so eine Befestigung (Fort) ist, desto länger wird der Feind bei geringeren eigenen Verlusten, abgehalten.
Je tiefer man sich eingräbt, desto höher der theoretische Schutz vor direkter Feindeinwirkung. Es sei denn diese Wirkung kommt direkt von oben, was Schützengräben, Kampfstände und jede offene Position unhaltbar macht, oder es werden andere Waffen eingesetzt.
Gas wurde im ersten Weltkrieg nur deshalb angewendet, um Soldaten aus der Deckung zu treiben, sodass man sie wieder direkt bekämpfen konnte.

 

 

Reste einer deutschen Küstenverteidigung

Somit sind Festungen/Befestigungen nicht überflüssig geworden, aber sie sind in ihrer Wirkung nun … übersichtlicher. Gerade auch unter dem Gesichtspunkt von Luftangriffen.

Rückblickend kann man sich heute kaum noch vorstellen, was so ein jahrelanger Garnisons- und Festungsdienst aus den Soldaten gemacht hat. Welches Elend in den Kasematten und Unterkünften herrschte.

Cineastisch (HIER und Trailer HIER) wurde oft der Untergang der Leg XX, der Drachenlegion, am Hadrianswall in Szene gesetzt. Diese Legion gab es wirklich. Und sie verschwand. Um den Zeitraum, wo das röm. Imperium insgesamt unterging. Die Versorgung eingestellt wurde. Der Dienst auf dem Wall nicht nur sinnlos, sondern auch unmöglich wurde.

 

 

 

Petersberg in Erfurt

Den röm. Wall in Abschnitten zu erhalten war Aufgabe eines Comes, aus dem später der Adelstitel Count wurde. Und örtliche Befehlshaber, die auf eigenen Entschluss als Statthalter Truppen ausheben und ins Feld führen konnten, nannte man in Rom Duques. Aus ihnen wurden die Dukes der Neuzeit. Und bei uns zu Herzögen, mit dem Recht mit einem eigenen „Heer zu ziehen“.

Somit hat sich die Wichtigkeit der Aufgabe solche Grenzen zu bewachen sprachlich und funktional bis in die demokratische Neuzeit gerettet. Eigentlich sogar eine staatliche Ebene erreicht.
All das macht deutlich wie wichtig solche Dienste an den Grenzen der Länder und Reiche waren und sind.

 

 

Um so erstaunlicher ist es, dass das Elend der Besatzungen inzwischen vergessen ist. Sie lebten dort in all den heutigen Museumsanlagen, wo es für Besucher uninteressant, nasskalt, ungemütlich und zu dunkel ist. Wo allein der Durchmarsch zur nächsten tollen Kanone schon weniger toll ist. Und in jeder dieser Nischen und Gewölbeabschnitten lebten bis zu einem Dutzend Männer dicht auf dicht. Jahr für Jahr. Bis zum Ende ihrer Dienstzeit oder bis zum Ende ihres recht kurzen Lebens. Aus heutiger Sicht.

 

Und wie die heutigen Soldaten taten sie es nur aus einem Grund: FÜR EUCH!

 

Festungsplan der Insel Helgoland – Vor 120 Jahren war die Insel eine Festung mit Zutrittsverbot

 

 

 

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Als Interessenverband für alle Einsatzveteranen ist der Bund Deutscher Einsatzveteranen e.V. (HIER). Er ist Ansprechpartner und Anlaufstelle für alle Kameraden, die Hilfe brauchen. Es wird jedem, sofort und  professionell geholfen werden, der durch seinen Dienst für die Bundesrepublik Deutschland zu Schaden kam.

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Kostenloser Download des Erfahrungsberichtes eines traumatisierten Kameraden: Kunduz im Kopf

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